Nachbericht 122. Typostammtisch: Triple Type Walk

Mit Jesse Simon entlang der U8

Für den U-Bahn-Typewalk trafen wir uns auf dem Bahnsteig Gesundbrunnen, ehemalige Endstation der Linie U8 bis in die 1970er Jahre. Jesse Simon, Autor von Berlin Typography, leidenschaftlicher Schriftenjäger (und -sammler) im ober- und unterirdischen Stadtbild, leitete uns erst einmal eine Ebene höher. Hier stellten wir uns gegenseitig vor und Jesse führte uns in die Geschichte des Berliner U-Bahnnetzes ein. Bessere Luft und weniger Lärm hier als auf dem Bahnsteig! Ein- und ausfahrende Züge sollten uns an diesem Nachmittag noch so manches Mal eine kurze Vortragspause einlegen lassen …

Zur Geschichte: Anfang des 20. Jahrhunderts gab es Pläne für eine Berliner Schwebebahn, ähnlich wie in Wuppertal. Daraus wurde aber nichts. Folglich wurde uns das S- und U-Bahnnetz beschert, mit turbulent-wechselhafter Historie – wir sind schließlich in Berlin. Wir erfuhren von lang geplanten, nie gebauten Verbindungen und Verlängerungen, von Geisterbahnhöfen, Ost-West-teilungsbedingtem Wirrwarr und einem sehr trägen Baugeschehen nach der Wiedervereinigung: Warum geht die U8 nicht bis zum Märkischen Viertel? Warum endet die U1 nicht am Adenauer Platz und trifft dort auf die U7, obwohl es sogar bereits einen entsprechenden Bahnsteig gibt – verwaist? Diese und andere Kuriositäten waren spannend mitzudenken, als wir uns im Anschluss auf den Bahnsteigen Schriften und Gestaltung im Allgemeinen anschauten.

Neben Schriften ging an diesem Nachmittag auch um Farben, Fliesen und Säulen. Es ging um lieb- und kraftlosen Denkmalschutz (siehe Bild von der Pankstraße), um gedankenlos ersetzte Schriftschätze und um gute Zurichtung trotz starrer Kachelstruktur (siehe Residenzstraße). Natürlich ging es auch um Menschen, vor allem um den visionären Rainer Gerhard Rümmler, Gestalter annähernd aller neu erbauten Berliner U-Bahnhöfe von Mitte der 1960er bis Mitte der 1990er Jahre – auch entlang der U8. Rümmler war übrigens so visionär und zukunftsgerichtet, dass er vorsichtshalber das Eszett in den U-Bahnhöfen vermied („…strasse“) – denn wer weiß schon, was bleibt?

Unsere Route verlief nordwärts, mit Einzelstopps zwischen Gesundbrunnen und Lindauer Allee, dann im langen Rutsch zurück zum Alexanderplatz (herrlicher Stilmix ionisch-imitierter Säulen) und von da aus zum gemeinsamen Feierabendbier in den Pratergarten. Dort hatten wir – nebst Getränken – spannenden Austausch mit den anderen Spaziergangsgruppen und Gästen, die „einfach so“ vorbeikamen. Vielen Dank allen interessierten Teilnehmer·innen und Jesse, für deine Begeisterung, deine unterhaltsamen Schilderungen und das viele Wissen, das wir nun freudig auf jeder U-Bahnfahrt Revue passieren lassen!

Einen Appell von Jesse möchten wir hier noch für die Öffentlichkeit festhalten: Berlin, kümmere dich um dein einmaliges visuell diverses U-Bahnnetz! Dieser typografische und gestalterische Schatz der Unterschiedlichkeit der Bahnhöfe sollte unbedingt geschätzt und gepflegt werden. Er gehört zu Berlin – und das soll auch noch lange so bleiben.

Themenverwandt: Der U7-Typewalk mit Jesse Simon im Herbst 2022.

Vorstellung und geschichtliche Einleitung in einer ruhigeren Ecke des U-Bahnhofs Gesundbrunnen.
Der Letraset-Klassiker Octopuss mit entsprechenden Fräsungen an der Pankstraße. Trotz (oder wegen?) des Denkmalschutzes ist leider an vielen Bahnhöfen der Gesamteindruck nicht gerade prächtig.
Wieder Letraset, diesmal die Windsor Outline – vorbildlich zugerichtet, trotz Fliesenmuster. „I cannot prove this assumption but Rainer Gerhard Rümmler must have had a Letraset catalogue“, mutmaßt Jesse.
Die Ionier wären gern am Alex ausgestiegen …

Mit Fritz und Flo durch den wilden Wedding

Der Wedding Walk überzeugte durch Wildheit, optisch und akustisch, durchsetzt von erholsamen Zwischenetappen: bei den Spaziergängen durchs ruhige Grüne entlang der Panke konnten sich Augen und Ohren erholen und die Partizipierenden plaudern. Apropos Partizipierende, wer war dabei? Wir bauten spontan eine Vorstellungsrunde ein und prompt fanden sich Querverbindungen, gemeinsame Bezugspunkte, etwa zu den Studienorten Potsdam und Weimar. Zurück in den Wedding: In Ermangelung dichtgesäter historischer Schriftbeispiele bezogen unsere Spaziergangsleiter Architektonisches in den Rundgang ein, das war lobens- und lohnenswert.

Fritz Grögel und Florian Hardwig waren bestens vorbereitet. Sie brillierten mit historischem Wissen – und mit ihren Laminaten: in Laminatfolie eingeschweißte, ergo regensichere Schrift- und Schautafeln in DIN A4, die sie auch im kurzzeitig einsetzenden Nieselregen schadlos herumreichen konnten.

Gleich zu Beginn eine traurige Anekdote. Das schöne Logo für öffentliche Bibliotheken, stilisierte Seiten eines aufgeschlagenen Buches, dazu der Schriftzug Bibliothek im gleichen Leuchtblau, ist nur noch in Form von Restbeständen in Gebrauch (wir fanden es mehrmals auf unserem Weg). Die Marke entstand 1977 für das Deutsche Bibliotheksinstitut; dieses wurde 1999 aufgelöst und die Marke 2009 gelöscht. Wie schade. Memo: Die Bildmarke dient(e) als Wegweiser und Kennzeichen für ein kulturelles Angebot, das kaum Geld kostet und für jeden Menschen frei zugänglich war – und ist. Wir statteten einer Bibliothek am Wegesrand einen kurzen Besuch ab, ehrenhalber und weil manche zum WC mussten.

In Erinnerung bleibt aber auch das großartige Logo der Malzbierbrauerei Groterjan, das in Metall von fast einem Meter Durchmesser am ehemaligen Firmengebäude prangt. Dazu passend zeigten Fritz und Flo Plakatschriften der Zeit, als bekannteste wohl Louis Oppenheims markante Fanfare, die in den 1920er Jahren populär wurde. An der Seite des Firmengebäudes , leider schon recht abgeblättert, noch ein ein Groterjan-Schriftzug. Wir waren beeindruckt von den zum Teil auch kalkulatorisch kühnen Experimenten früherer Entrepreneure, etwa dem Architekten mit den bunt glasierten Fassadenfliesen und den Heilwasserproduzenten auf der Badstraße, die selbiges Heilwasser auch dann noch berlinweit vertrieben, als die Heilquelle, vielmehr der Gesundbrunnen, längst geschlossen war. Nun wissen wir, woher die Straße und der Stadtteil ihre Namen haben. Warum allerdings hieß das Kino an gleicher Stelle Marienburg? Egal. Wir haben gelernt, dass es an so manch öffentlichem Ort, Kaffee- oder Biergarten statt Ausschank (mangels Schanklizenz) Kaffeeküchen gab, an denen sich die Besuchenden ihren mitgebrachten Kaffee selbst zubereiten konnten.

Zum krönenden Abschluss besuchten wir ein sensationelles Ensemble von ineinander übergehenden Handwerkerhöfen, die, noch nicht saniert, kreativ und subkulturell genutzt werden. Innerhalb des Ensembles fanden wir uns in einer noch ursprünglich erhaltenen Hofdurchfahrt wieder, für viele das Glanzlicht unserer Tour: gleich vier Wandbereiche voll hundert Jahre alten Inschriften, von kundigen Schildermalern direkt aufs Gemäuer angebracht, Schriftzüge, die mit Dauer der Betrachtung und dank der kundigen Erläuterungen unserer Schriftspaziergangsleitenden immer interessanter wurden. Dies gilt für den gesamten Wedding Walk (Nachbericht und Bilder vom letzten Mal) – wie auch für unsere anderen Spaziergänge durch die Schriftlandschaft Berlins.

Ein Format, das wir mit Sicherheit wiederholen werden!

Auftakt vom Wedding Walk an der ehemaligen Malzbrauerei Groterjan
Wegweisendes Logo für die kostengünstigsten, niedrigschwelligsten aller Kultureinrichtungen
Lettering am Rande, man beachte den schönen Apostroph.
Wir vom Wedding Walk hätten uns hier allemal einen Kaffee gekocht, wäre diese Küche noch öffentlich und geöffnet (und wir nicht auf den Prater Biergarten eingestimmt) gewesen …
Fritz hält die Gruppe zusammen und auf dem laufenden, denn …
… wir nähern uns dem buchstäblichen Höhepunkt der Tour in einer Hofdurchfahrt der durchwanderten Handwerkerhöfe.
Wenn doch heutige Schnellsprayer bitte die Arbeit ihrer Kollegen Schriftmaler von vor 100 Jahren verschonen würden. Wenn doch die Stadt Berlin die Wände z. B. dieser historischen Hofdurchfahrt schützen würde. Vieles geht leider von alleine kaputt, auch ohne Renovierung – solche Schriftzüge fanden sich noch in den 1990er Jahren massenweise in Mitte und Prenzlauer Berg. Verena Gerlach hat sie in ihrem Buch und der gleichnamigen Schrift Karbid konserviert, Fritz Grögel daran mitgearbeitet, er zeigt das Buch herum. Die zwei mitgebrachten Exemplare werden ihm sofort abgekauft.
Dynamische, fast schon exzentrisch anmutende Beschriftung in hundertjährigem Backstein –
… aber bei der postalischen Großannahme in den 1970er Jahren, kurzer Blick zurück genügt, reichte es dann nicht mal mehr für ein Eszett. Berlin halt.

Vielen Dank allen Type Walk Guides und allen, die mitgegangen sind! Das Format werden wir bestimmt mal wiederholen. Im Prater-Biergarten an der Kastanienallee gab es zum Finale ein großes Hallo, angeregten Austausch und einen gemütlichen gemeinsamen Ausklang in großer Runde.

18.09.2025: Triple Type Walk

Jedes Jahr bietet der Berliner Typostammtisch einen Type Walk an. Die schriftkundigen Tourguides, ihr jeweiliger Fokus und das durchstreifte Stadtviertel sind dabei ganz unterschiedlich. Nach dem Schriftspaziergang lassen wir den Abend in einem Biergarten gemeinsam ausklingen. Hier sind alle willkommen, unabhängig von der Spaziergangsteilnahme.

Dieses Jahr wird es am 18. September statt eines Type Walks gleich drei Touren parallel geben! Wählt aus, an welcher ihr teilnehmen wollt und meldet euch schnell dafür an (sofern angegeben), denn die Plätze sind begrenzt:

Type Walk 1: U8 with Jesse Simon (in English)
Discover (typo)graphic highlights of the city, above and below ground. Jesse Simon is dedicated to photographically documenting urban typography and gives us insights into his background knowledge – this time along the U8 line.
• Fee 10 €, Registration required
Start: 3 p.m. Meeting point will be announced a few days before the tour via e-mail.


Type Walk 2: Graffiti mit Corner Girlz
Den Graffiti-Hotspot Mauerpark und seine fußläufige Umgebung könnt ihr bei diesem Type Walk (neu) entdecken. Diesmal zeigen uns Hanna von der Flinta*-Graffiticrew „Corner Girlz“ und Tanja, eine weitere Writerin, ihre Sichtweisen auf die Stadt und geben spannende Einblicke in die Szene.
• freiwillige Spende zwischen 0 und 10€, keine Anmeldung erforderlich
Start: 16 Uhr. Treffpunkt vor dem Mauersegler (Mauerpark), Bernauer Str. 63–64, 13355 Berlin


Type Walk 3: Wedding mit Florian Hardwig und Fritz Grögel
Der Klassiker-Schriftspaziergang mit Fritz und Florian – zum zweiten Mal mit einer Route durch den Wedding. Freut euch auf eine Mischung aus Schildern, Inschriften, Letterings und Urban Art. Fundierte und unterhaltsame Schriftgeschichte(n) to go.
• Preis 20 € / ermäßigt 10€, Anmeldung erforderlich
Start: 15 Uhr. Der Treffpunkt wird wenige Tage vor Tour per Mail bekanntgegeben.

Hinweis: Holy Zugriffsrechte! Falls ihr direkt nach dem Erhalt der Einladung teilnehmen wolltet, aber es nicht ging: Im Formular war eine Einstellung falsch. Jetzt könnt ihr euch anmelden.


After Type Walk: Nach den Touren treffen alle Gruppen im Pratergarten zusammen. Und auch wenn ihr nicht an einem der Spaziergänge teilnehmen könnt, freuen wir uns auf euch zu Limo, Bier und Gesprächen unter Kastanien!

Wann? Am Donnerstag, den 18. September um 19 Uhr. Keine Anmeldung erforderlich.
Wo? Prater Biergarten, Kastanienallee 7–9, 10435 Berlin

Euer Typostammtisch


Die Berlin Art Week findet vom 10. bis 14. September mit vielen Veranstaltungen in verschiedenen Locations statt. Vom 12. bis 14. September steigt das Hypergraphia Festival rund um die Themen Graffiti & Urban Art auf dem Gelände von FreiLAND in Potsdam. Vom 20. bis 21. September hat Sophia Melone von den Corner Girlz eine Soloausstellung im Katzengraben. Sonst nicht ausgestellte mongolische Dokumente könnt ihr bei der Veranstaltung 100 Jahre Textgeschichte der Verfassungen der Mongolei am 1. Oktober in der StaBi bestaunen. Ein allerletzter Besuch: Nur noch bis zum 5. Oktober hat das Buchstabenmuseum geöffnet! Die Arbeiten des Grafikdesign-Studios Cyan sind noch bis zum 17. Oktober im Rahmen einer Ausstellung im CVA Berlin zu besichtigen. Das online stattfindende Inscript Festival zu experimenteller Typografie geht 2025 vom 15. bis 19. Oktober bereits in die vierte Runde. Neu ist die Online-Konferenz zum Thema Fonts & AI, veranstaltet von I Love Typography am 23. und 24. Oktober (bis einschließlich 5. September könnt ihr dort eure Vortragsidee einreichen).


Das obere Bild der Titel-Collage zeigt den FLINTA* GRAFFITI JAM (Bild von tanone1). Mitte: Wedding-Type Walk 2024 mit Fritz und Florian (Bild von Anja Meiners). Das Bild vom U-Bahnhof Pankstraße stammt von Jesse Simon.

Die Titelzeile und der Text des Titelbildes sind gesetzt aus der Tausend, gestaltet von Christoph Koeberlin und Gabriel Richter, erschienen bei Fontwerk.

Nachbericht 117. Typostammtisch: Type Crit IV

Type Crit, die Vierte! Wer es an diesem kalten Februar-Abend trotz des Regens zu LucasFonts geschafft hat – dem Atelier für Schriftentwurf von Luc[as] de Groot und Team, in dem der Typostammtisch öfter zu Gast sein darf – wird in gemütlicher Atmosphäre empfangen. Auffallend viele sind an diesem Abend zum ersten Mal beim Typostammtisch, einige von ihnen „wurden mitgebracht“, wie jemand auf Nachfrage antwortet – wie schön, wir freuen uns über Zuwachs! Große Tische stehen schon bereit, auf denen später über mitgebrachte Schrift- und Codingprojekte diskutiert und aus vielen Perspektiven Feedback gegeben wird.

Konkret bedeuten die erwähnten Perspektiven: Sechs Expert·innen stehen an diesem Abend Rede und Antwort! Amélie Bonet beginnt an diesem Abend mit einer Kurzvorstellung – geboren in Paris ist sie nach acht Jahren in London und Berlin bei Dalton Maag und Monotype mittlerweile selbstständige Type Designerin und Font Engineer und arbeitet mit diversen Skripten, wie etwa Devanagari oder Bengali. Danach lauschen alle gespannt Rosalie Wagner, ebenfalls französische Type Designerin und Font Engineer – auch sie arbeitet nach vier Jahren bei Google Fonts mittlerweile selbständig. Quasi ein Heimspiel ist der Abend für Jens Kutílek, denn er arbeitet bei LucasFonts – er erzählt von seinem speziellen Interesse für Schreibmaschinen und Fonts mit besonderen Spezifikationen, „alles was nicht ganz normal ist“, so sagt Jens. Petra Rüth arbeitet als Font Engineer bei Monotype – mit Petra hat diese Type Crit eine Expertin wenn es um gebrochene Schriften geht! Natürlich nicht nur als Host und Typostammtisch-Kernmitglied sondern ebenfalls als Experte und Kritiker mit viel Erfahrung vertreten ist Type Designer Luc[as] de Groot. Kurz vor Beginn kommt noch unser sechster Experte mit dem Fahrrad durch den Regen und dann zur Tür herein gestürmt, Georg Seifert, das Gesicht von Glyphs und die perfekte Person, wenn es um die Schnittstelle aus Schrift und Code geht. So kann der Abend anfangen!

Einen ganz herzlichen Dank an alle Expert·innen, die konzentriert, ausführlich und bis spät in den Abend Entwürfe besprochen haben – ohne Euch wäre dieser Abend nicht möglich gewesen. Danke an alle, die ihre Entwürfe mitgebracht und die Chance zum Besprechen genutzt haben – teilweise sogar bei ihrem ersten Typostammtisch-Besuch. Auch einen ganz herzlichen Dank an Luc[as] de Groot und Team für die gemütliche Unterbringung im Studio! Und nicht zuletzt ein Dankeschön an alle, die zum Zuhören gekommen sind und den Abend mit interessanten Gesprächen belebt haben. Es war wie immer eine große Freude!

Lukas Horn eröffnet den Abend
Nicht lang und alle Tische sind besetzt
Amélie Bonet (re.) konzentriert beim Feedback Zeichnen
Luc[as] de Groot (re.) im Gespräch
Zwei konzentrierte Expert·innen dicht nebeneinander: Petra Rüth (mi.) und Jens Kutílek (re.)
Georg Seifert (li.) im Gespräch
Gespräche mit Rosalie Wagner (li.) und Amélie Bonet (mi.) spontan auch auf Englisch und Französisch
Private Crit I
Private Crit II
Feedback gab es bis spät in den Abend

Nachbericht 116. Typostammtisch: Typostammquiz 2024 zum Nachraten

Raten in imposanter Umgebung: Erneut darf der Typostammtisch in der Zwingli-Kirche gastieren. Es ist Anfang Dezember, der riesige Weihnachtsbaum steht noch etwas wackelig und ein Mitarbeiter der Kirche fragt schweißgebadet, ob wir Kinder dabei hätten, die eventuell rennend den Baum zu Sturz bringen. Nein nein, es trudeln nur erwachsene Ornitholo- äh Typografiebegeisterte ein, begrüßt von der erwähnten tollen Kulisse und einem geheimnisvollen Vogel, nennen wir ihn den Wartevogel, der mit dem Folgenden absolut nichts zu tun hat:

Nun aber genug der Anekdoten. Klappern wir doch mal die Hardfacts ab.

Die Gewinnergruppe der Quiz-Edition 2023, namentlich Fabian Archner, Jürgen Huber, Petra Jentschke, Savva Terentyev und Thomas Maier, haben sich vorbildlich im virtuellen und realen Raum getroffen und die diesjährigen Fragen ausgetüftelt. Läuft. Ein dickes Dankeschön an dieser Stelle!

Auch einen herzlichen Dank an Wolfgang Friebel vom KulturRaum Zwinglikirche e.V. für die Vorbereitungen in der Kirche und dass wir erneut zu Gast sein durften. Verena Gerlach, danke für den Vorschlag und dein Engagement an der Bar. Einmal Gastro, immer Gastro! Die Getränkeeinnahmen gingen übrigens komplett an den KulturRaum. Danke auch an alle, die Geschenke für den Gabentisch mitgebracht haben. Gleich vorweg: Wir sind dieses Jahr nicht hinterhergekommen, alles zu dokumentieren. Die Liste wird also diesmal wegfallen. Wir hatten dank Lucas de Groot und Thomas Maier viele Bücher aus Jan Middendorps und Eckehard Schumacher-Geblers Nachlass. Mögen sie an leidenschaftliche und interessierte Neubesitzer·innen geraten sein.

Der Gabentisch ist voll, die Gruppen finden sich und nehmen Platz. Knuspern hier, Schlürfen da – Quizbereitschaft ist hergestellt! Thomas Maier gibt den Günter Jauch und sogar die Optik der Folien passt zur Million:

Zweitberuf Moderator

Weil’s letztes Jahr so schön war und in der Vorweihnachtszeit bekanntlich Terminkollisionen und krankheitsbedingte Ausfälle eher die Regel als die Ausnahme sind, gibt’s auch dieses Jahr die Quizfragen zum Nachraten. Kleines nachträgliches Weihnachtsgeschenk. Ein Klick auf die Frage öffnet die Antwort. Dann keinesfalls in der Antwortansicht die Pfeile betätigen, sonst Spoiler! Viel Spaß.

Wer zum fully immersive Experience noch Sound dazubraucht: Here you are.

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10.10.2024: Future Fonts

Schriften werden fertiggestellt sein. Grammatikalisch gesehen steht dieser Satz im Futur II. Gleichzeitig beschreibt er ein einleuchtendes, designer·innenfreundliches und absolut spannendes Geschäftsmodell: Future Fonts. Was es damit genau auf sich hat erklären uns die beiden Köpfe hinter dieser Idee. Herzlich Willkommen, nach weiter Anreise aus Amerika: Lizy Gershenzon und Travis Kochel!

Type, like everything and everybody else, is in progress. This fact provides the basis of an evident, designer friendly and absolutely thrilling concept: Future Fonts. Lizy Gershenzon and Travis Kochel, founders and owners of Future Fonts, will join Typostammtisch to share different perspectives on their business and creative universe (talks in English). A warm welcome to Travis and Lizy, coming all the way from America!

Watch out! After the presentations you’ll have the possibility to show your own typefaces in progress to Future Fonts designers to get feedback. These mini crit sessions will take place in a separate room.

In ihren Vorträgen (auf Englisch!) geben uns Travis und Lizy verschiedene Perspektiven auf Future Fonts und das damit einhergehende Schrift-Universum. Danach habt ihr die Möglichkeit, eure eigenen werdenden Schriften einigen Future Fonts Designer·innen zu zeigen und Feedback zu erhalten. Diese Mini-Crit-Sessions finden in einem separaten Raum statt.

Wir freuen uns auf euch.

Wann? Am Donnerstag, den 10. Oktober um 18:30 Uhr / Thursday, October 10, 6:30 p.m.
Wo? Kiezraum LauseRia, Lausitzer Str. 10, 10999 Berlin (2. Hinterhof Erdgeschoss) / Second backyard, ground floor

Bis dahin,
euer Typostammtisch-Team


Am 6. Oktober steigt online der kostenlose Letterpress Summit der Community Ladies of Letterpress. Der Zusatz „The State of the Art and Craft“ klingt vielversprechend! Am 9. Oktober beschäftigt sich eine weitere Ausgabe der Ignite Future Talks in der p98a mit KI und Design. Online und zu einem sehr fairen Preis findet vom 16.–20. Oktober das Inscript Festival zu experimenteller Schrift statt (Vorträge im Nachgang streambar). Am 24. Oktober startet die Vortragsreihe Schrift.Bilder.Schrift mit Fokus auf Kalligrafie an der StaBi unter den Linden: Den Auftakt macht Sybille Krämer zum Thema Schrift, Schriftbildlichkeit, Digitalität. Am 7. November spricht Christoph Rauch über Osmanische Kalligrafie. Weitere spannende Vorträge u.a. von Petra Rüth und Ulrike Rausch folgen – unbedingt im Auge behalten! In diesem Herbst seien euch auch die Fachvorträge zum Thema Inklusives Kommunikationsdesign und Leichte Sprache der tgm ans Herz gelegt; z.B. am 7. November von Albert-Jan Pool und Antonia M. Cornelius zum Thema Leichte Sprache und Schrift. Noch bis 20. Dezember könnt ihr bei der Ausstellung Droste Digital im StaBi Kulturwerk über die handgeschriebenen Manuskripte von Annette Droste-Hülshoff wandeln. Und nochmal StaBi (aber in einem anderen Haus und noch bis 26. Januar): Bei der Ausstellung Displayed Words geht es um poetische Begegnungen im urbanen Raum.


This month’s header typeface is Kablammo, designed by Travis Kochel and team, published by Vectro Type / Googlefonts. The pictures were provided by Lizy and Travis. Thank you!

Nachbericht 114. Typostammtisch: Typewalk 2024

Fritz Grögel und Florian Hardwig, die Typostammtisch-Experten für erweiterte Zeichenerkennung, teilen ihre Leidenschaft für die gediegene Beschriftung und Stadtgeschichte Berlins mit uns, diesmal und erstmals in den Ortsteilen Gesundbrunnen und Wedding.

Ganz links im Bild Fritz-Prince Boateng 🙂

Los geht’s gegenüber der U-Bahn-Station Pankstrasse mit dem fast schon historischen Graffito „Gewachsen auf Beton“. Dieses bereits leicht ausgeblichene Wandgemälde ist ein Wahrzeichen des Wedding geworden. Entstanden ist es ursprünglich 2013 als Ambient-Marketing im Auftrag eines amerikanischen Sportartikelherstellers und zeigt die 3B-Halbbrüder Jérôme (der Fußball-Profi), George (der Rapper BTNG) und Kevin-Prince (ebenfalls Fußball-Profi). Der Schwellstrich des Sportartikelherstellers ist bereits verschwunden, und Jérôme hat durch eine Farbbombe mittlerweile eine rote Backe bekommen. Von George BTNG erschien 2015 in Anlehnung an das Kunstwerk das Album „Gewachsen auf Beton“.

(Foto Originalzustand: Wikipedia 2013 von OTFW, Berlin)
Firmenschild Groterjan

Ein echter Hingucker ist das Firmenschild der Malzbier-Brauerei Groterjan (Großer Jan) in der Prinzenallee von 1929. Das Markenzeichen wurde von Louis Oppenheim entworfen. Die Schriftttype erinnert an die Neuland von Rudolf Koch als eine zeittypische Schrift des Expressionismus, und auch die Druckschrift Fanfare von Oppenheim selbst ist stilistisch nicht weit davon entfernt. Das Gebäude der Brauerei wurde vom Architekten Carl-Emil Bruno Buch 1927–1929 erbaut.

Vorbei an der Tresorfabrik Arnheim, heute Bildhauerwerkstatt, ging es zum Luisenhaus des Zimmermanns und Unternehmers Carl Galuschki mit seiner prachtvollen ornamentalen Klinkerfassade.

Unter den Grundmauern befindet sich hier die bereits versiegte Luisenquelle, der ursprüngliche Gesundbrunnen, der namensgebend für den Ortsteil Gesundbrunnen wurde.
Viele interessante historische Details und schöne Bilder über die wechselvolle Geschichte sowohl der Quelle des Friedrichs-Gesundbrunnens (heute Luisenbad, dazwischen Marienbad) bis zur Mineralwasserabfüllung als auch die wechselvolle Nutzung des Gebäudes, vom Gasthaus über ein Theater und Kino bis hin zur heutigen Nutzung als Bibliothek, werden von Fritz Grögel mit Folienunterstützung kundig und versiert dargebracht. Bier gebraut aus Heilwasser ist eine der Anekdoten, die auf dem Gaumen zergehen.

»Hier können Familien Kaffee kochen«

Die Kaffee-Küche war ein Anbau an das Vestibül von 1905, verkleidet mit den für den Bauherrn Galuschki typischen bunten Klinkern.
Die Gäste konnten bei den Altberliner Ausflugslokalen selbst Kaffeepulver und Speisen mitbringen, der Betreiber stellte gegen Entgelt nur das heiße Wasser und das Geschirr zur Verfügung. Dieser Brauch hat seinen Ursprung um 1800 in Treptow, weil die Gastwirte keine Getränkekonzession bezahlen wollten.

Das Amtsgericht Wedding von 1901 mit seiner neugotischen Fassade zeigt die in Stein gemeisselten Namen der Gesetzbücher, vom Corpus Juris Civilis bis zum Sachsenspiegel in einer Textura, aber ohne die korrekte Verwendung des langen s.

Amtsgericht Wedding
Der Schattenwurf der Bäume fügt eine Ebene mehr hinzu

Das Mural „absent“ des Künsterkollektivs Innerfields auf der Feuermauer an der Walter-Röber-Brücke (Wiesenstraße 44) zeigt ein Paar in inniger Umarmung, als Gegenstück des Kunstwerks „present“ in Kiew.

Vorbei am Obdachlosenasyl Wiesenburg ging es durch die Werkstätten des Nordens (die Höfe in der Gerichtsstraße 23), mit einer Beschriftung in dem Font „Metropolis 1920“ von 2012. Wie Florian Hardwig erläutert, während die Beschriftung oben am Gebäude zwar alt aussieht, aber neu ist, erscheinen die Beschriftungen in der Einfahrt zwar modern, sind aber alt.

Im Eingangsbereich der Werkstätten sind mehrere historische Schildermalerei-Beschriftungen aus der Zeit der 20er und 30er Jahre erhalten, die auch einen zweiten und dritten Blick in die Details der Schriftgestaltung mehr als wert sind.

Über den Nettelbeck-Platz, der bald einen neuen Namen tragen wird, ging es weiter in die Gerichtsstraße zum Eingang des Krematoriums Wedding von 1937 (heute Kulturquartier Silent Green, dort fand beispielsweise Berlin Letters statt). Die Beschriftung über dem Torbogen, halb versteckt unter Efeu, zeigt eine strenge, geometrisierte und vereinfachte Textura der Zeit.

Den Abschluss des Rundgangs bildete direkt gegenüber ein Backstein-Glanzstück in Klinkerziegeln. Das Postamt N 65 wurde 1926–1928 nach einem Entwurf des Architekten Wilhelm Tietze errichtet. Die Beschriftung „Postamt“ stammt von Walter Reger, Professor für Bauskulptur, der auch den darüber befindlichen Reichsadler aus Backstein-Pixeln kreierte. Reger schuf nicht nur die labyrinthische Beschriftung und den Postadler, sondern auch die ausdrucksstarke expressionistische Relieffassade aus Terrakotta und Backstein.

Das Abschlußfoto der Teilnehmenden, die trotz der Hitze bis zum Schluß durchgehalten hatten. Am Anfang waren es noch mehr. Danke Fritz und Flo, hat viel Spaß gemacht!

Der abendliche Ausklang des Typewalks (Buchstabenspaziergangs) als echter Typostammtisch war ein gemütliches Zusammensein im Eschenbräu bei vor Ort gebrautem Bier.

Wer weiß welche Schriften das sind?

05.09.2024: Biergarten & Schriftspaziergang Wedding Edition

Der Sommer klingt aus und ein neuer Schriftspaziergang steht an. Flo und Fritz zeigen uns dieses Jahr die interessantesten Schriftfundstücke im Wedding. Anschließend treffen wir uns im Biergarten „Eschenbräu“ und freuen uns, wenn ihr zahlreich dazustoßt.

Typewalk 15:00 Uhr | Registration mandatory
Information given during the type walk will be mainly in German. Questions can be answered in English, French, and Portuguese as well. Please read below for more information.

Fritz Grögel und Florian Hardwig informieren uns seit vielen Jahren über typografische Details in der Stadt. Nun haben sie sogar eine neue Route im Gepäck: Wir wandern im Wedding und schauen uns dort gemeinsam bemerkenswerte Buchstabenformen, Beschriftungen, Schilder, Inschriften und vieles mehr an.

NEUE ROUTE! Begrenzte Teilnehmer·innenzahl, Teilnahmebeitrag 20€ (ermäßigt 15€), Anmeldung erforderlich. Den Treffpunkt für den Schriftspaziergang geben wir den Teilnehmenden kurz vorher per Mail bekannt.

NEW ROUTE! First come first serve, costs 20€ (15€ reduced). The meeting point will be announced to participants a few days before the walk via e-mail.

Typostammtisch ab 18:30 Uhr | Just come over as usual
Der sommerliche Typostammtisch findet im Eschenbräu Biergarten statt. Kommt vorbei, um zu quatschen, Entwürfe und Fundstücke zu zeigen und euch mit anderen Schriftbegeisterten auszutauschen. Im Biergarten gibt es allerlei lokales Craft Beer und Kleinigkeiten zu essen. Man darf übrigens auch Picknickkörbe mitbringen – also tut euch keinen Zwang an. Bei schlechtem Wetter können wir drinnen sitzen.

Wir freuen uns auf euch.

Wann? Am Donnerstag, den 05. September um 18:30 Uhr.
Wo? Eschenbräu Biergarten, Triftstraße 67, 13353 Berlin

Bis dahin,
euer Typostammtisch-Team


Vom 29.–30. August steigt das Forward Festival im HKW mit bunt gemischtem Programm. Kurzentschlossene können bei den Tickets 20% sparen mit dem Code: XFORWARD24X. Am 18. September gibt es eine weitere Ausgabe der Ignite Future Talks, diesmal mit Janine Katzberg und Christoph Rauscher. Für den Herbst vormerken könnt ihr schon einmal die Büchermesse Miss Read vom 11. bis 13. Oktober im HKW und die Beyond Tellerrand Konferenz vom 7. bis 8. November im Festsaal Kreuzberg.


Die Titelzeile ist in der BiBuBator von Zhenya Spizhovy gesetzt, seinem Abschlussprojekt an der KABK 2024. Das Titelbild stammt von Thomas Maier und zeigt Fritz & Flo beim Schriftspaziergang 2023.

Nachbericht 111. Typostammtisch: A Tribute to FontShop

Alle Schwarz-Weiß Fotos: Norman Posselt

Der Typostammtisch lädt zur FontShop-Retrospektive. In der vollbesetzten Udk-Aula breitet der heutige Talkmaster Jürgen Siebert die Geschichte des FontShops vor dem aufmerksam lauschenden Publikum aus – in a Nutshell sozusagen. Mit auf dem Podium: Ivo Gabrowitsch, Erik Spiekermann und Petra Weitz, die vom Talkmaster mit Stichworten versorgt werden und viele interessante, nachdenkliche und vergnügliche Anekdoten beizutragen wissen.

FontShop wurde 1989 in bewegten Zeiten gegründet. Und wer reißt da die Mauer ein?
Foto: Norman Posselt
Zunächst war FontShop ein einzelner Schreibtisch neben dem MetaDesign-Büro in der Motzstraße. Ende 1989 bezog das das Team dann ein Büro im einzigen Haus auf weiter Flur: Hier im Bild der erste Firmensitz auf dem damals beinahe unbebauten Potsdamer Platz. An die Zeit in der Motzstraße erinnert sich Petra:


„Da saßen wir nun in diesem kleinen Kabuff und haben darauf gewartet, dass jemand anruft und eine Schrift bestellt.“ 

Petra Weitz
Vom Mailorderversand mit Fonts auf Disketten zu einem der ersten Anbieter für Webfonts.


„Eigentlich haben alle im Versand angefangen.“ 

Petra Weitz

FontShop war der erste maßgeblich von den Designern geführte und gelenkte Schriftenvertrieb. Das Geschäftsgeheimnis? Laut Jürgen Siebert die Anpassung der jeweils neuen Technologien, immer in enger Zusammenarbeit mit den Schriftgestalterinnen und Schriftgestaltern.

Experimente, wie z.B. die Random-Fonts Beowolf (von Erik van Blockland und Just van Rossum, 1990) gehörten dabei genauso zum Leistungsspektrum …
… wie die exzessive Zweckentfremdung von OpenType-Features in der Diagrammschrift Chartwell (von Travis Kochel, 2012), um nur zwei innovative Beispiele aufzuzeigen.
Faxkommunikation zwischen Just van Rossum und Erik Spiekerchef. War damals so, das mit den Faxen.
Das Fontshop-Logo konnte aus verschiedenen Schriften bestehen und basierte auf aneinandergereihten Quadraten.


„Heute würde man dafür Design Thinking machen und zwei Tage aufs Land fahren.“ 

Erik Spiekermann
Das originale FontShop-Logo von Neville Brody (schwarz/rot) entwickelte sich zur allseits bekannten Farbkombination schwarz/gelb.
Doch, ein Chart weiter: Zwei F ineinander zu verschachteln, auf diese Logoidee kamen offenbar auch andere Unternehmen …
Welche Entwürfe wurden zu FontShop-Schriften? Darüber zu entscheiden, war Aufgabe des Type Boards. In wechselnder Besetzung wurden in dieser Runde regelmäßig Einreichungen begutachtet und das Programm kuratiert.

Zum Schriftenrepertoire haben die Podiumsgäste dabei durchaus unterschiedliche Erinnerungen:

Jürgen: „Das war minutiös geplant durch das TypeBoard.“
Darauf Erik: „Ich habe in meinem Leben noch nichts minutiös geplant.“

Auch Ivo plaudert aus dem Nähkästchen, zum Beispiel über Naming-Prozesse:


„Ich war kein großer Fan des Namens ‚FF Mark‘. Im Nachhinein ist es gut, dass die Schrift so heißt. Die Bedeutung ‚Trademark‘ bzw. ‚Marke‘ hatten wir nur beiläufig mitgedacht.“ 

Ivo Gabrowitsch
Der bereits erwähnte Neville Brody war Initiator des Magazins Fuse. Daraus entwickelte sich …
… die Fuse-Konferenz, ein internationales Zusammentreffen zur Typographie. Aus der Fuse wurde schließlich die Typo Berlin, zeitweise die größte Designkonferenz Europas.

Beim Q&A gibt es Aufklärung zu den verschachtelten und dramatischen Geschehnissen rund um den Verkauf. Ein Hauch von Kollektivaufarbeitung, 10 Jahre danach, mit durchaus emotionalen aber auch gereift-grasüberwachsen-milden Aussagen von Publikum und Podium. Oder wie Petra es formuliert:


„Entweder ihr glaubt es jetzt – oder nicht!“ 

Petra Weitz

Schwenk aufs Publikum mit einigen Diskussionsstreiflichtern: Die FontShop-DNA lebt in den vielen kleinen und größeren Vertriebsmodellen weiter. Das Verblassen von etwas Großem schafft Raum für viele Kleine, die ihrerseits wachsen können – und Fehler machen. Um Transparenz geht es auch: Die FontShop-Zeit (aber auch das letztliche Ende) als Beispiel für Unternehmertum, das nie welches sein wollte – aber die Rolle lernen musste. Zur Sprache kommen Naivität und Realität, geerntete Früchte und gekaufte Juwelen.

Deutlich wird an diesem Abend: FontShop war nicht nur durch die Schriften prägend für die Zeit. Es waren auch (und vor allem) die beteiligten Menschen, die im FontShop selbst oder in dessen Umfeld tätig waren, die das Unternehmen zu einem besonderen gemacht haben. Viele von ihnen sind an diesem Abend anwesend.

Einen ganz herzlichen Dank an:

unsere Podiumsrunde, namentlich Petra Weitz, Jürgen Siebert, Erik Spiekermann und Ivo Gabrowitsch, für eine toll vorbereitete Zeitreise und eure Offenheit. Danke an die Udk, dass wir die Aula nutzen durften und an Lucas de Groot, der seine bestens archivierte FontShop-Drucksachen-Sammlung zur Ansicht mitgebracht hat. Außerdem ein großes Dankeschön an Norman Posselt, der viele bekannte Gesichter und die Stimmung an diesem Abend so wunderbar eingefangen hat. Seine Bilder möchten wir euch nicht vorenthalten (und ihr könnt alle bei Flickr anschauen):

Nachbericht 109. Typostammtisch: Typostammquiz 2023 zum Nachraten

Wenn ihr nicht dabei sein konntet, weil ihr

a) die Büroweihnachtsfeier nicht schwänzen konntet (oder wolltet),
b) eure fiese Erkältung im Bett auskurieren musstet,
c) euch bei angekündigtem S-Bahnstreik den nächtlichen Rückweg nicht antun wolltet,
d) einen anderen Grund hattet,

… haben wir einen besonderen Service für euch: Das Quiz erstmals zum Nachraten! Schließlich ist Weihnachten das Fest der Nächstenliebe – und des typografischen Erkenntnisgewinns.

Um euch in die richtige Ratestimmung zu versetzen, geben wir euch vorab noch etwas visuellen Kontext. Gemütlich war’s bei LucasFonts; mit Knabbereien auf den Tischen, dampfendem Glühweintopf an der Bar und flauschigem Schummerlicht.

6 Teams finden sich nach dem Losprinzip zusammen und nehmen Platz. Aus dem allgemeinen Gemurmel tönt es: „Gruppe f zum Dopingtest!“

Die Fragen haben Andreas Frohloff als Vertreter der letztjährigen Gewinnergruppe, sowie ergänzend Anja Meiners und Stefan Pabst vom Typostammtisch-Team vorbereitet – last minute sozusagen, denn die Krankheitswelle machte weder vor Team Fragen noch vor Team Typostammtisch halt. Einen Quizausfall allerdings wollten alle Beteiligten vermeiden.

Und hier kommen sie nun, 25 Vorrunden- und 6 1/2 Finalfragen, für euch interaktiv aufbereitet. Nur Punkte zählen müsst ihr selbst. Also schnappt euch eure liebsten Kolleginnen und Kollegen oder klickt euch alleine durch (Klick auf die gelbe Frage öffnet die grüne Antwort, dann keinesfalls auf den Pfeil nach rechts klicken, sondern Pop-Up wieder schließen – sonst Spoiler). Viel Spaß!

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07.12.2023: Typostammquiz

Die Tage werden kürzer, die Temperaturen sinken stetig und bei Lidl gibt’s schon mit Marmelade gefüllte Lebkuchenherzen und Glühwein im Tetrapack. Was das bedeutet? Ihr wisst es genau!

Das alljährliche Typostammquiz steht vor der Tür. Ein Format, wie es traditionsreicher und beliebter nicht sein könnte. Wir laden euch ein, wieder zahlreich zu erscheinen und eifrig mitzuraten und -zuwissen!

Die letzte Quiz-Ausgabe war zugleich der 100. Typostammtisch und obendrein der Stammtisch mit der tiefsten jemals gemessenen Rauminnentemperatur. Wir lehnen uns nicht zu weit aus dem Fenster, wenn wir für dieses Mal einige Grad mehr versprechen. Aber nicht nur das werden wir zu bieten haben. Es gibt – neben obligatorischem Spaß und knisternder Spannung – auch wieder tolle Sachpreise abzustauben*. Und zwar für alle, egal ob Schriftneuling oder Stammgast. Alle haben eine Chance auf unseren Quiz-Wanderpokal. Da ihr in ausgelosten Quiz-Grüppchen antretet, muss niemand alleine raten oder alles wissen. Um die Gemütlichkeit komplett zu machen, wird es einige Leckereien geben – also nicht tagsüber im Büro schon alle Lebkuchenherzen aufessen!

Falls ihr Preise beisteuern möchtet, sei es ein Typo-Buch, Plakat, eine Schriftlizenz oder ähnliches, meldet euch bei der Sammelstelle* oder bringt die Sachen (rechtzeitig) direkt zum Quiz mit. Vielen Dank!

Wir freuen uns auf euch!
Euer Typostammtisch-Team

Wann? Donnerstag, 7. Dezember 2023**, Beginn 19:00 Uhr, Einlass 18:30; Eintritt frei
Wo? Eisenacher Straße 56, im Studio von LucasFonts, 2. Hinterhof, 10823 Berlin-Schöneberg

* Gabentischsammelstelle ist bei LucasFonts, zu den üblichen Bürozeiten.
** Achtung! Das beim letzten Stammtisch angekündigte Datum haben wir verschoben.


Seit Anfang des Monats läuft im Kulturforum die Ausstellung Filmplakate aller Zeiten. Der Name ist Programm. Heute, am 16. November zeigt der Filmemacher Kerem Saltuk seinen Dokumentarfilm über den Weißenseer Buchkünstler Werner Klemke im Babylon Mitte. Am selben Abend geht die zweite Ausgabe der Veranstaltungsreihe Ignite Future Talks über die Bühne: Jasmin Scharrer spricht über Klimakommunikation sowie Möglichkeiten, diese als Werber·in, Designer·in oder Creator·in zu verbessern. Der Dynamic Font Day am 18. November in München kann auch per Livestream verfolgt werden. Am 23. November finden gleich zwei Veranstaltungen statt: Der Type Thursday mit Sarah Mahmoud und Gergő Kókai sowie das Opening von Recipes for Connecting im A—Z.


Die Titelzeile ist zugleich Aufwärmfrage fürs Quiz: Die Wiederentdeckung welches Schriftklassikers wird hier erstmals digital umgesetzt, und von wem? Die Auflösung gibt’s hier! Das Titelbild hat Sol Matas bei unserem letzten Quiz aufgenommen. Es zeigt die Finalistengruppenabgesandten Roman Wilhelm und Benedikt Bramböck.