
Der Frühling trägt die Leute raus – sei es nach Kopenhagen, wo sich viele aus der Typostammtischcommunity von der zeitgleich stattfindenden ATypI inspirieren lassen – oder, nur ein paar S-Bahnstationen entfernt, nach Potsdam, wo es nicht minder spannende Schriftinhalte zu sehen und zu hören gibt. Auch viele Potsdamer·innen nutzen das nahe Gastspiel; glücklich, dass der Weg für sie ausnahmsweise mal kürzer ist.
Der Typostammtisch ist zu Gast am Fachbereich Design der FH Potsdam. Dort wird an diesem Abend die Ausstellung Further Reading eröffnet, die Studierende unter der Leitung von Prof. Christina Poth und Prof. Susanne Stahl konzipiert haben. Dazu später mehr. Zunächst einmal ganz herzlichen Dank, dass wir kommen durften!



Als Einstieg in die Tandem-Veranstaltung gibt es einen Typostammtisch-Vortrag von bekannten Gesichtern: Oliver Johannsen und Martin Gnadt. Die beiden haben schon einmal einen tollen Graffiti-Spaziergang rund um den Mauerpark für den Typostammtisch organisiert. Oli präsentierte außerdem gemeinsam mit Reinhard Deutschmann in unserem Bücherkurzvorstellungsformat das Magazin „Hypergraphie“.
Heute treten Martin und Oli als Teil eines Potsdamer Kollektivs auf: Seit 2020 organisieren sie das Hypergraphia-Festival auf dem Freiland-Gelände in der Nähe des Hauptbahnhofs. Und ja, richtig vermutet, das hängt mit dem erwähnten Magazin zusammen.

Die beiden stellen sich vor (FH Potsdam-Absolvent Oli, Dozent-Student Martin) und stellen auch gleich klar, dass „Hypergraphia“ nicht Englisch, sondern Deutsch [hyːpɐˈɡʁafia] ausgesprochen wird. Sorry, offensichtlich sind wir seit Scooter so sehr an die englische Aussprache von „Hyper (Hyper)“ gewöhnt. Nächste Korrektur: Es geht nicht um Street-Art, sondern um Urban-Art – ein umfassenderer, wertschätzenderer Begriff, den wir gern ab sofort benutzen. Außerdem erfahren wir, was es mit dem Namen des Festivals auf sich hat. Dieser leitet sich nämlich von „Hypergrafie“ ab, einem manischen Schreibzwang. Zunächst gab es das gleichnamige Magazin, aus dem ein Schriftprojekt entstand, und im Folgenden ein ganzes Festival – Hypergraphia, das diverseste Graffiti-Festival Europas!


Martin und Oli geben einen Überblick, was sich seit ihrem Einstieg 2020 in Sachen Hypergraphia-Festival getan hat. Wir sehen Fotos aus den vergangenen Jahren, die sofort Lust auf Sommer und Schreiben machen. Außerdem erfahren wir etwas über das Freiland-Gelände, das dank unterschriebenem Erbpachtrechtvertrag für die nächsten 66 Jahre sicher betrieben werden kann. Keine schlechte Grundlage in diesen Zeiten!

Die beiden nehmen uns mit in die Entstehung der jährlich wechselnden Corporate Designs des Festivals. Alle arbeiten mit der selben Schrift, einer schablonierte Interpretation der DIN 1451 (einst Normschrift für Verkehr und Logistik) in unterschiedlichsten Facetten, Defragmentierungen und gestalterischen Schwerpunkten. Außerdem erfahren wir von Battle-Disziplinen (Taggen, Throw Up, Bierkasten, 2m Abstand zur Wand, so hässlich wie möglich, malen per Overhead-Projektor-Projektion auf Häuserwände), der Broken-Windows-Theorie (kritisch zu betrachten!) und der Buchempfehlung Calligrafitti von Nils „Shoe“ Meulmann.







Nachdem das Festival und die Organisator·innen 2024 pausierten, geht es 2025 mit neuem Team vom 12. – 14.09.2025 auf dem Potsdamer Freiland-Gelände weiter (Updates am besten hier). Leidenschaftlich rufen Martin und Olli dazu auf, das Event zu unterstützen, sei es mit Geld- oder Sachspenden (Siebdruck-, Schalungsplatten oder anderes geeignetes Material), oder personeller Unterstützung (Licht, Musik, Planung). Ein großer Fokus wird dieses Jahr darauf liegen, noch mehr FLINTA*-Personen eine Bühne zu geben. Unterstützung und Teilnahme wärmstens zu empfehlen!
Spendenkampagne: Graffitiwände erneuern
Spendenkampagne: Freiland-Gelände unterstützen
Mitmachen/Sachspenden: gern per Mail melden!
Für den zweiten Teil des Abends verlassen wir das Fotostudio – Getränke sind dort schließlich verboten – und hören gespannt den Professorinnen Christina Poth und Susanne Stahl im Foyer zu: Sie stellen die Ergebnisse des Hauptprojekts Further Reading vor. Es geht um Sprache als mächtiges Tool zur Inklusion, um die Grenzen zwischen Leserlichkeit und Unleserlichkeit, um einfache und gendergerechte Sprache. Die Ergebnisse, die wir anschließend in der Ausstellung besichtigen können, erkunden das Thema auf sehr breite Art und Weise und laden durch verschiedene Perspektiven ein, sich mit in- und exkludierenden Elementen von Texten auseinanderzusetzen.





Die Ausstellung ist noch zu sehen bis zum 09.05.2025. Die zweite Potsdam-Empfehlung dieses Nachberichts!
Einfach mal raus, den Kopf lüften, sei es in Berlin, Potsdam oder Kopenhagen. Einen schönen Frühling wünschen wir.