Fritz Grögel und Florian Hardwig, die Typostammtisch-Experten für erweiterte Zeichenerkennung, teilen ihre Leidenschaft für die gediegene Beschriftung und Stadtgeschichte Berlins mit uns, diesmal und erstmals in den Ortsteilen Gesundbrunnen und Wedding.
Los geht’s gegenüber der U-Bahn-Station Pankstrasse mit dem fast schon historischen Graffito „Gewachsen auf Beton“. Dieses bereits leicht ausgeblichene Wandgemälde ist ein Wahrzeichen des Wedding geworden. Entstanden ist es ursprünglich 2013 als Ambient-Marketing im Auftrag eines amerikanischen Sportartikelherstellers und zeigt die 3B-Halbbrüder Jérôme (der Fußball-Profi), George (der Rapper BTNG) und Kevin-Prince (ebenfalls Fußball-Profi). Der Schwellstrich des Sportartikelherstellers ist bereits verschwunden, und Jérôme hat durch eine Farbbombe mittlerweile eine rote Backe bekommen. Von George BTNG erschien 2015 in Anlehnung an das Kunstwerk das Album „Gewachsen auf Beton“.
Ein echter Hingucker ist das Firmenschild der Malzbier-Brauerei Groterjan (Großer Jan) in der Prinzenallee von 1929. Das Markenzeichen wurde von Louis Oppenheim entworfen. Die Schriftttype erinnert an die Neuland von Rudolf Koch als eine zeittypische Schrift des Expressionismus, und auch die Druckschrift Fanfare von Oppenheim selbst ist stilistisch nicht weit davon entfernt. Das Gebäude der Brauerei wurde vom Architekten Carl-Emil Bruno Buch 1927–1929 erbaut.
Vorbei an der Tresorfabrik Arnheim, heute Bildhauerwerkstatt, ging es zum Luisenhaus des Zimmermanns und Unternehmers Carl Galuschki mit seiner prachtvollen ornamentalen Klinkerfassade.
Unter den Grundmauern befindet sich hier die bereits versiegte Luisenquelle, der ursprüngliche Gesundbrunnen, der namensgebend für den Ortsteil Gesundbrunnen wurde. Viele interessante historische Details und schöne Bilder über die wechselvolle Geschichte sowohl der Quelle des Friedrichs-Gesundbrunnens (heute Luisenbad, dazwischen Marienbad) bis zur Mineralwasserabfüllung als auch die wechselvolle Nutzung des Gebäudes, vom Gasthaus über ein Theater und Kino bis hin zur heutigen Nutzung als Bibliothek, werden von Fritz Grögel mit Folienunterstützung kundig und versiert dargebracht. Bier gebraut aus Heilwasser ist eine der Anekdoten, die auf dem Gaumen zergehen.
Die Kaffee-Küche war ein Anbau an das Vestibül von 1905, verkleidet mit den für den Bauherrn Galuschki typischen bunten Klinkern. Die Gäste konnten bei den Altberliner Ausflugslokalen selbst Kaffeepulver und Speisen mitbringen, der Betreiber stellte gegen Entgelt nur das heiße Wasser und das Geschirr zur Verfügung. Dieser Brauch hat seinen Ursprung um 1800 in Treptow, weil die Gastwirte keine Getränkekonzession bezahlen wollten.
Das Amtsgericht Wedding von 1901 mit seiner neugotischen Fassade zeigt die in Stein gemeisselten Namen der Gesetzbücher, vom Corpus Juris Civilis bis zum Sachsenspiegel in einer Textura, aber ohne die korrekte Verwendung des langen s.
Das Mural „absent“ des Künsterkollektivs Innerfields auf der Feuermauer an der Walter-Röber-Brücke (Wiesenstraße 44) zeigt ein Paar in inniger Umarmung, als Gegenstück des Kunstwerks „present“ in Kiew.
Vorbei am Obdachlosenasyl Wiesenburg ging es durch die Werkstätten des Nordens (die Höfe in der Gerichtsstraße 23), mit einer Beschriftung in dem Font „Metropolis 1920“ von 2012. Wie Florian Hardwig erläutert, während die Beschriftung oben am Gebäude zwar alt aussieht, aber neu ist, erscheinen die Beschriftungen in der Einfahrt zwar modern, sind aber alt.
Im Eingangsbereich der Werkstätten sind mehrere historische Schildermalerei-Beschriftungen aus der Zeit der 20er und 30er Jahre erhalten, die auch einen zweiten und dritten Blick in die Details der Schriftgestaltung mehr als wert sind.
Über den Nettelbeck-Platz, der bald einen neuen Namen tragen wird, ging es weiter in die Gerichtsstraße zum Eingang des Krematoriums Wedding von 1937 (heute Kulturquartier Silent Green, dort fand beispielsweise Berlin Letters statt). Die Beschriftung über dem Torbogen, halb versteckt unter Efeu, zeigt eine strenge, geometrisierte und vereinfachte Textura der Zeit.
Den Abschluss des Rundgangs bildete direkt gegenüber ein Backstein-Glanzstück in Klinkerziegeln. Das Postamt N 65 wurde 1926–1928 nach einem Entwurf des Architekten Wilhelm Tietze errichtet. Die Beschriftung „Postamt“ stammt von Walter Reger, Professor für Bauskulptur, der auch den darüber befindlichen Reichsadler aus Backstein-Pixeln kreierte. Reger schuf nicht nur die labyrinthische Beschriftung und den Postadler, sondern auch die ausdrucksstarke expressionistische Relieffassade aus Terrakotta und Backstein.
Der abendliche Ausklang des Typewalks (Buchstabenspaziergangs) als echter Typostammtisch war ein gemütliches Zusammensein im Eschenbräu bei vor Ort gebrautem Bier.
Der Sommer klingt aus und ein neuer Schriftspaziergang steht an. Flo und Fritz zeigen uns dieses Jahr die interessantesten Schriftfundstücke im Wedding. Anschließend treffen wir uns im Biergarten „Eschenbräu“ und freuen uns, wenn ihr zahlreich dazustoßt.
Typewalk 15:00 Uhr | Registration mandatory Information given during the type walk will be mainly in German. Questions can be answered in English, French, and Portuguese as well. Please read below for more information.
Fritz Grögel und Florian Hardwig informieren uns seit vielen Jahren über typografische Details in der Stadt. Nun haben sie sogar eine neue Route im Gepäck: Wir wandern im Wedding und schauen uns dort gemeinsam bemerkenswerte Buchstabenformen, Beschriftungen, Schilder, Inschriften und vieles mehr an.
NEUE ROUTE! Begrenzte Teilnehmer·innenzahl, Teilnahmebeitrag 20€ (ermäßigt 15€), Anmeldung erforderlich. Den Treffpunkt für den Schriftspaziergang geben wir den Teilnehmenden kurz vorher per Mail bekannt.
NEW ROUTE! First come first serve, costs 20€ (15€ reduced). The meeting point will be announced to participants a few days before the walk via e-mail.
Typostammtisch ab 18:30 Uhr | Just come over as usual Der sommerliche Typostammtisch findet im Eschenbräu Biergarten statt. Kommt vorbei, um zu quatschen, Entwürfe und Fundstücke zu zeigen und euch mit anderen Schriftbegeisterten auszutauschen. Im Biergarten gibt es allerlei lokales Craft Beer und Kleinigkeiten zu essen. Man darf übrigens auch Picknickkörbe mitbringen – also tut euch keinen Zwang an. Bei schlechtem Wetter können wir drinnen sitzen.
Wir freuen uns auf euch.
Wann? Am Donnerstag, den 05. September um 18:30 Uhr. Wo?Eschenbräu Biergarten, Triftstraße 67, 13353 Berlin
Bis dahin, euer Typostammtisch-Team
Vom 29.–30. August steigt das Forward Festival im HKW mit bunt gemischtem Programm. Kurzentschlossene können bei den Tickets 20% sparen mit dem Code: XFORWARD24X. Am 18. September gibt es eine weitere Ausgabe der Ignite Future Talks, diesmal mit Janine Katzberg und Christoph Rauscher. Für den Herbst vormerken könnt ihr schon einmal die Büchermesse Miss Read vom 11. bis 13. Oktober im HKW und die Beyond Tellerrand Konferenz vom 7. bis 8. November im Festsaal Kreuzberg.
Die Titelzeile ist in der BiBuBator von Zhenya Spizhovy gesetzt, seinem Abschlussprojekt an der KABK 2024.Das Titelbild stammt von Thomas Maier und zeigt Fritz & Flo beim Schriftspaziergang 2023.
Die Vorhersagen waren sehr durchwachsen, doch pünktlich zum Start der Tour mit Fritz Grögel und Florian Hardwig kam die Sonne heraus. Bereits im U-Bahnhof gab es Informationen über die Entwicklung der Berliner U-Bahn, über die Teilung der Stadt und über den Unterschied von Typografie und Lettering.
Wieder an der Oberfläche, bestaunten wir die fabelhafte Inschrift auf einer verspielten Jugendstil-Fassade. Sie gehört zum Geschäftshaus der Textilfabrikanten Berthold und Georg Tietz (entfernte Verwandte des Warenhausmagnaten Hermann Tietz) und bot Anlass, an ein dunkles Kapitel der Berliner Stadtgeschichte zu erinnern, als zur Zeit der NS-Diktatur jüdische Mitbürger·innen enteignet, verfolgt und ermordet wurden.
Es ist wieder so weit (endlich)! Es ist Sommer (wenn der nicht schon vorbei ist) und es gibt einen Typostammtisch im Prater Biergarten (falls es nicht dauerregnet). Vorab: Der fast schon traditionelle Typewalk durch Berlin-Mitte (featuring Flo & Fritz).
Typewalk 15:00 Uhr | Registration mandatory Information given during the type walk will be mainly in German. Questions can be answered in English, French, and Portuguese as well. Please read below for more information.
Fritz Grögel und Florian Hardwig, Masters of Zeichenerkennung, lenken unsere Aufmerksamkeit im Stadtgeschehen auf die kleinen, ruhigen Details. Gemeinsam schauen wir uns bemerkenswerte Buchstabenformen, Beschriftungen, Schilder, Inschriften und vieles mehr an. Unter anderem machen wir in der St.-Marien-Kirche Halt. Dort kann im jüngst renovierten Eingangsbereich das Totentanzfresko bewundert werden, bei dem es sich um eines der bedeutendsten erhaltenen mittelalterlichen Kunstwerke Berlins handelt – inklusive sachkundigem Kommentar unserer Experten.
Selbe Route wie in den letzten Jahren, begrenzte Teilnehmer·innenzahl, Teilnahmebeitrag 15€ (ermäßigt 10€), Anmeldung erforderlich. Den Treffpunkt für den Schriftspaziergang geben wir den Teilnehmenden kurz vorher per Mail bekannt.
Same route as in the last years, first come first serve, costs 15€ (10€ reduced). The meeting point will be announced to participants a few days before the walk via e-mail.
Typostammtisch ab 19:00 Uhr | Just come over as usual Der sommerliche Typostammtisch findet im Berliner Prater statt, der kleinen Schwester des Wiener Praters – mit der deutlich schöneren Beschriftung (FF Prater von Steffen Sauerteig und Henning Wagenbreth). Die Speisekarte ist für sich bereits ein Lettering-Augenschmaus. Getränke gibt es auch, und es darf geredet werden! Treffpunkt für Typenerds aller Colörs, zum Quatschen, zum Soschalaisen oder auch um was herzuzeigen und Input zu erhalten. Und falls es ein bisschen regnet, klappen wir die Schirme auf – wär’ ja nicht das erste Mal.
Heissa, wir freuen uns auf Euch!
Wann? Am Donnerstag, den 31. August um 19 Uhr. Wo? Prater Biergarten, Kastanienallee 7–9, 10435 Berlin
Bis dahin, euer Typostammtisch-Team
Vom 18.–20. August (dieses Wochenende!) steigt das Graffiti- und Streetart-Festival Hypergraphia in Potsdam. Farbig geht’s zu im A–Z presents: Dort kann man am 26. August gelbe Sachen zum Super Collective Market No.1 mitbringen. Ebenfalls am 26. August findet die Lange Nacht der Museen mit vielen Angeboten statt. Unter anderem lässt sich im Kupferstichkabinett die Ausstellung World Framed bewundern: abstrakte Zeichenkunst mit der Linie als Ausgangspunkt für alles mögliche (noch bis zum 08. Oktober). Außerdem bietet sich die Ausstellung Mit Pinsel und Qualam zu chinesisch-arabischen Kalligrafien an (noch bis zum 22. Oktober im Pergamonmuseum). Zum Auftakt der Reihe Polish Affairs — Polnische Kultur zu Gast in der Stabi wird am 22. August ein deutsch-polnisches Schulbuchprojekt in der Staatsbibliothek vorgestellt. Stabi II: Am 05. September trifft im Rahmen der IndieStabi der Kanon Verlag auf den Leykam Buchverlag. Stabi III: Die Ausstellung Die Chronologiemaschine zeigt den Aufschwung der Infografiken im 18. Jahrhundert. Eröffnung mit Kuratorinnenführung am 07. September, Ausstellung ab 08. September. Über den typografischen Tellerrand schauen kann man bei der sehr persönlichen Konferenz Beyond Tellerrand am 11. und 12. September im Festsaal Kreuzberg. Gibt noch Tickets! Noch bis zum 17. September ist die Ausstellung Final Salezu Kaufhausschildern im Buchstabenmuseum zu sehen. Unbedingt ebenfalls vormerken: Die Kunstbuchmesse Miss Read am 22.–24. September im HKW.
Die Titelzeile ist in der Jobim von Flavia Zimbardi und Inga Plönnigs gesetzt. Das Titelbild stammt aus Florian Hardwigs umfangreicher Sammlung typografischen Stadtgeschehens.
Nur so viel auf Deutsch: Das war ein Hammer. Auf dem Type Walk mit Jesse Simon – es wird nicht der letzte sein! – haben wir so viel über unsere Stadt gelernt wie selten. Und das kondensiert auf einen kurzen Abschnitt der U-Bahnstrecke U7. // The rest of our Nachbericht will be in English so that we can quote easier from what we learned with Jesse Simon at his first Schriftspaziergang with us. Disclaimer: it will not be the last, he promised.
We started our tour underground at Fehrbelliner Platz. With public transport in Berlin, like elsewhere, “it is all about standardisation versus random organic growth” and these two concepts surpass each other again and again. This is how Jesse introduced us to the topic, and into that glorious period in the Sixties and Seventies, when 60 (!!!) new U-Bahn stations were built in Berlin. Almost all of U7 was constructed then, Fehrbelliner Platz in the year 1971. In comparison: only 11 new stations have been built from 1989 until now, in 28 years. “Berlin’s U-Bahn was formed by the forces of history more than a grand plan“. So one specific thing about the Berlin U-Bahn is, that “it is full of gaps, it’s incomplete” — even districts have been built with U-Bahn stations being promised which were never built (referring to Märkisches Viertel and large sections of Spandau).
The U7 stations we know and those we visit today were designed by Rainer Gerhard Rümmler (Wiki article with all his stations listed). Rümmler was the Oberbaurat (Chief City Planer) of Berlin, working for the senate’s building and housing department. Another important name here is Werner Düttmann who constructed the Hansa-U-Bahn station, but mostly other buildings (not stations) in the post-war era.
What we see today, is that each station we encounter at the U7 was designed with concern and a concept of having them integrated into their surroundings — still standing out in function and aesthetics. And the aesthetics of those days was astounding. It was functional and practical and deeply humanistic at the same time.
The times demanded to develop truly unique stations after those from earlier days had been criticised as “too samey”. So, from that on, “Rümmler started to develop his Berlin vernacular style where everything was about difference”, Jesse summarises. “The pop architecture of the late Sixties was about breaking away from the rigid forms of pose-war modernism and moving into a brighter future where everything is curved, soft and gentle”.
Curved, soft and gentle indeed: outdoors at Fehrbelliner Platz, we find ourselves standing at a red organic-shaped happiness of a building from the Seventies like on a sunny island — even more so because we are surrounded by, frankly speaking, fascist architecture. Buildings from the early Thirties which yes, “spread some elegance”, but most of all an air of correctness, control and overwhelming dominance.
For those who know or who travelled through: the Bierpinsel in Steglitz at the U9 extension would be another great example of those days, almost like a monument; and also Dreilinden is part of Rümmler’s famous legacy. Like Tegel airport and all the stations on the way to Tegel, those buildings were designed in the times when the city was divided. Which also were the times when architects used Letraset. Letra-, wait, what?
At some point during our tour, Jesse leaves “the path of non-commentary objectivity”, as he warns us. The Sixties and Seventies are “the most endangered era of architecture being destroyed. It seems to be a problem to still accept that Berlin was being capable of taking care of itself”. To him (not only to him), this is “really problematic”. Because what makes Berlin so great is that you can (still) see all the layers formed by history – buildings as the truest proof, like eyewitnesses of the times the city has gone through.
The most shocking example of historical misrepresentation, not to speak about falsification — in German we have the beautiful word Geschichtsklitterung — awaits us at Bismarckstraße. Beware. That glossy grass-green of the underground walls of the station might be considered “a fine colour” — but why is it here? Not to mention the typefaces.
The walls at Bismarckstraße used to be in small yellow Sixties tiles. Now, why so huge? And what was the motivation behind the choice, or rather, the mix of type here? Why re-implement some kinds of wanna-be Twenties type in a station from a much later period? Nobody seems to take care. „There is no respect for the era of division”, Jesse says in a dark voice. As true and cruel as it is: tourism rules.
Sadly, there has not been something like a conscious “choice” whatsoever here, not color, not type. The whole renovation of Bismarckstraße U-Bahn station is, in the best way of interpreting it, “an attempted level of classicism that doesn’t belong here”. Even with a lot of goodwill this is not convincing or satisfying.
Luckily Jesse takes us further through Berlin’s diverse underground to experience some more of the gorgeous psychedelic settings along the U7.
After all this variety of impressions and numerous stations, our group happily walked from Zoologischer Garten to Schleusenkrug beer garden, also a premiere. There we not only could supply our speaker with his well-deserved beer, but also enjoy a true Berlin Currywurst and very nice potatoes and stuff. Which lifted our spirits in regard to the city’s originals. So, the evening ended in a big group table with those visitors who came directly to Schleusenkrug, with heated conversations, and more beer. A true Typostammtisch-Stammtisch after all. Phew.
Thank you Jesse for this most wonderful Type Walk! Lovely meeting you! Let’s continue the ride.
Nach dem Graffiti-Walk im August haben wir im Oktober ein weiteres Spaziergangshighlight für euch: Jesse Simon zeigt uns (typo-)grafische Streiflichter der Stadt, ober- und unterirdisch entlang der U-Bahnlinie 7. Jesse schreibt, lehrt und gestaltet. Er hat in Oxford Geschichte studiert und ist seit 2012 in Berlin unterwegs, meistens mit Kamera. Was er sieht, dokumentiert er in Büchern (Berlin Typography 2021, Plattenbau Berlin 2022) und Social Media Accounts (Berlin Typography, Berlin Texture, U-Bahn Berlin). Zum Spaziergang kombiniert er diese Kategorien und gibt euch einen Einblick in seine Sicht auf die Stadt.
Nach dem Type Walk kehren wir im Schleusenkrug am Zoo ein (dieser Biergarten hat übrigens passend zum Thema ein tolles Neon-Schild). Wir freuen uns, wenn viele von euch dazustoßen, auch wenn ihr nicht am Spaziergang teilnehmen könnt. Wie bei all unseren Stammtisch-Stammtischen: Bringt gern Skizzen oder Fundstücke, die ihr teilen möchtet, mit in den Biergarten! Es gibt immer etwas zu besprechen.
Bitte beachtet unbedingt auch unsere Hinweise in eigener Sache unten!
Spaziergang, begrenzte Plätze mit Anmeldung:
Treffpunkt um 15:00 Uhr am U-Bahnhof Fehrbelliner Platz. Wo genau, geben wir den Teilnehmenden bekannt. Bitte bringt Jesse einen Teilnahmebeitrag von 10€ möglichst passend mit. Der Spaziergang wird auf Englisch stattfinden. Bitte beachtet, dass ihr ein gültiges Tagesticket AB benötigt.
Type Walk in English, please register (limited attendance):We meet at U Fehrbelliner Platz at 3 p.m.Please bring a 10€ fee for the walk in cash. Also please make sure you have a valid day ticket AB. Afterwards, from 6:30 p.m., join us without registration for food, drinks and type discussions. Of course you can also come if you can’t attend the type walk. The Typostammtisch evening will take place at Schleusenkrug Biergarten near Zoologischer Garten. We’ll sit outside under a roof.
Stammtischabend ohne Anmeldung im Schleusenkrug Biergarten: ab 18:30 Uhr. Wir sind draußen unter dem Dach, dicke Jacken anziehen! Bei sehr schlechtem Wetter können wir auf drinnen wechseln.
Bis dahin,
Euer Typostammtisch-Team
Das Buchstabenmuseum hat nun eine Neon-Werkstatt! Man kann Touren mit Neon-Fokus buchen oder Workshops, um selbst Hand anzulegen. Vom 12.–16. Oktober fand das InScript Festival für experimentelle Schrift online statt. Der Ticketverkauf mit Zugang zu Videoaufzeichnungen ist leider geschlossen. Es gibt aber einen Newsletter, um die Veranstaltung im Auge zu behalten. Ebenfalls online, aber in der Zukunft, nämlich vom27.–29. Oktober, finden die ATypI Tech Talks statt. Wer Weihnachtskarten selbst gestalten und zusätzlich etwas über Lettering lernen möchte, kann im November und Dezember Workshops in der Makery in Kreuzberg buchen. Wer eher in Richtung Letterpress gehen möchte: Auch in der p98a finden monatlich Workshops statt.
Einige Hinweise in eigener Sache:
Typostammtisch #99 im November wird ein Buch-Pecha-Kucha. Dafür brauchen wir euch, liebe Berliner Autorinnen und Autoren! Wer hat in den letzten 5 Jahren ein Buch geschrieben und/oder typografisch gestaltet und möchte das in einem 5-minütigen Vortrag vorstellen? Es sollte auf dem Markt sein, also bitte keine Entwürfe. Meldet euch: info@typostammtisch.berlin.
Typostammtisch #100 (ja, 100!!!) wird ein Quiz an einem ganz besonderen Ort. Bitte haltet also bei der Planung von Weihnachtsfeiern und Familientreffen nach Möglichkeit den 15. Dezember 2022 frei. Wir würden uns sehr freuen, viele Weggefährtinnen und ‑bereiter des Typostammtischs, sowie Stammgäste, Ratefüchse und Neubesucher·innen zu diesem Jubiläum begrüßen zu können.
A propos neu: Wir suchen zuverlässige Teammitglieder für die nächsten 100 Typostammtische* [m/w/d, wahlweise mit Logistik-, Schreib-, oder Organisationstalent, in jedem Fall mit einer großen Portion Typo-Enthusiasmus und Offenheit. Ob Studierende oder Profi, jede(r) kann etwas beitragen]. Meldet euch, gern persönlich oder über die oben genannte E-Mailadresse.
* Keine Angst, ihr müsst nicht 100 Ausgaben durchhalten; der geteilte Rekord liegt bei 50.
Das Titelbild ist eine Collage aus Jesse Simons Sammlung. Hint, hint: Dies sind Orte, die wir auf dem Spaziergang live erkunden werden. Es wird aber weit mehr als Helvetica zu sehen geben, versprochen! Die Titelzeile zeigt einen Schriftentwurf mit Arbeitstitel Diplomat von Alexander Rütten und Olivia Wood von Ligature_type.
Anja:
Lieber Lukas. Ich bin immer noch ganz beschwingt und im Flow von gestern. Graffiti und Stammtisch – Graffitisch und Stammiti. Egal, ich schweife ab. Toll, dass du Oli und Martin angefragt hast! Die beiden haben uns so viele Ecken gezeigt und große und kleine und keine Geheimnisse verraten … Wie geht’s dir heute morgen?
Lukas: Hey Anja, du fasst das sehr gut zusammen, mir geht es ähnlich. Beschwingt und im Flow! Ich muss gestehen, dass ich vorher ziemlich aufgeregt war. Ich hatte mich die ganze Zeit gefragt, wie Graffiti beim Typostammtisch-Publikum ankommen würde. Würden die Teilnehmenden aufgeschlossen oder skeptisch sein? Auf jeden Fall haben Oli und Martin mit ihrer Art alle Barrieren abgebaut, falls dort welche gewesen wären. Wie hast du es empfunden als Schriftgestalterin? Was war neu für dich, was hat dich inspiriert und natürlich auch: Wie hast du die Gruppe wahrgenommen (die übrigens eine spannende Mischung von Menschen aus verschiedenen Altersgruppen und unterschiedlichen Arbeitsfeldern war)?
A:
Oli und Martin sind als Guides auf jeden Fall sehr empfehlenswert. Kurzweilig, witzig, kompetent, authentisch (da war er wieder, der -tisch). Es waren ja trotz Affenhitze ca. 15 Leute da (null Skepsis übrigens), mehr Frauen als Männer. Ich finde das deshalb erwähnenswert, da sich Martin und Oli intensiv mit der Teilhabe von Frauen im Graffiti beschäftigen: Sie gendern konsequent, rufen zur Selbstreflektion der Community auf, wirken auf mich absolut integrierend, obwohl (oder gerade weil) die Graffitikultur immer noch sehr männlich konnotiert ist.
Die beiden erwähnten im Laufe des Rundgangs auch weitere Schattenseiten: Kriminialisierung und teilweise auch Kriminalität, ein individuell selbstgezimmertes und nicht definiertes Moral-Gerüst, Rivalitäten und durch die Verdrängung ins Dunkle auch eine Art innewohnender Weltschmerz. Diese Gratwanderung zwischen Kunst und Kriminalität und was Oli und Martin dazu zu sagen hatten, fand ich sehr spannend. Wie ging es dir da? Du bist ja mit deutlich mehr Vorwissen in den Rundgang gestartet. Was hast du gelernt?
L:
Stimmt schon, ich bin mit Vorwissen reingegangen, muss aber sagen, dass viel auch für mich neu war. Das liegt daran, dass die beiden eine so tiefe Sicht ins Innenleben der Graffitiszene haben (selber in einem Kollektiv, gute Connections und eine eigene Meinung). Als ich noch Dorfkind war, habe ich erst richtig angefangen mich für Schrift zu interessieren, als ich Graffiti entdeckt habe. Gerade die Bilder, die aus Martins und Olis Umfeld stammten, haben mir einen richtigen Schubser in die Schriftwelt gegeben. Und jetzt höre ich von den beiden diese ganzen persönlichen Geschichten – schon abgefahren!
Ich mochte besonders, dass sie uns an die Nicht-Orte geführt haben (so wie Martin sie nannte). So Orte mitten in Berlin, wo einfach Stille herrscht und die Zeit etwas langsamer tickt. Aber drumherum ist Tumult, ganz normal. Das hatte was Poetisches. Dass wir als Gruppe einfach eine Abzweigung hinterm busy Supermarkt nehmen und plötzlich auf einer leeren Grünfläche stehen, ganz alleine. Und da ist dann Platz für Schrift, für Graffiti, für expressive Spielereien. Da hatten wir dann ja lustigerweise Zeit, Buchstaben zu erraten (oder auch nicht, hehe).
Und wie du schon erwähnt hast, ich finde es auch total cool, dass die beiden ständig darüber reflektieren, was Graffiti heute bedeutet, wer daran Teil haben darf, was gut läuft und was sich verändern muss. Und sie sprechen nicht nur darüber, sondern setzen es auch in die Tat um. Wie bei ihrem Hypergraphia Festival in Potsdam, bei dem echt viele weibliche Graffiti Artists dabei waren. Das scheint sonst nicht die Norm zu sein.
Was hast du eigentlich Neues über Buchstaben erfahren? Also ich meine: Formen, Herangehensweisen, Techniken – sowas in die Richtung. Und dann würde ich auch sehr gerne von dir wissen, was dein Lieblingsort auf der Tour war und warum!
A: Neulich hinterm Aldi – ja, das fand ich auch sehr cool. Ich konnte kaum eine Buchstabenform erkennen. Aber die beiden haben ja auch erklärt, dass bis ungefähr zu den 2000er Jahren ein Ausfeilen der Stile und Techniken zu beobachten war, bis viele Kollektive es dann irgendwann so perfekt drauf hatten, dass es ihnen langweilig wurde und sie sich an den Spaß und die intuitive, mitunter kryptische Herangehensweise erinnert haben (Anti Style). So entstehen dann tanzende Formen wie oben zum Beispiel.
Dass Graffiti tatsächlich etwas mit Tanzen zu tun haben kann, war mir neu: Martin und Oli haben die Körperlichkeit, die vor allem das schnelle Malen (Throw Up) erfordert, erklärt und auch demonstriert. Sie kreisten die Arme, reizten ihre Spannweite aus, gingen in die Hocke, federten und waren eins mit der Bewegung. Jeder für sich nach individuellen körperlichen Gegebenheiten und trotzdem fast synchron. Also ich klick’ ja sonst eher die Maus 😉
Ansonsten war mir alles Mögliche neu: Fachbegriffe wie Headbangen (kopfüber auf dem Dach liegend mit der Farbrolle malen), Layup (kurz zu Reinigungszwecken abgestellte Züge bemalen) und Caps (verschiedene Sprühaufsätze ähnlich Pinselspitzen), dazu Infos über Farbzusammensetzung, verschiedene Crews und Umweltprobleme durch viel Abfall. Aber ich gehöre eben auch zu den Toys (sozusagen die Muggel der Graffitiwelt).
Du fragst nach meinem Lieblingsort. Mich hat nicht ein Ort speziell beeindruckt, sondern eher eine Aussage zum Thema von Oli: Für ihn hat Graffiti viel damit zu tun, hinter Türen zu schauen („hinter einer Tür öffnet sich plötzlich eine völlig neue Welt“), auch metaphorisch gesehen auf die andere Seite zu blicken, über Zäune zu gehen – manchmal über die im eigenen Kopf. Die Gratwanderung, das Dialektische, die Grauzone, das finde ich über Buchstabenformen hinaus das eigentlich Interessante. Denn bei aller Faszination muss man natürlich sagen, dass es deutlich mehr illegale Flächen gibt als legale. Deshalb meine etwas aufmüpfige Frage an dich: Du, Lukas, wem gehört eigentlich die Stadt?
L:
Der Deutsche Wohnen würde ich sagen, nech? Die Frage ist total präsent in Berlin, vor allem wenn’s ums Wohnen geht. Auf der einen Seite Konzerne mit viel Geld und Besitz und auf der anderen Seite die Bevölkerung, die wohnen möchte (ohne davon arm zu werden oder ständig aufgrund von Preissteigerungen umziehen zu müssen). Was die beiden erzählt haben, als wir vor dem großen Wandbild an der Schönhauser standen, fand ich sehr interessant. Das Mural war von einem neuseeländischen (bald aotearoaischen?) Freund legal gemalt worden, im Auftrag der Hausverwaltung.
Im Gespräch kamen wir auf beauftragtes Malen. Martin erzählte, dass er für eine große Wand angefragt wurde und schon mitten in den Vorbereitungen steckte, als er plötzlich erfuhr, das die Deutsche Wohnen hinter dem Auftrag stand. Er brach ab, weil er keine Lust hatte, den Wohnkonzern mit seiner künstlerischen Arbeit zu unterstützen. Diese Anekdote reiht sich in die Tendenz ein, dass die Stadt zunehmend unter großen Konzernen aufgeteilt wird. Interessanterweise dient Graffiti manchmal dazu, ein Viertel erst hip zu machen: Der Wert einer Immobilie kann gesteigert werden, wenn ein schönes Graffiti dran klebt. Gleichzeitig kriminalisiert man den Weg dorthin, denn viele Künstler·innen sind in der Graffitiszene groß geworden.
Graffiti trägt die Frage, wem was in der Stadt gehört, spielerisch und plakativ in den öffentlichen Raum. Die Grenzen zwischen Besitz und Nichtbesitz werden verschoben, weil Crews oder einzelne Sprayer·innen sich mit Hilfe von Farbe und Botschaften bestimmte Spots, Fassaden, Orte oberflächlich aneignen und damit sagen: „Das ist jetzt meins, äätsch!“. Dabei gibt es verschiedene Facetten: Crews, die offen und frei sind (so wie Oli und Martin) und dann die Gangster, also Crews, die mit Kriminalität zu tun haben (Drogen, Waffen, Gewalt) und das auch nach außen kehren. Aber Hin oder Her, die Diskussion über Besitz und Teilhabe wird von Graffiti stark befeuert, behaupte ich mal. Es werden Machtverhältnisse hinterfragt.
Was mir noch auf der Seele brennt: Die beiden hatten ein Blackbook dabei. Und ich habe gesehen, dass du auch akribisch reingemalt hast. Und das Buch hat dann die Runde im Prater gemacht. Was hat es damit auf sich gehabt?
A:
Haha, gute Überleitung. Ein bisschen Moderation muss schon sein in einem Nachgespräch. Nach so viel tiefgründigem und philosophischem Vordringen in Raum und Zeit endete unser Spaziergang nämlich, du sprichst es an, bei einem kühlen Bier im Prater und ging damit nahtlos in einen Typostammtisch im klassischen Sinn über. Es gesellten sich viele weitere Gäste dazu und so verbrachten wir den Abend glücklich und zufrieden bis es dunkel war … Moment – das Notizbuch!
Martin und Oli hatten die Idee, die freie und intuitive Herangehensweise an Buchstaben, die sie uns in ihrer Throw Up Session näher gebracht haben, in den Biergarten mitzunehmen. Das sah dann so aus, dass sie immer ein paar Buchstaben vorgegeben haben und die Anwesenden dazu Entwürfe beitragen sollten. Zum Beispiel kann ich mich an eine Aufgabe erinnern, drei Versalbuchstaben in einem Zug zu schreiben (Oneliner). Je später der Abend wurde, desto lustiger wurden natürlich auch die Aufgaben, z.B. „ein P, das hilft“ oder ein „Symbol mit O“. Dieses um die Ecke denken hat mir (und anderen) jedenfalls großen Spaß gemacht. Ich finde, so ein Notizbüchlein darf gern wieder beim nächsten Stammtisch-Stammtisch dabei sein! Du hast das Buch doch mitgenommen, oder? Was war da noch so drin?
L: Jetzt probiere ich elegant, und vor allem intelligent, davon abzulenken, dass ich das Buch nicht mitgenommen oder abfotografiert habe 🙂 Oli und Martin haben das Buch aber wohlbeherzt an sich genommen und das ist doch ein schöner Aufhänger, sie bei den nächsten Typostammtischen wieder zu sehen.
Besonders gut kann ich mich an die Doppelseite mit den Tierbuchstaben erinnern, bei denen äußerst niedliche, aber auch bedrohlich-einschüchternde Wesen entstanden, die gleichzeitig als ausgereifte Initialbuchstabenideen herhalten könnten. Sinas M mit Augen fand ich sehr schön. Und ich habe nebenher mitbekommen, dass David sogar sein eigenes Blackbook mitgebracht hatte. Seiten über Seiten gefüllt mit Buchstaben, wow. Also ich bin dafür, dass wir die Idee mit dem Notizbuch zum Typostammtisch fortführen.
Was für ein schöner Rundgang! Ich hoffe, dass alle aus unserer Gruppe etwas für sich mitnehmen konnten. Auch, dass es neue Fragen angestoßen hat. Oder, dass es einfach die Spielfreude entfacht hat, durch Martins und Olis (Sprüh-) Fingerspitzengefühl in der Vermittlung straßenschriftlicher Inhalte. Nur noch zwei Dinge, die ich teilen möchte, da sie mich fasziniert haben: Erstens, dass die hohen Dosenpreise und die derzeitige Inflation mehr und mehr Graffitimenschen zum Umlenken auf Streichfarbe und Rolle bewegen. Und zweitens, dass es Writer gibt, die im Sommer mit der Gartenschere herumlaufen und den Büschen, die über ihre Bilder wachsen (und diese somit verdecken) einen Pony schneiden.
Danke an unsere Guides für die Insights und den schönen Spaziergang. Danke auch an unsere Gruppe und alle zum Biergartenstammtisch Dazugestoßenen: Toll, dass ihr da wart! Und Anja, haben wir noch etwas vergessen, oder magst du noch etwas hinzufügen?
A: Du hast alles gesagt (hihi). Ich muss nur noch über die Formulierung „Fingerspitzengefühl in der Vermittlung straßenschriftlicher Inhalte“ lachen. Das wäre auch eine 1A-Überschrift für eine Verordnung oder sowas! Ich möchte noch eine Anekdote loswerden, die mir einer der beiden später im Prater erzählte: Er sagte, sich umschauend, dass er hier schon mal nachts gewesen sei. Er dachte damals allerdings, dies sei ein verwaistes Schwimmbad (wegen der Türme, die dort zur Bühnenbeleuchtung stehen). Schon lustig, diese Nicht-Orte in der Stadt – sogar belebte Biergärten können sich bei Nacht in solche verwandeln.
Wir laden euch, wie in jedem Jahr, herzlich zum Sommer-Schriftspaziergang ein! Dieses Mal beleuchten wir eine andere Seite der Stadt, und zwar die allgegenwärtigen bunten Buchstaben von der Straße: Graffiti. Denn Berlin ist immer noch die weltweite Hauptstadt des Graffiti und diese Subkultur inspiriert mehr denn je unsere Kultur.
Unsere Community, Lettering-Artists, Typografinnen und Schriftgestaltungsmenschen beziehen mehr und mehr Inspiration von der Straße. Wir möchten also in die Tiefe gehen und uns von Oliver Johannsen,Martin Gnadt und Crew erleuchten lassen, was eigentlich hinter diesen bunten Buchstaben steckt. Sie werden uns Wände zeigen, Geschichten und Techniken verraten und uns erklären, warum Graffiti und Schrift solch innige und wunderbare Beziehung pflegen.
Anschließend krönen wir den Abend, traditionsbewusst, mit Gesprächen und Kaltgetränken im schönen Prater-Biergarten.
Wann? Am Donnerstag, den 25. August um 18 Uhr, Schriftspaziergang ab 15 Uhr s.u.
Wo? Prater Biergarten, Kastanienallee 7–9, 10435 Berlin
U-Bahn: Linie U2 bis Eberswalder Straße
Tram: M1/M10/12 bis Eberswalder Straße
Kostenloser Schriftspaziergang ab 15 Uhr. Treffpunkt hierfür ist beim Mauerpark (vor dem Mauersegler, Bernauer Str. 63–64, 13355 Berlin). Die Guides freuen sich über einen freiwilligen Obolus.
Bis dahin, WIR FREUEN UNS AUF EUCH!
Euer Typostammtisch-Team
Der nächste TypeThursday findet am 11. August um 18:30 Uhr statt, diesmal bei LucasFonts und wie immer mit Vorträgen und anschließendem Pläuschchen. Oliver Johannsenführt uns nicht nur durch die Straßen Berlins, er organisiert auch das Hypergraphia Festival, das sich mit Graffiti und Schrift auseinandersetzt. Vom 12. bis 14. August wird es tolle Vorträge und Live-Action im Freiland am Potsdamer Hauptbahnhof geben. Das Syposium der Typografischen Gesellschaft Austria (tga) in Raabs findet vom 25. bis 28. August statt. Nicht nur das Programm wird toll sein, auch das Essen und die Location – auf jeden Fall ein Geheimtipp! Auf dem Weg nach Raabs bietet sich ein Zwischenstopp im Deutschen Museum in München an: Die neu eröffnete Dauerausstellung Bild Schrift Codes ist sicherlich sehenswert! Vom 17. bis 18. September gibt es im Prenzlauer Berg einen Lettering-Workshop, den ihr euch anschauen solltet: Sign Writing Weekend mit Liane Barker aus Australien, organisiert von Elena Albertoni (La Letteria). An dieser Stelle wollen wir auch noch einmal Florian Hardwig und Fritz Grögel erwähnen, die uns bisher mit ihren Schriftspaziergängen begeistert haben. Kudos und auf ein Neues!
Die Titelzeile ist in Myzel, der Abschlussschrift von Lukas Horn (also mir, dem Autor), gesetzt. Ich habe sie mehr aus Zeitgründen gewählt, als aus Eigennutz. Denn das ist mein erster Beitrag zum Typostammtisch (Juhu!). Die Schrift ist Teil meiner Abschlussarbeit vom TypeMedia-Studiengang. Das ist die milde Variante – es gibt auch eine wilde.
Das Titelbild habe ich ebenfalls beigesteuert beziehungsweise collagisiert (falls das ein Wort ist), da Oliver uns netterweise diesen Typostammtisch bereichert, aber zeitlich so eingebunden war, dass ich schnell Fotos von schönen Graffitis gemacht habe. Danke an die unbekannten KünstlerInnen, die ich hier miteinander verbunden habe (THE, Life, AMD, ZGM, Rozer, Toylets, RZK, 1UnitedPower usw.)!
„Erkenne dich selbst, erkenne dich im anderen“ war der philosophische Höhepunkt des diesjährigen Schriftspaziergangs. Die Inschrift prangte einst am prachtvollen Gerichtsgebäude, das wir auch von innen besichtigten. Und wer wüsste die Anzahl der Mosaiksteine auf dem Haus des Lehrers? Rund 800.000. – Dies als kleiner Einblick in das beeindruckende schrift- und stadthistorische Wissen unserer beiden Typostammtisch-Schriftspaziergangsleiter.
Herzlich willkommen zum 6. Berliner Schriftspaziergang! „Gib mir mal den Sprechtext, Flo“ (Fritz Grögel zu Florian Hardwig) – „was, nicht auswendig?“ entfuhr es mir – „Sonja, letztes Mal ist zwei Jahre her!“ (Florian). Ja! Wir haben uns echt lange nicht gesehen.
Streiflichter zum Schriftspaziergang 2021
Wer schon immer mal Hintergründiges zum Apotheken-A oder zur Weltzeituhr auf dem Alex wissen wollte, hatte hier beste Unterhaltung – übrigens auch miteinander: Die Schriftspazierenden fanden sich zwischen den Etappen zum Plauschen zusammen und wir auf diese Weise heraus, dass keineswegs alle aus Berlin und Umland kamen, sondern extra angereist waren zum Beispiel aus Hamburg, Mainz und Frankfurt am Main. Toll!
Bei der Gelegenheit haben wir erfahren, wie rege auch unsere weiteren Tipps (am Ende jeweils unserer Newsletter) von Berlin besuchenden Buchstabenfreund·innen genutzt werden. Danke für euer super Feedback!
Lieblingswörter und Missglücktes
Unterwegs entspinnen sich tolle Dialoge: „Ich find’s ja erfrischend, den i-Punkt mal so luftig zu sehen“, bemerkt ein Gast erfreut angesichts Ost-Berliner Straßennamensschilder – „ja, nicht so draufgequetscht wie heute alles“ dazu Spaziergangsleiter Fritz.
Beim „missglücktesten Epitaph Berlins“ (Fritz), das wir hier selbstverständlich nicht verraten, bemerkt Dr. Thomas Maier äußerst nüchtern: „Das ist äußerst laienhaft.“ Zudem sehr witzig. Desolates Design gab es zu allen Zeiten. Ebenso sachlich Florian an anderer Stelle: „Was Corporate Design betrifft, hatten autoritäre Regime es natürlich leicht“. In ähnliche Richtung weist Fritzens Kommentar, es sei „für Inschriften natürlich super, wenn’s aus Stein ist”. Florian vor einer solchen: „,Schicksal‘ ist mein Lieblingswort.“
Natürlich super, wenn’s aus Stein ist
Im Verlauf des Spaziergangs meißeln die beiden ihr Wissen weiter aus. So hebt Florian gegenüber Fritz den Unterschied von Morphemen und Silben hervor; das sei ja nicht dasselbe, und gibt sich am Ende halbwegs zufrieden („na gut … für den Hausgebrauch“). Mitunter standen wir Lettern zuliebe an recht zugigen, stinkigen Ecken. Und Rätselfragen gab es auch:
„Was ist das hier?
Eine Versalienauszeichnung?
Lettering?
Schriftmetzgerei?“
Damit Fritz und Flo solcherlei auf dem nächsten Schriftspaziergang erneut abfragen, wir darüber stolpern, staunen und diskutieren können, sei hier nun nichts weiter verraten. Schön wars!
Sehr schön auch, dass wir nach mehreren Stunden des Buchstabenwissen Erwanderns im Pratergarten an der Kastanienallee, Prenzlauer Berg erwartet wurden. Nun ja, nicht regelrecht „erwartet“: Die Freund·innen der Typografie hatten sich hier (with a little help von Georg Seifert und Ulrike Rausch als „Erkennungszeichen“ – danke euch!) längst zusammengefunden. Die Wiedersehensfreude war allseits riesig.
Großes Dankeschön noch mal an Florian Hardwig und Fritz Grögel! Wir hoffen, euch bald weitere Schriftspaziergänge mit den beiden anbieten zu können. Zieht euch warm an.
Test, Test. Könnt ihr uns lesen? Etwas ungewohnt ist es, wieder Newsletter zu schreiben, doch wir möchten euch die frohe Kunde nicht vorenthalten: NACH SO LANGER ZEIT GIBT ES ENDLICH WIEDER EINEN TYPOSTAMMTISCH! Wir versuchen erst gar nicht, unsere Aufregung zu verbergen und hoffen, auch bei euch auf angestauten Hunger nach Begegnung und typografischem Austausch zu treffen.
Leicht verspätet, diesmal im September statt im August, machen wir einen klassischen Typostammtisch-Stammtisch an der frischen Luft plus vorangekoppeltem Schriftspaziergang. Bringt besagten Hunger (und natürlich Durst) in den Biergarten mit; sowie eigene Arbeiten, Bücher, Fundstücke und Neuigkeiten. Kurzum: Bringt mit, was ihr besprechen möchtet.
Schriftspaziergang in Mitte – mit Jubiläum!
Mehr als nur die Einstimmung zum Treffen im Biergarten ist unser Schriftspaziergang mit Florian Hardwig und Fritz Grögel. Dieses Jahr wird der Typostammtisch-Schriftspaziergang schon 5 Jahre alt. Ein solcher Geburtstag muss auch unter Pandemiebedingungen gefeiert werden! Diesmal sind höchstens 14 Teilnehmer·innen zugelassen (leider auch keine spontan mitgebrachten und nicht registrierten Menschen). Wie immer müsst ihr euch anmelden und dieses Jahr bitte ein paar mehr Fragen beantworten. Außerdem haben wir einen moderaten Teilnahmebeitrag eingeführt (15€ bzw. 10€ ermäßigt), der den Tourguides zugutekommt. Die Plätze vergeben wir nach Reihenfolge der Anmeldung. Bitte seid nett und sagt ab, falls ihr einen gebuchten Platz doch nicht in Anspruch nehmen könnt! Die Teilnehmer·innen werden per Mail über den Treffpunkt benachrichtigt.
Bei ganz schlechtem Wetter müsste die gesamte Veranstaltung leider entfallen.
Wann? Am Donnerstag, den 23. September um 18 Uhr (Schriftspaziergang ab 15 Uhr)
Wo? Prater Biergarten, Kastanienallee 7–9, 10435 Berlin
U-Bahn: Linie U2 bis Eberswalder Straße
Tram: M1/M10/12 bis Eberswalder Straße
Bis dahin, WIR FREUEN UNS AUF EUCH!
Euer Typostammtisch-Team
Unsere Veranstaltungshinweise sind diesmal in Vorfreude auf das, was wir so lange nicht hatten, dick aufgeblasen und teilweise weit im Voraus vermerkt. Den Anfang machen eine Reihe aktuell anstehender Angebote. Die Qual der Wahl habt ihr heute, am 9. September: Beim Type Thursday Berlin sind Luz Bella Lendiez, Daria Petrova, Flavia Zimbardi und Verena Gerlach als Expertinnen bei einer TypeCrit-Session geladen. Parallel wird im A–Z presents die Ausstellung Perhaps it’s not you, it’s me von Lucienne Roberts eröffnet, in der die Künstlerin Liebesbriefe an das Grafikdesign thematisiert. Noch bis zum 19. September läuft die Reihe Wir machen Bücher der p98a im Analog mit verschiedenen Lesungen und Gesprächen. Ebenfalls bis zum 19. September zeigt der Hamburger Bahnhof im Beuys-Jahr Interessantes Von der Sprache aus. A propos Sprache: Gendern ja, nein, vielleicht und wenn ja, bitte wie?Sonja Knecht gibt einen Überblick zur Debatte: Vortrag am 6. Oktober bei der tga live in Wien, Online-Seminar am 19./20. Oktober bei der tgm. Die Werke des iranischen Schrift-Künstlers Hassan Massoudy kann man im Pergamonmuseum im Rahmen der Ausstellung Raum für alle hat die Erde noch bis zum 17. Oktober bestaunen.
Ein paar Save-the-Dates solltet ihr euch noch in den Konferenzkalender schreiben: Die ATypI veranstaltet vom 28. bis 30. Oktober ihre zweite globale, zeitzonenübergreifende Online-Konferenz All Over! Grandiose Gelegenheit, Schriftprofis auch aus bisher wenig vertretenen Weltgegenden zu erleben. Der vierte (und letzte) Teil des TypeTech MeetUps zum Thema Type Design and Society wird am 19. November stattfinden (München/online). Eine Woche später, am 26. November ist die vierte Ausgabe der FURE (Future of Reading) in Münster geplant.
Die Titelzeile ist in der Connecting A–Z von A–Z presents gesetzt. Das Projekt ist während des Corona-Lockdowns entstanden. 28 Gestalter·innen (aus Berlin u. a. Alex Branczyk, Barbara Dechant, Na Kim und Ferdinand Ulrich) haben jeweils einen Buchstaben des lateinischen Alphabets zur Schrift beigetragen und sich und ihre diversen Gestaltungsansätze auf diese Weise trotz pandemischer Einschränkungen zusammengeschlossen, festgehalten, verbunden. Die Schrift kann frei herunterladen und genutzt werden.
Das Titelbild stammt von unserem Schriftspaziergangs-Tourguide Florian Hardwig. Auf unsere Anfrage nach hinreichend melancholisch gestimmten Bildern zum Neuanfang des Stammtisches/Schriftspaziergangs schickte er spontan fünf. Den Rest seht ihr nach und nach auf unseren Social Media-Kanälen: Folgt Eurem Typostammtisch auf Twitter und Instagram.