Nachbericht 100. Typostammtisch: #100 Quiz

Wisst ihr noch? In der Kindheit war es immer ein großes Diskussionsthema, ob es nun von Vor- oder Nachteil sei, an bzw. um Weihnachten Geburtstag zu haben. Wir wollen die Frage nicht strapazieren, nur so viel: Für den Typostammtisch ist es kein Problem – im Gegenteil. An diesem besonderen Abend kommt eine Menge zusammen: die weihnachtlich geschmückte Kirche und die Erinnerung an Menschen, die kein Dach über dem Kopf haben; das traditionell im Dezember abgehaltene und in den letzten Jahren pausierte Quiz – und das 100-jährige Jubiläum … äh, die 100. Ausgabe des Typostammtischs (est. 2006).

Stefan Pabst und Sol Matas beim Aufbau

In der als Veranstaltungsort genutzten Zwinglikirche in Friedrichshain steht bereits ein opulenter Weihnachtsbaum, als Sol Matas zum Aufbau mit drei Luftballons in Form einer Eins und zwei Nullen ankommt. In dieser Kombination verkaufen das Ballonvertriebsmenschen sicherlich auch nicht jeden Tag. Die Vorbereitungen laufen: Kirchenbänke an den Rand tragen, Bestuhlung und Tische aufbauen, die Leinwand platzieren, die vorab gesendeten Geschenke protokollieren und auf dem Gabentisch arrangieren – da kommen auch schon erste Menschen mit weiteren Geschenken an. Herzlichen Dank dafür, eine detaillierte Auflistung findet ihr unten. Der Glühwein dampft (Dank an Bartender Stefan und den Kulturraum Zwinglikirche e.V.) und lädt ein, im beheizten Seitenschiff kurz die Hande aufzuwärmen.

Aber wir merken schon: Die Anwesenden sind vor allem heiß aufs Quizzen.

Wir beschränken also unsere Jubiläumsansprache auf kurze Danksagungen an verdiente Typostammtischteammitglieder (Ivo Gabrowitsch, Florian Hardwig, Benedikt Bramböck, Verena Gerlach, Olli Meier, Fritz Grögel, Sebastian Carewe, sowie das aktuelle Team), ein „Hallo“ an Stammgäste und neue Gesichter. Schön, dass ihr mit uns feiert!

Handtaschen, Hühnereier und hundertste Geburtstage

Dann geht’s endlich los: Quizmaster Stefan Pabst verkündet die Fragen, die er gemeinsam mit Jürgen Huber und Sebastian Carewe ausgetüftelt hat (die drei waren anno 2019 im 2. Gewinnerteam). Die ersten zehn Fragen sind für Schriftspezis durchaus kniffelig, da sie den typografischen Kontext sehr weit fassen. Bittersüßen Zwischenapplaus gibt’s zum Beispiel für die Aufgabe, die Logos bekannter Luxusmarken nach der Reihenfolge von Geschäften auf dem Ku’damm zu ordnen. Als dann eine weitere „Handtaschenfrage“ (O-Ton aus dem Publikum) kommt, sind die ersten schon angesäuert. Flexibel bleiben, Leute! 🙂 In dieser ersten Phase des Quizzes mäandern wir gemächlich, unser Allgemeinwissen vergrößernd, zwischen Emoticons, Länderflaggen und Codes auf Hühnereiern.

Frage #13 dreht sich dann um Adobe Illustrator und maximale Punktgrößen – durchaus also ein Typothema im engeren Sinne. „Endlich!“ schallt es da vom im Verlauf des Quizzes lautesten Tisch (wie sich letztlich herausstellt: der Gewinnergruppentisch). Dann aber: „Ach nee, weiß ich doch nicht.“ Nun ja. Weiter geht’s mit zerschnipselten Berliner Logos (modulor, Friedrichstadtpalast, TU, BZ, …) und Personenraten anhand von Lebensdaten (Gutenberg, Frutiger und G. Zapf – diese drei Punkte räumen fast alle Gruppen ab). Es folgen die Zuordnung von Farben zu RGB-Werten („Cmyk wär’ ja leicht“, gibt das Publikum zu), Fragen zu Instagram und Netflix und schließlich das beliebte Punzenraten. „Jetzt sind sie in ihrem Element“, flüstert da der Quizmaster zufrieden. Wer den tgm-Newsletter erhält und liest, kann schließlich auch die Frage beantworten, wer an diesem 15. Dezember 100 Jahre alt geworden wäre. „Auf Kurt!“, skandieren einige mit klirrenden Glühweintassen.

Finale, Tradition und Zukunft

Nach der Auswertung der 29 Fragen steht das Team mit der höchsten Punktzahl fest. Es besteht aus Andreas Frohloff, Anton Koovit, Gunnar Bittersmann, Roman Wilhelm und Stanisłav (Nachname gesucht!). Um den Finaleinzug schätzen Benedikt Bramböck und Yaron Zimmermann aus zwei punktgleichen Teams um die Wette: „Wie viele Follower hat Dinamo auf Instagram?“ Benedikt ist nah dran und sitzt folglich neben Roman im Finale. 

Das Raten von europäischen Nummernschildern mit geschwärztem Länderkürzel geht punktlos vorüber. Is’ aber auch schwierig …! Das 1:0 macht Roman beim Teilen einer Strecke im Goldenen Schnitt durch Befestigen eines Klebezettels auf der Leinwand. Es folgen die Fragenblöcke „Die Schriften welcher Foundry bilden diese Worte?“ bzw. „Welcher Schriftname verbirgt sich hinter diesen Anagrammen?“ (zum Nachraten: Riesen UV, Antenne GbR, Arno Magd). Das Schwierigkeitslevel der Fragen und der Modus des abwechselnden Ratens ohne Abstauber verhindern allerdings weitere Finalpunkte, sodass Roman Wilhelm am Ende mit 1:0 als Gewinner feststeht. Andreas Frohloff schreibt den Gewinnernamen traditionsgemäß auf den Wanderpokal, der nun für ein Jahr bei Roman in der UdK Berlin beherbergt ist.

Gewinner mit Luftballons, im Hintergrund Wahnsinnskulisse des Seitenschiffs, im Vordergrund: Spendendose und Glühwein.
Es werde Licht – Andreas beim Beschriften des Pokals mit Beleuchtern
Der Ergebnis

Nach einer großen Unsicherheit, wer die Fragen nach dem letzten Quiz 2019 und der Corona-Lücke auszutüfteln hat, schaffen wir fürs nächste Jahr gleich Tatsachen mit vielen Zeugen: Die Gewinnergruppe (namentlich genannt sieht oben), beehrt uns 2023 mit ihrer Interpretation des Formats. Wir sind gespannt!

Punktsammler 2022 und Fragenausdenker 2023

Not, Laib und Seele

Angefroren verabschieden sich viele Gäste recht bald. Um 22 Uhr ist Abbau angesagt, denn nach dem Typostammtisch ist vor der Nachtruhe: Die Zwinglikirche dient dieser Tage als Notunterkunft für wohnungslose Menschen, nachdem die eigentliche Notunterkunft abgebrannt ist. Da helfen wir gern beim Bettenaufbau. Schon nachmittags, vor dem Typostammtisch, war die Kirche eine Anlaufstelle für Bedürftige. Hier fand die Essensausgabe der Berliner Tafel, Laib und Seele, statt. Während des Quizzes geht eine Spendendose herum, die 235€ einbringt. Mit diesem Erlös hat Laib und Seele kleine Päckchen mit Schokolade und anderen weihnachtlichen Kleinigkeiten gefüllt und verteilt. Vielen Dank an euch alle! Ihr habt geholfen, vielen Menschen eine kleine Freude zu ermöglichen.

A propos Dank und Freude: 

Bei wem ihr euch mit Blick auf euren Gewinn bedanken dürft, könnt ihr hier nachlesen.

Alexander Roth: Poster (AG57)
Andreas Frohloff:
 Pokalbeschriftung, Buch: „Made with FontFont“, Buch „Fontbook“ 
Benedikt Bramböck: Buch „Evolution“, Buch “Prix Charles Peignot“ 
Buchstabenmuseum: Poster
Christoph Koeberlin: Buch „Vom Buch auf die Straße“ (Journal der HBG #3), Buch „House Industries“
Dan Reynolds: Buch „Formen & Gegenformen“
Friedrich Althausen / Monotype: Buch „Schrift. Wahl und Mischung“,  Monotype Goodiebag, Notizbuch mit Bleistift, 2 × 1 Jahr Zugang zu Monotype Fonts
Henning Krause: Buch „Chronik der Schriftgießerei D. Stempel AG Frankfurt a.M. 1895–1955“, Buch „Retrodesign“, Magazin „Typojournal” (Magazin von Typografie.info #3)
Hannes von Döhren: Specimens (Match, Palast)
Ivo Gabrowitsch: Lizenz Neue DIN
Jenna Gesse: Buch „Königswege zum Unglück“
Jesse Simon: Buch „Berlin Typography“
Juli Gudehus: Buch „Packaging Makeovers“
Katja Hofmann: Notizbücher
Klaus Rähm: Poster A3
Kulturraum Zwinglikirche e.V.: Buch „Adolf Wermuth“, Broschüre „Steine können sich nicht erinnern“
Patrick Marc Sommer: Magazine „FURE“, Bücher „Das ABC der Typografie“
René Bieder: Plakte (Markant, Multima, Kréol)
Sascha Thoma, Ben Wittner / eps51: Buch „Bi-Scriptual“
Sonja Knecht: Buch „Finding Forte“
Simon Becker / B2302:
Buch „Total Armageddon” 
Stefanie Weigele:
Buch „Spitzfederkalligrafie“
Stefan Pabst: Bücher „Futur 2“, „Fraktiqua“
Stefan Tielscher: Drucke Bleisatz (TStT-Jubiläumsposter, Geschenkpapier)
Thomas Maier: Bücher „Formen & Fonts“, Buch (?)
Till Wiedeck / HelloMe: Buch „Auf Wasser genaut“
Wolf Boese: Poster
Yimeng Wu: Plakat (chinesisches Alphabet)
Yulia Popova: Buch „How Many Female Type Designers Do You Know?“

Einige Teams bei der Arbeit:

Der frostfeste Kern nach dem Abbau. Danke!

Nachbericht 99. Typostammtisch: Buchvorstellungen

Ein sportliches Vortragsformat erfordert einen sportlichen Nachbericht: Foto Mensch(en) und Werk(e), kurzer Text, nächste(r) bitte! Alphabetische Reihenfolge. Bereit?

Till Wiedeck, François Elain: Auf Wasser gebaut

Till Wiedeck bringt die alphabetische Reihenfolge gleich zu Beginn ins Wanken, ist er doch auf Abruf, früher wegzumüssen. Der Wecker ist gestellt – 5 Minuten ab jetzt! Till zeigt das Buch „Auf Wasser gebaut“ über den deutschen Pavillion der Biennale Venedig (2009–2022) und spricht in English. “For all you typo nerds” he shows us a typeface designatedly designed for the book by François Elain at Till’s studio HelloMe and a really nice cover with inverted silver and white paper effect. Nice if you are into art books and catalogues.

Jenna Gesse: Königswege zum Unglück

Als nächstes kommt Jenna Gesse nach vorn, im Gepäck ihr strahlend gelbes Büchlein, das „Königswege zum Unglück“ aufzeigt, Strategien also, die wir lieber kennen sollten, um sie wahlweise zu bekämpfen oder wegzulächeln. Ein Beispiel? „Seine Vergangenheit nutzen, um die Gegenwart zu zerstören“. Jenna hat all diese Kurzsätze von Frank Berzbach auf einer alten Schreibmaschine getippt („weil ich wollte, dass man es sieht, wenn ich mit Kraft in die Tasten haue“). Die entstandenden Wortbilder geben dem Text weitere Ebenen. Für alle, die sich gern reflektieren oder noch „etwas Kleines“ verschenken möchten.

Oliver Johannsen, Reinhard Deutschmann: Hypergraphie

Nach dem Intermezzo mit der Schreibmaschine kommen Oliver Johannsen und Reinhard Deutschmann (ja, Künstlername!) vom Kollektiv Hypergraphie nach vorn. Hypergraphie ist ein manischer Zustand, bei dem Betroffene eine „zwanghaften Schreibwut“ auf allen Flächen erleben. Nicht ganz von der Hand zu weisen für ein Künster·innenkollektiv, das hauptsächlich Graffitti praktiziert. Einmal im Jahr sei „Tag der Abrechnung“: Alle Mitglieder zeigen schonungslos alle Arbeiten aus einem Jahr. Das Kollektiv diskutiert und sammelt den besten Content im hier präsentierten Magazin, inkl. lyrischen Sternstunden wie „Ode an den Backjump“. Zu erwähnen ist die DIN 1451, einstmals Normschrift für Verkehr und Logistik, die dem Katalog in mehrfach analog-digital-schablonierter Aufarbeitung als Headline-Schrift innewohnt (auch zu sehen auf der Webseite). Für alle, die sich für kollektiven Ungehorsam begeistern.

Frank Ortmann: Schreibenlernen mit der Hand bildet Formsinn und Verstand

Mit dem Schreiben kennt sich auch Frank Ortmann aus, der originale Schreibvorlagen zur Schulausgangsschrift (SAS) von und mit Renate Tost gesammelt, nachgezeichnet und in Buchform verewigt hat – einfach „weil es mich angekotzt hat“, dass die SAS als Auslaufmodell angesehen und immer gefragt wird: „Können wir die nicht weglassen?“ Nein, im Gegenteil, denn es gab noch keine Abhandlung über die SAS. Diese Lücke haben die beiden nun mit dem durchaus süffisanten Titel „Schreibenlernen mit der Hand bildet Formsinn und Verstand“ geschlossen. Für alle, die mal wieder zu den Ursprüngen zurückwollen.

Yulia Popova: How many female type designers do you know?

Yulia Popova is very glad to present her book “How many female type designers do you know?“ at Typostammtisch in particular because according to her, the project started at a Typostammtisch a few years ago. In her book, she portrays women in the industry, placing biographies at the beginning of the book because „they are important“. The project started as a graduation project and was extended by a large research part on early female type designers. Highly recommended and also part of our Typostammquiz Gabentisch in December. Thanks, Yulia! 

Ulrike Rausch: Making Fonts!

Die alphabetische Reihenfolge bringt mitunter schöne Cluster hervor: Als nächstes zeigt uns Ulrike Rausch (definitely a female type designer we know) die Bücher „Making Fonts“ und „Designing Fonts“, die sie gemeinsam mit Chris Campe geschrieben hat. Wem der Unterschied zwischen beiden Titeln spontan nicht klar ist: es gibt leider viele. Eigentlich sollte „Designing Type“ lediglich die englische Version von „Making Fonts“ sein, am Ende sieht es aber aus wie ein anderes Buch. Nach fünf Minuten Blättern unter der Kamera und kurzweiligen Insights zu Verlagsentscheidungen steht fest: das Buch für alle, die digitale Schriften machen oder machen wollen.

Martin Z. Schröder: Essayreihe

„Was kann man da machen, mein Buch ist so hässlich?“ Fragen wie diese hört Martin Z. Schröder öfter. Üblicherweise rät er: „Nichts. Wechseln Sie den Verlag!“ – wieder so eine Überleitungsperle der alphabetischen Abfolge, vielleicht aber auch schriftgestaltungsimmanentes zwanghaftes Herstellen von Parallelen in einer diversen Menge. Bitte um Nachsicht. Zurück zu Martin Z. Schröder, dessen besagter Ratschlag der Anfang einer bisher 12-jährigen Zusammenarbeit an der Essayreihe des Verlags Zu Klampen war. Ziel der Neugestaltung der Serie (in Abgrenzung zu „diesen ewigen Ölgemälden“): rein typografische, zeitlose Titel, „kein Brimborium“. Durchdachte Gestaltung und durchdachter Inhalt. Für alle, die gern im Bett lesen (die Fußstege sind nämlich extra breit für die Daumen).

Jesse Simon: Berlin Typography

Next one up: Jesse Simon (our host of October’s type walk). Welcome back! Jesse shows his book “Berlin Typography” and explains that this project started in 2016 by spotting the “Betten-König” sign in Lichtenrade. Afterwards, he headed over to documenting the city rigously. “And by ‘rigously’, I mean walking every street (multiple times)”, Jesse explains. Somehow, his efforts are “a race against time” because a lot of signs are disappearing, unless buildings are protected by Denkmalschutz which means that the signs will stay as well. We are happy to have a copy of “Berlin Typography” on the Gabentisch. Thanks, Jesse!

Patrick Marc Sommer: Das ABC der Typografie

Patrick Marc Sommer zeigt uns das Buch „Das ABC der Typografie“, das er gemeinsam mit Natalie Gaspar geschrieben hat. Entstanden ist das Projekt zu Beginn der Corona-Zeit, dementsprechend gäbe es „abwischbares Papier“. „Wir wollten ein kleines Buch machen, aber es sind dann doch 400 Seiten geworden“, so Patrick weiter. Das Werk ist sehr nah an In Design und gibt praktische Hinweise zu vielen, vielen alltäglichen Themenbereichen der Gestaltung mit Schrift. Hinsichtlich der bald erscheinenden 2. Auflage ruft er zu Verbesserungs- bzw. Ergänzungsvorschlägen auf. Laut Selbsteinschätzung „für Studierende und Berufseinsteiger·innen“.

Felix Walser: Ruth Wolf-Rehfeldt

„Vor 5 Jahren war ich schon mal beim Typostammtisch und habe etwas vorgestellt.“, sagt Felix Walser, der uns den Katalog zur tollen Ruth Wolf-Rehfeld Ausstellung im Berliner Kupferstichkabinett mitbringt. Er erzählt, ähnlich wie Jenna Gesse, von den technischen Limitationen, die das Medium Schreibmaschine mit sich bringt und es gerade deshalb, gerade heute so interessant machen. Es sei nicht so einfach, den Typewritings von Wolf-Rehfeld im Katalog „gestalterisch etwas entgegenzusetzen“, so Felix. Da die Texte jedoch „einen Monat zu spät kamen, hatten wir Zeit“. Am Ende fand doch noch die eigens für das Projekt digitalisierte Variante einer alten DDR-Schreibmaschinenschrift ihren Platz im Buch. Für Ausstellungsbesucher·innen und Schreibende.

Stefanie Weigele: Spitzfederkalligrafie

Als nächstes begegnen wir der beeindruckenden Schreibkunst von Stefanie Weigele, die ein Kompendium zur „Spitzfederkalligrafie“ geschrieben hat. Es bietet umfassende Informationen zu Ursprüngen (klassische englische Schreibschrift), Werkzeugen, Übungen, Körperhaltung, Verzierungen, und und und, was uns Stefanie mit der ihr innewohnenden, mitreißenden Begeisterung für das Thema vorträgt. Für alle, die sich für 2023 etwas vorgenommen haben – und zu gewinnen beim Dezemberquiz. Danke, Stefanie!

Sascha Thoma, Ben Wittner: Bi-Scriptual

Ben Wittner und Sascha Thoma leiten mit ihrem Buch „Bi-Scriptual“ den letzten Teil der Buchvorstellungen ein – qua alphabetischer Reihenfolge ein Cluster, das sich mit Multiscript-Typografie beschäftigt. Die beiden waren im September schon bei uns zu Gast; heute geht es ausnahmslos um das Buch. Aufgeteilt in die Kapitel Arabic, Cyrillic, Devanagari, Greek, Hangul, Hanzi, Hebrew, Kanji/Hiragana/Katakana, sowie einen Essaypart, gibt es uns Herangehensweisen und Beispiele zur Gestaltung mit mehreren Schriftsystemen an die Hand. Für alle, die über den Tellerrand blicken.

Yi Meng Wu: Yaotaos Zeichen

„Yaotaos Zeichen“ von Yi Meng Wu ist ein Kinderbuch. Ein Herzensprojekt, in dem Yi Meng ein franko-chinesisches Umfeld zeichnet. Es geht um ein Archiv chinesischer Schriftzeichen in Lyon, das es wirklich gibt, und um die Zeit zwischen den Weltkriegen, „als das Bauhaus nach China schwappte“, wie sie erklärt. In der Geschichte findet ein kleines Mädchen einen Koffer mit chinesischen Schriftzeichen und macht sich auf eine lange Reise. Ausgezeichnet als eines der „schönsten Bücher Chinas“. Für vorlesende Typografiebegeisterte.

Susanne Zippel: Meine Heimat Zwei Länder

Den Abschluss bildet Susanne Zippel mit ihrem Buch „Meine Heimat Zwei Länder“. Dieser Satz stimmt zwar grundlegend, trotzdem zeigt er nicht annähernd, welches Ausmaß dieses Projekt hat: Es geht um nichts weniger als persönliche Geschichten von Menschen, die die Wende miterlebt haben. Schonungslos, ehrlich, aufwühlend. Susanne hat alles selbst zusammengetragen, gestaltet und verlegt (Exemplare auf Anfrage). Jedes Buch hat ein individuelles, magnetisches (Wende-)Cover und beinhaltet jede Menge Herzblut. Und als wäre das nicht genug, hat Susanne auch koreanische Freunde, die mit der Teilung ihres Landes ähnliche Erfahrungen wie wir gemacht haben, zu ihren Geschichten befragt. All diese Erfahrungen stellt sie gegenüber und nebeneinander. So schön unser 5-Minuten-Format ist – für Susannes Buch war es zu kurz. Das Buch für alle, die sagen wie es ist und war.

Stillleben mit Lampen und Büchern
Nach den Vorträgen blieb viel Zeit, um die Bücher in Ruhe anzuschauen.
Jesse Simon shows the initial sign: “Betten-König”.
Das Publikum lauscht Martin Z. Schröder.
Die Intensität von Susanne Zippels Projekt geht unter die Haut.
Quizfrage zum Abschluss: Wie viele Bücher hat Ulrike Rausch geschrieben?

27.10.22: Type Walk mit Jesse Simon (Berlin Typography)

Nach dem Graffiti-Walk im August haben wir im Oktober ein weiteres Spaziergangshighlight für euch: Jesse Simon zeigt uns (typo-)grafische Streiflichter der Stadt, ober- und unterirdisch entlang der U-Bahnlinie 7. Jesse schreibt, lehrt und gestaltet. Er hat in Oxford Geschichte studiert und ist seit 2012 in Berlin unterwegs, meistens mit Kamera. Was er sieht, dokumentiert er in Büchern (Berlin Typography 2021, Plattenbau Berlin 2022) und Social Media Accounts (Berlin Typography, Berlin Texture, U-Bahn Berlin). Zum Spaziergang kombiniert er diese Kategorien und gibt euch einen Einblick in seine Sicht auf die Stadt.

Nach dem Type Walk kehren wir im Schleusenkrug am Zoo ein (dieser Biergarten hat übrigens passend zum Thema ein tolles Neon-Schild). Wir freuen uns, wenn viele von euch dazustoßen, auch wenn ihr nicht am Spaziergang teilnehmen könnt. Wie bei all unseren Stammtisch-Stammtischen: Bringt gern Skizzen oder Fundstücke, die ihr teilen möchtet, mit in den Biergarten! Es gibt immer etwas zu besprechen.

Bitte beachtet unbedingt auch unsere Hinweise in eigener Sache unten!

Spaziergang, begrenzte Plätze mit Anmeldung:
Treffpunkt um 15:00 Uhr am U-Bahnhof Fehrbelliner Platz. Wo genau, geben wir den Teilnehmenden bekannt. Bitte bringt Jesse einen Teilnahmebeitrag von 10€ möglichst passend mit. Der Spaziergang wird auf Englisch stattfinden. Bitte beachtet, dass ihr ein gültiges Tagesticket AB benötigt.

Type Walk in English, please register (limited attendance): We meet at U Fehrbelliner Platz at 3 p.m. Please bring a 10€ fee for the walk in cash. Also please make sure you have a valid day ticket AB. Afterwards, from 6:30 p.m., join us without registration for food, drinks and type discussions. Of course you can also come if you can’t attend the type walk. The Typostammtisch evening will take place at Schleusenkrug Biergarten near Zoologischer Garten. We’ll sit outside under a roof.

Stammtischabend ohne Anmeldung im Schleusenkrug Biergarten: ab 18:30 Uhr. Wir sind draußen unter dem Dach, dicke Jacken anziehen! Bei sehr schlechtem Wetter können wir auf drinnen wechseln.

Bis dahin,
Euer Typostammtisch-Team


Das Buchstabenmuseum hat nun eine Neon-Werkstatt! Man kann Touren mit Neon-Fokus buchen oder Workshops, um selbst Hand anzulegen. Vom 12.–16. Oktober fand das InScript Festival für experimentelle Schrift online statt. Der Ticketverkauf mit Zugang zu Videoaufzeichnungen ist leider geschlossen. Es gibt aber einen Newsletter, um die Veranstaltung im Auge zu behalten. Ebenfalls online, aber in der Zukunft, nämlich vom 27.–29. Oktober, finden die ATypI Tech Talks statt. Wer Weihnachtskarten selbst gestalten und zusätzlich etwas über Lettering lernen möchte, kann im November und Dezember Workshops in der Makery in Kreuzberg buchen. Wer eher in Richtung Letterpress gehen möchte: Auch in der p98a finden monatlich Workshops statt.

Einige Hinweise in eigener Sache:

Typostammtisch #99 im November wird ein Buch-Pecha-Kucha. Dafür brauchen wir euch, liebe Berliner Autorinnen und Autoren! Wer hat in den letzten 5 Jahren ein Buch geschrieben und/oder typografisch gestaltet und möchte das in einem 5-minütigen Vortrag vorstellen? Es sollte auf dem Markt sein, also bitte keine Entwürfe. Meldet euch: info@typostammtisch.berlin.

Typostammtisch #100 (ja, 100!!!) wird ein Quiz an einem ganz besonderen Ort. Bitte haltet also bei der Planung von Weihnachtsfeiern und Familientreffen nach Möglichkeit den 15. Dezember 2022 frei. Wir würden uns sehr freuen, viele Weggefährtinnen und ‑bereiter des Typostammtischs, sowie Stammgäste, Ratefüchse und Neubesucher·innen zu diesem Jubiläum begrüßen zu können.

A propos neu: Wir suchen zuverlässige Teammitglieder für die nächsten 100 Typostammtische* [m/w/d, wahlweise mit Logistik-, Schreib-, oder Organisationstalent, in jedem Fall mit einer großen Portion Typo-Enthusiasmus und Offenheit. Ob Studierende oder Profi, jede(r) kann etwas beitragen]. Meldet euch, gern persönlich oder über die oben genannte E-Mailadresse.

* Keine Angst, ihr müsst nicht 100 Ausgaben durchhalten; der geteilte Rekord liegt bei 50.


Das Titelbild ist eine Collage aus Jesse Simons Sammlung. Hint, hint: Dies sind Orte, die wir auf dem Spaziergang live erkunden werden. Es wird aber weit mehr als Helvetica zu sehen geben, versprochen! Die Titelzeile zeigt einen Schriftentwurf mit Arbeitstitel Diplomat von Alexander Rütten und Olivia Wood von Ligature_type.

Nachbericht 97. Typostammtisch: Eps51

Aus zwei geplanten Vorträgen wird an diesem Abend einer: Pia Christmann und Ann Richter von Studio Pandan müssen leider kurzfristig absagen. Schade und gute Besserung, wir finden bestimmt einen Nachholtermin.

Bevor es losgeht: Auf ein Kennenlern-Chili und Tannenzäpfle Bier mit Sascha Thoma und Ben Wittner von Eps51. Chili: lecker. Bier: schmeckt für Sascha als einem gebürtigen Schwarzwälder nach Heimat. Es gäbe aus dieser Gegend neben dem genannten noch Waldhaus Bier, das sei noch ein Stück besser, in Berlin aber schwer zu bekommen. Immerhin die zweitbeste Wahl im Getränkemarkt getroffen, puh.

Mit dem Thema Herkunft geht’s direkt weiter, als die Lichter ausgehen und der Beamer an: „Warum haben wir so ’nen doofen Namen?“ leitet Ben ein. Klar, denkt man, eps = encapsulated post script, nicht unbekannt in der Gestaltungsbranche. Die Zahl? Tja, nun.

 

Alles viel zu weit gedacht: „Wir haben uns in der Erbprinzenstraße 51 in Pforzheim kennengelernt.“ Ach so! Kontaktaufnahme mit den ca. 51 Anwesenden im Publikum: „War schon mal jemand in Pforzheim?“ Einige zaghafte Meldungen, dann große Einigkeit darüber, dass gerade eine Kleinstadt wie Pforzheim die Community nährt – besonders wenn man sich dort während des Studiums kennenlernt, wie die beiden Vortragenden. 

Irgendwann geht es für die meisten aber raus aus der Kleinstadt, hinein in die weite Welt. So auch für Ben und Sascha, die seit 2008 in Berlin sind. Ihr Designstudio Eps51 ist mittlerweile gewachsen und zählt heute 10 Mitarbeitende. Gemeinsam gestalten Sie vor allem für die Kulturbranche: Kunstraum Kreuzberg, Tanzfabrik Berlin, Kommunale Galerien Berlin, die Berliner Festspiele. Gerade bei letzteren zeigt sich der Gestaltungsansatz des Studios: Eine Schrift für jedes Festival; die Visuals entstehen assoziativ, teilweise zufällig. Ob Farbe und Olivenöl in einer Müslischüssel oder ab in den Baumarkt, um aus Beton Objekte zu bauen: „Funktioniert auch als Keyvisual“, so Ben. 

Farbe, Olivenöl, Müslischüssel für das Musikfest Berlin 2019. Foto: Eps51
„Ich hab im Studium schon davon geträumt, einer Kundin einen schwarzen Strich auf einem Poster zu verkaufen“, so Ben. Beim Jazzfest Berlin 2019 wurde der Traum dann wahr. Foto: Sonja Knecht

Man kann also behaupten, Eps51 seien stilprägend für die Berliner Plakatlandschaft. Moment, „Wir machen keine Plakate mehr“, sagt Ben und konkretisiert: „Wir sind zwar klassische Printdesigner, aber wir differenzieren nicht mehr zwischen Print und Digital. Alles bewegt sich für Social Media.“

Und so zeigen sie bewegte Gestaltung, die Genregrenzen und Schubladenwände zum Schmelzen bringt – ganz wie die Kunst, die hier repräsentiert wird.

Das ICC Berlin war so ein allumgreifendes Projekt. Unter dem Motto The Sun Machine is coming down belebten die Berliner Festspiele 2021 das legendäre ICC wieder und öffneten es 10 Tage lang für Kunst, Kultur und Architektur – mit 70es Vibe und zugleich Blick in die Zukunft. Eps51 gewannen den Gestaltungsjackpot und entwickelten Visual Identity, Printmedien, Social Media, 3D Animation, Trailer, Ausstellungsdesign und Wegeleitsystem in einem. Wow, da kommt die Sonnenmaschine auf Touren.

Foto: Sonja Knecht
„Unsere Neuerfindung“: Das ICC als utopisches 3D-Rendering. 

Als Berliner Typostammtisch finden wir Berlin selbstredend toll – es ist aber auch nicht die ganz weite Welt, muss man sagen. Sascha und Ben kommen zur Biennale nach Venedig, wo sie 2019 den arabischen Pavillon gestalteten. Bens Lehrsatz: „Das wichtigste auf einem Kunstfestival sind die Tote Bags. Der Pavillon, der den schönsten Jutebeutel hat, bekommt am meisten Aufmerksamkeit.“ 

Foto: Eps51

Spätestens mit diesem Projekt klingt die Liebe zur arabischen Typografie an. Ihre Anfänge nahm sie für Ben und Sascha in Kairo. Streifzüge durch die Stadt waren interessanter für die beiden als Kurse an der Austausch-Uni. So kamen sie ab 2004 immer wieder nach Kairo und entdeckten über die Jahre eine Stadt, in der auf Beschilderungen „selbst der kleine Elektrikerladen vom Youssef ‚Electricity‘ auf Englisch schreibt“, so Ben. 

Reklame für besagten Elektriker. Foto: Sonja Knecht

Take this, Schilderwald Deutschland! Foto: Sonja Knecht

Ein Paradies für multilinguale Typografie also – für Gemeinsamkeiten, Unterschiede, Missverständnis und Verständnis. Für Interpretation und Annäherung. Ein großes Thema, das Sascha und Ben auch in ihrem Buch Biscriptual beleuchten, 2018 erschienen im Schweizer Niggli Verlag. Hier geht es neben dem Zusammenwirken von Arabisch und Latin auch um interkulturelle Gestaltung mit Kyrillisch, Griechisch, Hangul, Devanagari, Japanisch und Chinesisch.

Eine Frage, die auch Schriftgestaltenden oft begegnet: Muss man die Sprache sprechen, um die Zeichen zu zeichnen bzw. anzuwenden? Sascha und Ben haben ihre ganz eigene These dazu: Sie selbst hätten keine Arabischkenntnisse, jedenfalls nicht über die folgenden vier Faktoren hinaus: Soziokulturelle Aspekte, Ästhetik, Sprache/Script, Technologie. „Be humble und informier dich über diese vier Bereiche, bevor du mit einem Script gestaltest, das nicht deine Muttersprache ist.“, so Ben. 

Welche Herangehensweisen und Tipps haben die beiden? Reisen! Lernen! Immer Muttersprachler·innen fragen, gern mit Designkompetenz. Den Schriftstil der jeweils zuerst dagewesenen Komponente nicht imitieren, sondern die Anatomie der scriptinternen Eigenarten beibehalten. Ben und Sascha zeigen viele Beispiele für Gestaltung mit mehreren Schriftsystemen – interessante, gekonnte, lustige, gruselige: zum Beispiel Latin mit verkehrten Kontrasten oder Arabisch, das den Duktus gebrochener Schrift imitiert.

Übertragung von scriptinternen, historisch gewachsenen Prinzipien funktioniert meist nicht.
Die arabische Adaption des Vodafone-Logos basiert offensichtlich auf dem vorhanden lateinischen e. Mittlerweile sei dieses Logo glücklicherweise überarbeitet, so Ben.
Gefundenes Fressen für interkulturelle Schriftfeldforschung in den Straßen Kairos.
Wie man die Leserichtung bewusst in die Gestaltung einbinden kann: In dieser Publikation entscheiden Leser·innen vor Gebrauch, welche Seite der Bindung aufgeschnitten wird.
Schriftwahl is key. Hier ein gelungenes Beispiel, in dem Latin und Arabisch eine unverkennbare, ästhetische Einheit bilden.
Auch hier eine gelungene Einheit, diesmal von Chinesisch und Latin.

Was heißt Harmonisierung, wenn man mit verschiedenen Schriftsystemen gestaltet? Muss alles immer gleich aussehen? Nicht unbedingt: Faktoren wie Ausgewogenheit, Leserichtung und -gewohnheit, Kontraste, Strichstärken, Textmenge spielen eine Rolle. Eine gemeinsame optische Klammer muss gefunden werden. Steht übrigens alles im Buch.

Abschließend, bevor eine angeregte Diskussion mit Stimmen aus dem Publikum startet, noch der durchaus nachklingende Satz: „Keine Angst haben, sonst macht man gar nichts.“

Darauf ein Schwarzwälder Bier. Vielen, vielen Dank an Sascha und Ben!

Nachgespräch moderiert von Lukas Horn. It’s all about intercultural understanding! Amen.
Interessiertes Publikum, zahlreich erschienen.
Ging ganz schön lang diesmal … Danke an alle Gäste und Helfer·innen! Stellvertretend hier winkend Zita Kayser, zu Besuch aus Wien. Foto: Sonja Knecht
Friedrich Althausen, Georg Seifert, Kai Sinzinger und Andreas Frohloff

25.08.2022: Street Type Walk & Biergarten

Wir laden euch, wie in jedem Jahr, herzlich zum Sommer-Schriftspaziergang ein! Dieses Mal beleuchten wir eine andere Seite der Stadt, und zwar die allgegenwärtigen bunten Buchstaben von der Straße: Graffiti. Denn Berlin ist immer noch die weltweite Hauptstadt des Graffiti und diese Subkultur inspiriert mehr denn je unsere Kultur.

Unsere Community, Lettering-Artists, Typografinnen und Schriftgestaltungsmenschen beziehen mehr und mehr Inspiration von der Straße. Wir möchten also in die Tiefe gehen und uns von Oliver Johannsen, Martin Gnadt und Crew erleuchten lassen, was eigentlich hinter diesen bunten Buchstaben steckt. Sie werden uns Wände zeigen, Geschichten und Techniken verraten und uns erklären, warum Graffiti und Schrift solch innige und wunderbare Beziehung pflegen.

Anschließend krönen wir den Abend, traditionsbewusst, mit Gesprächen und Kaltgetränken im schönen Prater-Biergarten.

Wann? Am Donnerstag, den 25. August um 18 Uhr, Schriftspaziergang ab 15 Uhr s.u.
Wo? Prater Biergarten, Kastanienallee 7–9, 10435 Berlin
U-Bahn: Linie U2 bis Eberswalder Straße
Tram: M1/M10/12 bis Eberswalder Straße

Kostenloser Schriftspaziergang ab 15 Uhr. Treffpunkt hierfür ist beim Mauerpark (vor dem Mauersegler, Bernauer Str. 63–64, 13355 Berlin). Die Guides freuen sich über einen freiwilligen Obolus.

Bis dahin, WIR FREUEN UNS AUF EUCH!
Euer Typostammtisch-Team


Der nächste TypeThursday findet am 11. August um 18:30 Uhr statt, diesmal bei LucasFonts und wie immer mit Vorträgen und anschließendem Pläuschchen. Oliver Johannsen führt uns nicht nur durch die Straßen Berlins, er organisiert auch das Hypergraphia Festival, das sich mit Graffiti und Schrift auseinandersetzt. Vom 12. bis 14. August wird es tolle Vorträge und Live-Action im Freiland am Potsdamer Hauptbahnhof geben. Das Syposium der Typografischen Gesellschaft Austria (tga) in Raabs findet vom 25. bis 28. August statt. Nicht nur das Programm wird toll sein, auch das Essen und die Location – auf jeden Fall ein Geheimtipp! Auf dem Weg nach Raabs bietet sich ein Zwischenstopp im Deutschen Museum in München an: Die neu eröffnete Dauerausstellung Bild Schrift Codes ist sicherlich sehenswert! Vom 17. bis 18. September gibt es im Prenzlauer Berg einen Lettering-Workshop, den ihr euch anschauen solltet: Sign Writing Weekend mit Liane Barker aus Australien, organisiert von Elena Albertoni (La Letteria). An dieser Stelle wollen wir auch noch einmal Florian Hardwig und Fritz Grögel erwähnen, die uns bisher mit ihren Schriftspaziergängen begeistert haben. Kudos und auf ein Neues!


Die Titelzeile ist in Myzel, der Abschlussschrift von Lukas Horn (also mir, dem Autor), gesetzt. Ich habe sie mehr aus Zeitgründen gewählt, als aus Eigennutz. Denn das ist mein erster Beitrag zum Typostammtisch (Juhu!). Die Schrift ist Teil meiner Abschlussarbeit vom TypeMedia-Studiengang. Das ist die milde Variante – es gibt auch eine wilde.

Das Titelbild habe ich ebenfalls beigesteuert beziehungsweise collagisiert (falls das ein Wort ist), da Oliver uns netterweise diesen Typostammtisch bereichert, aber zeitlich so eingebunden war, dass ich schnell Fotos von schönen Graffitis gemacht habe. Danke an die unbekannten KünstlerInnen, die ich hier miteinander verbunden habe (THE, Life, AMD, ZGM, Rozer, Toylets, RZK, 1UnitedPower usw.)!

Nachbericht 94. Typostammtisch: Ausstellung und Präsentationen „Mastering Type“

Scroll down for English survey of Saturday’s presentations (skipping our German Überblick).

Die traditionelle Type Masters Ausstellung findet diesmal nicht wie sonst im Januar, sondern mitten im Frühlingserwachen statt. Außerdem präsentieren wir nicht einen Jahrgang – es gibt Arbeiten der Abschlussjahrgänge 2020 und 2021 aus Reading & Den Haag zu sehen, sowie Projekte aus Prag, die 2022 erst abgeschlossen sein werden (dazu später mehr). Die Vorbereitungen für diese Ausstellung starteten dementsprechend schon 2020, als Sol die ersten Alumni anfragte, wir uns dann aber coronabedingt gegen eine Ausstellung im Folgejahr entschieden. Umso mehr freuen wir uns, dass am Samstag Graduierte aus allen ausgestellten Schulen und Jahrgängen zugegen sind, um uns etwas über ihre Abschlussprojekte zu erzählen. Doch der Reihe nach:

Léna Le Pommelet hilft beim Aufbau. Merci beaucoup, Léna.

Der Donnerstagnachmittag

Der Aufbau im Schnelldurchlauf: Schlüssellisten, Stühle, Tische, Kühlschrank, Getränke, Pappwände, Plakate, huch, eins fehlt. Danke Sol Matas und Suki Su (UdK) für die schnelle Druckhilfe! Dank auch an Léna Le Pommelet, Oleksandr Parkhomovskyy, Kai Sinzinger und alle anderen mit helfenden Händen; noch mehr Plakate, Vorhänge, Zeit vorbei. Denn: Direkt vor der Ausstellungseröffnung startet im selben Raum ein absolut sehenswertes Rahmenprogramm, organisiert von Roman Wilhelm und der UdK. Es gastierten Petra Dočekalová und Radek Sidun, die sich und ihre Buchprojekte vorstellen. Dank an Petra, Radek, Roman, das gesamte Team der UdK sowie die ca. 30 Interessierten im Publikum. Die anschließende Umbaupause zwischen den beiden Veranstaltungen ist zugegebenermaßen knapp bemessen aber hey – für Menschen, die sich mit Schrift beschäftigen, ist Geduld kein Fremdwort.

Petra Dočekalová und Radek Sidun (re) im Gespräch mit Roman Wilhelm. Im Hintergrund Ausstellungswände hinter Vorhängen – die Spannung steigt.
Radek und Petra heben die Bedeutung tschechischer Typografen und diakritischer Zeichen im Allgemeinen hervor und präsentieren tolle Bücher

Welcome back! 

Die Türen öffnen sich also mit Verspätung und siehe da: alles wie immer! Euphorisiert davon, was einem während der letzten beiden Jahre schleichend abhanden gekommen ist (persönlicher Austausch, unverhoffte Wiedersehen, Klassenfahrtstimmung, sowas), ein Toast auf uns alle: Welcome back, Typostammtisch!

Schön, euch zu sehen! Anja Meiners und Lukas Horn eröffnen die Ausstellung. Foto: Sonja Knecht
Besucher·innen vertieft in Arbeiten aus Den Haag 2020
Corona ist präsent: Lese-Plakat von Simon Thiefes, der sein Projekt am Samstag vorstellt
Specimens und Process Books dürfen auch diesmal nicht fehlen (hier von Oleksandr Parkhomovskyy). Foto: Sol Matas
Foto: Sonja Knecht
Hybride Veranstaltung: drinnen …
… und draußen
Danke fürs Schmeißen des Getränkeverkaufs über weite Strecken, liebe Ulrike Rausch (hier mit Patrick Marc Sommer)!

Der Freitagnachmittag und die Statistik

Nach dem Workshop der Kolleg·innen aus Prag am Freitag besuchen nur eine Handvoll Interessierte die Ausstellung. Ob wir das beim nächsten Mal genauso handhaben oder die Ausstellung lieber nur Donnerstag und Samstag öffnen …? Wo wir gerade dabei sind: Auch die offizielle Getränkestatistik von Luc(as) de Groot enthält wertvolle veranstaltungstechnische Erkenntnisse, die wir gern mit euch teilen. Spoiler: Mate ist out.

Der Samstagnachmittag / Saturday afternoon

Am Samstag erleben die rund 40 Anwesenden im Publikum abwechslungsreiche Alumni-Vorträge mit unterschiedlichen Schwerpunkten, präsentiert von als Typostammtischneumitglied und KABK-21-Alumnus multi-involviertem Lukas Horn. Aber lest selbst …

Lukas Horn hat sieben Vorträge anzusagen, inklusive seines eigenen.
Interessiertes Publikum vor bunter Zickzackkulisse
Simon, Sophia, Oleksandr, Léna, Jan, Ilya and Lukas. Thanks for sharing your insights! (Photo: Sol Matas)

Alumni Line-Up:

Ilya Bazhanov shows the result of his deep archive research on the history of Russian emigrants. He digitised interesting typographical findings and combined them in his typeface Emigrant, which comprises Cyrillic and Latin. According to Ilya, Emigrant is a “mix of shape, weights, structure and style”, mirroring diverse social backgrounds of Russian emigrants. Ilya will finish his project later this year at UMPRUM. All the best, Ilya!

Ilya presenting his graduate project
Diverse inspiration from the archives
Many typefaces become one

Presenting his project Gabion, Jan Šindler tells us that for him, studying was not primarily about the typeface (result), but about the process towards it. He put focus on experimenting, learning and is now suprised that “after all, I have a typeface that I would have never thought of drawing”. Being “kind of exhausted from the studies”, he “asked other people to use [the typeface]”. Let’s take this as an appeal: Go on people, use Gabion!

First sketches and experiments
Hello, I am an a
Gabion in use for an open air cinema festival

Léna Le Pommelet’s typeface Furya combines mechanical style car typography of the 50es to 70es with relaxed and dynamic script resources. Furya is provided with a combining “speedometer” axis that connects weight, width, contrast and slant from -45° to 45°. “I was entering the world of optical illusion”, she says explaining the optical effect of a passing car. To her, “the application of the typeface was really important. Put it on object!” So, amongst other use cases, she shows her typeface applied on a bike wheel to emphazise the neverending effect that her speedometer axis is creating.

Inspiration: Dynamic script and car typography
Léna tells the public about the speedometer axis
Speedometer axis closeup
Optical illusion with Furya

Lukas Horn lets us dive into the world of magic mushrooms. His playful and organic typeface Myzel grows up and down like mushrooms existing above and below the ground. Exploring possibilities of CSS-driven animations, Lukas states: “I learned a lot”. In fact, that’s what all the alumni are highlighting during their talks. The applause for Lukas lasts extra long – on the one hand due to the well-made project, on the other hand because he demonstrates that the public can influence the typeface’s behaviour on screen through making noise.

Up and down – Myzel combines nature and technology
Lukas shows browser testing
You better only eat one of them

Oleksandr Parkhomovskyy describes the process behind his typeface Erebus with very honest and entertaining insights: “Automatically, it lead to nothing“, he states or: “At some point, I realized that I didn’t really enjoy it.” Thank you, Oleksandr (called Alex): Trials and tribulations are such an important part of studying and creating typefaces. The result of Alex’ work, however, is a wide design space of Sans/Serif/Slab/Display/Text/Italic/Shatter perfectly fitting into the applications he shows us: book covers, film posters, trailers – and whiskey brands. 

Superheroes. The Author unfortunately forgot what it was all about with them in the presentation 🙂
Trying an Erebus variant with upright capitals and Italic text
Alex explains: Your favourite Western should be typeset fine in your own typeface. So get that lowercase l a curl!

“I am here to take you on a visual time journey with Chunky.” During Simon Thiefe’s dense and dynamic presentation, we meet Pablo Picasso at Fonts in Use, receive a letter by Kurt Schwitters containing design critique and we get to see a piece of art that actually is not art (signed as #1/∞). But of course, Simon also tells us about his typeface, comprising independent weight axes of Hebrew and Latin to optimize multilingual layouts with variable fonts. He also touches how Covid influenced the year of studying (find a diary at iso-type.com). “What would dadaists say about chunky?” – Well, we don’t know. “Anyways, back to the future”.

Your daily dose of Dada
Chunky design space …
… and some sort of industry design scpae 🙂

While speaking four languages herself (all written in Latin-based scripts), Sophia Tai was keen on also exploring a personally unknown script in her graduate project Flyst. After attending numerous script workshops at Reading (Arabic, Chinese, Devanagari), she decided to go for Tamil. In a short introduction, we learn that Tamil is a lively shaped unicase script. Since Sophia opens up a Serif/Flared design space, it was difficult for her to mimic stroke contrast in Tamil. Being thankful for feedback and help during a lot of zoom conferences with nice people, she’s proud: “I made my first text typeface”.

Flyst design space (photo: Sol Matas)
Tamil printout and annotations
Sophia shows how smart components help designing Tamil in Glyphsapp

Explaining her user name “sophiatypelove” at the end of her presentation, she states: “I am Sophia and I love type” …

… In fact, that’s what all the attendees in the room and visitors during the last days share: Loving diversity in type, loving research and progress, loving Béziers and CSS, loving axes and contrasts. All the best for you! Thank you for sharing and joining us on all those wonderful journeys in type.

Kai Sinzinger und Luc(as) de Groot beim Abbau. Vielen Dank für die Unterstützung!
Jens Kutílek mit Kind und Pilzebuch von Lukas Horn

Traditionell beenden wir den Nachbericht mit der nächsten Generation; hier Nachwuchs von Jens Kutílek, das Pilz-Specimen von Lukas Horn begutachtend. Oder wie Simon Thiefes es formulieren würde: “Anyways, back to the future.”

Nachbericht 88. Typostammtisch: Blei ist unsere Sonne

Besuch aus Dresden auf Zwischenstopp: Für Heike Schnotale und Max Lotze von der Offizin Haag-Drugulin folgt auf diesen Typostammtisch der wohlverdiente Urlaub
– Max verbringt ihn mit Familie und Heike fährt weiter nach Hamburg, um unter anderem das Museum für Arbeit zu besuchen. Da ist so ein Stammtischabend doch ein guter Startschuss.

Die ungefähr 50 Gäste nehmen erwartungsvoll Platz, eint doch alle das Interesse an Bleisatz und die Neugier auf die beiden Mitarbeiter der altehrwürdigen Druckerei in Dresden. Heike und Max spielen anhand eines fiktiven Auftrags alle Arbeitsbereiche durch und spicken ihre Erzählung mit Anekdoten und Details. So können selbst die Spezialisten unter unseren Gästen etwas Neues lernen, nicht zuletzt zahlreiche Fachbegriffe. Oder ist das „Hobeln“, sind „Spießer“ und „blutige Füße“ im Druckkontext jedem außer der Autorin geläufig? Zu den Auflösungen* später…

Heike, studierte Gestalterin und Fotografin mit Hang zum Manuellen, ist Azubi in der OHD. Max, gelernter Mediengestalter und Assistent für Wirtschaftsinformatik, ist dort seit rund 10 Jahren an den Gießmaschinen tätig. Beide versprühen auf sympathische Weise Leidenschaft für ihr Handwerk; sie wollen begeistern für ein aussterbendes Berufsbild („den Bleisatz als kulturelles Erbe erhalten“) und kokettieren gelegentlich mit dieser besonderen Rolle:

„Bleisatz als pädagogisches Hilfsmittel für mehr Vorausplanung
– man kann eben nicht kurz vorher nochmal die Schriftart ändern, wie in InDesign.“

„Bei uns wird noch traditionell gedruckt: Die Farbe küsst das Papier, ohne Prägung.“ 

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Nachbericht 82. Typostammtisch: TypeCrit

Viele Gäste an diesem Abend kommen sehr früh, stellt man beim Blick auf die Uhr überrascht fest. Es ist kurz vor 19 Uhr und der Raum wird schon seit einiger Zeit immer voller. Das mag von großem Interesse, günstiger Wegeplanung nach Feierabend oder auch von einem Hauch deutscher Handtuchmentalität zeugen (die Plätze im Max & Moritz sind ja bekanntlich begrenzt)…

Aber alles der Reihe nach. Zunächst: die Location! Wir befinden uns am einstigen Typostammtischstammstandort. Einige Besucher fühlen sich direkt heimisch, andere sind zum ersten Mal da. Des Weiteren interessant: die Mischung! Jung und Alt, Profi und Studentin, Fachfremde und Typenerd – ein bunt zusammengewürfelter Haufen. Ungefähr 60 Menschen sind da und freuen sich auf das Thema des Abends: TypeCrit.

Begrüßung und Vorstellung

Keine Crit ohne Critics. Nach einer kurzen Begrüßung stellen sich der Reihe nach vor: Verena Gerlach, Typostammtischstammgast und sowohl ehemalige Studentin als auch Dozentin in Weißensee, hat nach eigener Aussage mehr Lust auf spannende, modulare Entwürfe als auf geometrische Sans. Ralph du Carrois, seines Zeichens Spezialist für eben diese geometrischen Sans: „je langweiliger, desto besser“, wie er es augenzwinkernd formuliert. Es folgen Martina Flor, bekannte und geschätzte Lettering-Expertin und Buchautorin, sowie Sol Matas, sonnige Typostammtischmitorganisatorin, die lange in Buenos Aires unterrichtet hat und an diesem Abend schon auf dem Sprung zum nächsten Typostammtisch in Mumbai ist. Martin Huber und Jürgen Wenzel von Supertype stellen sich kurzweilig vor und haben reichlich Belohnung in Form von Süßigkeiten dabei. Den Abschluss macht Luc(as) de Groot, Typostammtisch- und Schriftgestaltungsinstanz mit Lehrauftrag an der FH Potsdam und vorher in Weißensee (wo er Verena Gerlach beibrachte, wie man Entwürfe konstruktiv kritisiert, wie sie anmerkt). Continue reading „Nachbericht 82. Typostammtisch: TypeCrit“

Nachbericht 79. Typostammtisch: 1E9E, ein Jahr danach

Am 25.10. trafen sich Π(π)×Daumen 100 Buchstabenbegeisterte – nicht nur Typografen und Schriftgestalter, sondern auch Linguistinnen, Lehrer, Studentinnen und Herausgeber – an unserem bevorzugten Veranstaltungsort in Schöneberg zum Thema 1E9E: die Versalform des scharfen S.

Die Atmosphäre macht Vorfreude auf das Programm; bereits die Wegweiser durch den Hof kündigen von Begeisterung für das Thema. Drinnen angekommen, ist auf Ausstellungswänden das Wort „STRAẞE“ in 270 unterschiedlichen Schriften gesetzt. Auf den Tischen liegen Kekse in Versaleszettform.

Bereits die Wegweiser kündigen von Begeisterung für das Thema. / Quelle: sofern nicht anders genannt, stammen alle Bilder von Nadya Kuzmina. Vielen Dank!
Benedikt und Dan treffen letzte Vorbereitungen zur Ausstellung.
Thematisches Gebäck von Jens und Dan. Danke noch mal!

Nach einem warmen Willkommen und beseelter Einleitung von unserer Sonja spricht als erste Nadine Roßa, bekannt durch Design made in Germany und ihre Sketchnotes. Bedingt durch ihren Nachnamen ist Nadine persönlich betroffen. Bereits in ihrer Diplomarbeit beschäftigte sie sich umfassend mit dem Buchstaben ß. Entstanden ist ein Buch namens Eine scharfe Type – ein Erklärbuch zum Thema, das bereits Skizzen zur Versalform beinhaltet. Ihr zweites Buch dazu, Viele scharfe Worte, enthält alle deutschen Wörter mit scharfem S.

In ihrem Vortrag weiß Nadine von ß-Pannen in offiziellen Dokumenten zu erzählen, wo Namen oft in Versalien geschrieben werden. Auf die vermeintliche Frage „Wer braucht ein Versaleszett?“ hin kann sie also nur feststellen: „Ich brauche das!“ Weiterhin moniert sie, dass das Versaleszett zwar seit 10 Jahren offiziell sei, die Verwendung sich aber bis heute nicht gerade unkompliziert gestalte – so könne man das Zeichen auf Twitter zwar eingegeben, es werde aber auf dem Mac nicht angezeigt. („Danke, Apple!“, wie Lucas de Groot konstatiert.) Nadine zeigt uns viele kreative Lösungen zur Umschiffung dieses Problems, zum Beispiel ein B mit Unterlänge oder die Verwendung des Kleinbuchstabens ß zwischen Versalien.

Ein EXTRAWICHTIGER Buchstabe

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25.10.2018: 1E9E, ein Jahr danach

Manche sagen „scharfes S“ und „großes scharfes S“, andere sprechen vom „großen Eszett“, vom „Großbuchstaben Eszett“ oder vom „Versaleszett“, auf Englisch heißt es meist „German (capital) sharp S“ oder, mehrfach missverständlich, „German double-S“; wieder andere äußern sich allenfalls kodiert-distanziert-professionell-neutralisierend mittels Unicode: „1E9E“.

Seit dem 29. Juni 2017 ist es amtlich. Ein Jahr und gut drei Monate sind vergangen, seit der meistdiskutierte Buchstabe der westlichen Hemisphäre legitimiert und ins Regelwerk der deutschen Sprache aufgenommen wurde – neun Jahre nach der Unicode-Verankerung übrigens (1E9E gibt es seit dem 4. April 2008). Für manche ein typografischer Paukenschlag und Durchbruch für die deutsche Sprache sondergleichen, für andere völlig überflüssig (Schweizvergleich) oder gar ein Ärgernis. Für uns schlicht Tatsache und Anlass zur Bestandsaufnahme: Wie sieht das große scharfe S denn jetzt aus? Wie macht es sich in der Anwendung? Welche Form setzt sich durch? Wie erging und wie geht es denen, die seine Einführung begleitet oder aus beruflichen und persönlichen Gründen besonders mitgefiebert haben? Und wer arbeitet aktuell daran? Wer hat mit dem Großbuchstaben Eszett seit Tag eins seiner Einführung ganz praktisch zu tun?

Wir freuen uns auf Kurzvorträge und Gespräche von und mit Dudenredakteurin Melanie Kunkel, zusammen mit Ursula Fürst, Leiterin Herstellung beim Duden, und auf unsere Kollegin Nadine Roßa (Design made in Germany, Sketchnote Love) mit ihren Erfahrungen als namentlich Betroffene; Luc(as) de Groot wird Gestaltungsvarianten zu einer kleinen Ausstellung verdichten und uns einen Überblick zur Entwicklung geben. Als Einstimmung empfehlen wir Christoph Koeberlins Artikel Das große Eszett auf Typefacts sowie einen vorsichtigen Blick in die Feuilletons, exemplarisch etwa die FAZ (die abgründig hässliche Kopfzeile mag als Symbol zeitgenössischer Wirrwarrität und Alleingänge dienen): Ein Buchstabe mit Integrationsproblemen. Sehr erhellend finden wir Ralf Herrmanns Berichte auf Typografie.info, etwa Warum man ein großes Eszett benötigt (Oktober 2010) und DAS ESZETT KOMMT ENDLICH GROẞ HERAUS: PDF und Download, reich bebildert, erschienen 2011 in der gedruckten Ausgabe TypoJournal 3 – Wandel, darin auch Nadine Roßas Beitrag zu ihrem Buch Das Eszett, eine scharfe Type. In diesem Sinne: auf einen spannenden Abend!

Wann? Am Donnerstag, den 25. Oktober 2018 um 19 Uhr
Wo? Bei LucasFonts, Eisenacher Straße 56, 10823 Berlin-Schöneberg

U-Bahn: Linie U7 bis Eisenacher Straße
S-Bahn: Linie S1 bis Julius-Leber-Brücke oder S1, S41, S42, S45, S46 bis S-Bahnhof Schöneberg
Bus: M48, M85, 104, 187, N42 bis Albertstraße

Herzlich grüßt
euer Typostammtisch-Team


In eigener Sache: Wir suchen Nachwuchs. Das Typostammtisch-Berlin-Team braucht Verstärkung. Wer packt mit an, wer hat Lust, unsere Veranstaltungen mitzuorganisieren? Das reicht vom Planen und Ideen spinnen, Sprecher kontaktieren, Technik und Ausstellungsaufbau, Einlass machen und Gaste zählen bis zum Getränke schleppen, aufräumen, Boden wischen und Nachbericht schreiben (kann man alles lernen). Einziges Kriterium: Du bist nach dem 1. Februar 1989 geboren und damit jünger als unser aktuell jüngstes Teammitglied. Bitte melde dich per E-Mail an und schreib uns ganz kurz, wer du bist, ab wann du Zeit hast und warum du mitmachen möchtest. Wir freuen uns!


Tipps, Tipps, Tipps! Sina Otto übernimmt zusammen mit Ute Klemm die nächste Schreibsession von Petra Rüth, das kostenlose Treffen für alle Schönschriftfans: Donnerstag, den 18. Oktober um 19 Uhr. Am 2. November eröffnet das Amsterdamer Grafikkollektiv Experimental Jetset in Zusammenarbeit mit dem US-amerikanischen Autor und Musiker Ian Svenonius die Ausstellung Alphabet Reform Committee an der Volksbühne; es geht um „die Stadt als poetische Plattform für Kommunikation“. Susanne Zippel von Mittelpunkt•Zhongdian lädt zusammen mit Norbert Gabrysch von wirDesign zu einem Abend mit Grafiklegende und Designdenker Olaf Leu, der als typografischer Gestalter in der Bauerschen Gießerei begann: am 8. November ab 19 Uhr in kleiner kulinarischer Runde („ab 19:30 wird geplaudert“) bei wirDesign in der Gotzkowskystraße 21/21 in 10555 Berlin. Susanne bittet um Anmeldung bis zum 31. Oktober per E-Mail oder unter 0163 67 68 68 9.


Die Titelzeile wurde in der Gig von Franziska Weitgruber gesetzt. Das Titelbild stammt aus der Florian Hardwig’schen Sammlung (Imbissschild, Berlin-Friedrichshain).