Wir holen im Februar endlich unseren Abend mit Studio Pandan nach! Gründerinnen Pia Christmann und Ann Richter geben uns Einblicke in ihre Arbeit und ihren Zugang zur Typografie.
Und für alle, die zu unserem letzten Event, dem Typostammtisch #100, nicht dabei sein konnten, gibt es hier den Nachbericht.
Wann? Donnerstag, 23. Februar 2023, 19 Uhr Wo? Eisenacher Straße 56, im Studio von LucasFonts, 2. Hinterhof, 10823 Berlin-Schöneberg
Bis dahin, euer Typostammtisch-Team
Am 16.2. um 19 Uhr wird der Vortrag Counter Session #4, Cyberfeminism Index with Mindy Seu in der Galerie A-Z presents gehalten. Parallel dazu – selber Abend, selbe Zeit – wird es Vorträge von Yana Vekshyna und Benn Zorn bei TypeThursday geben (Anmeldung erforderlich, Ort ist LucasFonts). Am 23.2. findet die Lesung Gestaltung ist Haltung – Vom Aussen und Innen der Bücher in der StaBi statt (um Anmeldung wird gebeten). In Potsdam gibt es gleich zwei Ausstellungen von der Künstlerin Ruth Wolf-Rehfeldt zu entdecken. Ihre Schreibmaschinenkunst wird vom 11.2. bis 5.5. im MINSK und ihre Mailart bis zum 16.4. im Kunstraum (c/o Waschraum) ausgestellt. Bis zum 30.4. bespielt Monica Bonvicini die Neue Nationalgalerie mit ihrer Kunst, teilweise auch mit räumlichen Schriftinstallationen. Bis zum 14.5. gibt es in der Ausstellung Broken Music Vol. 2 im Hamburger Bahnhof viele Plattencover zu sehen, die neben dem Grafikdesign auch mit interessanter typografischer Ausstellungsgestaltung begeistern.
Die Titelzeile ist in einer unbenannten Antiqua von Trifon Andreev gesetzt.
Ein sportliches Vortragsformat erfordert einen sportlichen Nachbericht: Foto Mensch(en) und Werk(e), kurzer Text, nächste(r) bitte! Alphabetische Reihenfolge. Bereit?
Till Wiedeck, François Elain: Auf Wasser gebaut
Till Wiedeck bringt die alphabetische Reihenfolge gleich zu Beginn ins Wanken, ist er doch auf Abruf, früher wegzumüssen. Der Wecker ist gestellt – 5 Minuten ab jetzt! Till zeigt das Buch „Auf Wasser gebaut“ über den deutschen Pavillion der Biennale Venedig (2009–2022) und spricht in English. “For all you typo nerds” he shows us a typeface designatedly designed for the book by François Elain at Till’s studio HelloMe and a really nice cover with inverted silver and white paper effect. Nice if you are into art books and catalogues.
Jenna Gesse: Königswege zum Unglück
Als nächstes kommt Jenna Gesse nach vorn, im Gepäck ihr strahlend gelbes Büchlein, das „Königswege zum Unglück“ aufzeigt, Strategien also, die wir lieber kennen sollten, um sie wahlweise zu bekämpfen oder wegzulächeln. Ein Beispiel? „Seine Vergangenheit nutzen, um die Gegenwart zu zerstören“. Jenna hat all diese Kurzsätze von Frank Berzbach auf einer alten Schreibmaschine getippt („weil ich wollte, dass man es sieht, wenn ich mit Kraft in die Tasten haue“). Die entstandenden Wortbilder geben dem Text weitere Ebenen. Für alle, die sich gern reflektieren oder noch „etwas Kleines“ verschenken möchten.
Oliver Johannsen, Reinhard Deutschmann: Hypergraphie
Nach dem Intermezzo mit der Schreibmaschine kommen Oliver Johannsen und Reinhard Deutschmann (ja, Künstlername!) vom Kollektiv Hypergraphie nach vorn. Hypergraphie ist ein manischer Zustand, bei dem Betroffene eine „zwanghaften Schreibwut“ auf allen Flächen erleben. Nicht ganz von der Hand zu weisen für ein Künster·innenkollektiv, das hauptsächlich Graffitti praktiziert. Einmal im Jahr sei „Tag der Abrechnung“: Alle Mitglieder zeigen schonungslos alle Arbeiten aus einem Jahr. Das Kollektiv diskutiert und sammelt den besten Content im hier präsentierten Magazin, inkl. lyrischen Sternstunden wie „Ode an den Backjump“. Zu erwähnen ist die DIN 1451, einstmals Normschrift für Verkehr und Logistik, die dem Katalog in mehrfach analog-digital-schablonierter Aufarbeitung als Headline-Schrift innewohnt (auch zu sehen auf der Webseite). Für alle, die sich für kollektiven Ungehorsam begeistern.
Frank Ortmann: Schreibenlernen mit der Hand bildet Formsinn und Verstand
Mit dem Schreiben kennt sich auch Frank Ortmann aus, der originale Schreibvorlagen zur Schulausgangsschrift (SAS) von und mit Renate Tost gesammelt, nachgezeichnet und in Buchform verewigt hat – einfach „weil es mich angekotzt hat“, dass die SAS als Auslaufmodell angesehen und immer gefragt wird: „Können wir die nicht weglassen?“ Nein, im Gegenteil, denn es gab noch keine Abhandlung über die SAS. Diese Lücke haben die beiden nun mit dem durchaus süffisanten Titel „Schreibenlernen mit der Hand bildet Formsinn und Verstand“ geschlossen. Für alle, die mal wieder zu den Ursprüngen zurückwollen.
Yulia Popova: How many female type designers do you know?
Yulia Popova is very glad to present her book “How many female type designers do you know?“ at Typostammtisch in particular because according to her, the project started at a Typostammtisch a few years ago. In her book, she portrays women in the industry, placing biographies at the beginning of the book because „they are important“. The project started as a graduation project and was extended by a large research part on early female type designers. Highly recommended and also part of our Typostammquiz Gabentisch in December. Thanks, Yulia!
Ulrike Rausch: Making Fonts!
Die alphabetische Reihenfolge bringt mitunter schöne Cluster hervor: Als nächstes zeigt uns Ulrike Rausch (definitely a female type designer we know) die Bücher „Making Fonts“ und „Designing Fonts“, die sie gemeinsam mit Chris Campe geschrieben hat. Wem der Unterschied zwischen beiden Titeln spontan nicht klar ist: es gibt leider viele. Eigentlich sollte „Designing Type“ lediglich die englische Version von „Making Fonts“ sein, am Ende sieht es aber aus wie ein anderes Buch. Nach fünf Minuten Blättern unter der Kamera und kurzweiligen Insights zu Verlagsentscheidungen steht fest: das Buch für alle, die digitale Schriften machen oder machen wollen.
Martin Z. Schröder: Essayreihe
„Was kann man da machen, mein Buch ist so hässlich?“ Fragen wie diese hört Martin Z. Schröder öfter. Üblicherweise rät er: „Nichts. Wechseln Sie den Verlag!“ – wieder so eine Überleitungsperle der alphabetischen Abfolge, vielleicht aber auch schriftgestaltungsimmanentes zwanghaftes Herstellen von Parallelen in einer diversen Menge. Bitte um Nachsicht. Zurück zu Martin Z. Schröder, dessen besagter Ratschlag der Anfang einer bisher 12-jährigen Zusammenarbeit an der Essayreihe des Verlags Zu Klampen war. Ziel der Neugestaltung der Serie (in Abgrenzung zu „diesen ewigen Ölgemälden“): rein typografische, zeitlose Titel, „kein Brimborium“. Durchdachte Gestaltung und durchdachter Inhalt. Für alle, die gern im Bett lesen (die Fußstege sind nämlich extra breit für die Daumen).
Jesse Simon: Berlin Typography
Next one up: Jesse Simon (our host of October’s type walk). Welcome back! Jesse shows his book “Berlin Typography” and explains that this project started in 2016 by spotting the “Betten-König” sign in Lichtenrade. Afterwards, he headed over to documenting the city rigously. “And by ‘rigously’, I mean walking every street (multiple times)”, Jesse explains. Somehow, his efforts are “a race against time” because a lot of signs are disappearing, unless buildings are protected by Denkmalschutz which means that the signs will stay as well. We are happy to have a copy of “Berlin Typography” on the Gabentisch. Thanks, Jesse!
Patrick Marc Sommer: Das ABC der Typografie
Patrick Marc Sommer zeigt uns das Buch „Das ABC der Typografie“, das er gemeinsam mit Natalie Gaspar geschrieben hat. Entstanden ist das Projekt zu Beginn der Corona-Zeit, dementsprechend gäbe es „abwischbares Papier“. „Wir wollten ein kleines Buch machen, aber es sind dann doch 400 Seiten geworden“, so Patrick weiter. Das Werk ist sehr nah an In Design und gibt praktische Hinweise zu vielen, vielen alltäglichen Themenbereichen der Gestaltung mit Schrift. Hinsichtlich der bald erscheinenden 2. Auflage ruft er zu Verbesserungs- bzw. Ergänzungsvorschlägen auf. Laut Selbsteinschätzung „für Studierende und Berufseinsteiger·innen“.
Felix Walser: Ruth Wolf-Rehfeldt
„Vor 5 Jahren war ich schon mal beim Typostammtisch und habe etwas vorgestellt.“, sagt Felix Walser, der uns den Katalog zur tollen Ruth Wolf-Rehfeld Ausstellung im Berliner Kupferstichkabinett mitbringt. Er erzählt, ähnlich wie Jenna Gesse, von den technischen Limitationen, die das Medium Schreibmaschine mit sich bringt und es gerade deshalb, gerade heute so interessant machen. Es sei nicht so einfach, den Typewritings von Wolf-Rehfeld im Katalog „gestalterisch etwas entgegenzusetzen“, so Felix. Da die Texte jedoch „einen Monat zu spät kamen, hatten wir Zeit“. Am Ende fand doch noch die eigens für das Projekt digitalisierte Variante einer alten DDR-Schreibmaschinenschrift ihren Platz im Buch. Für Ausstellungsbesucher·innen und Schreibende.
Stefanie Weigele: Spitzfederkalligrafie
Als nächstes begegnen wir der beeindruckenden Schreibkunst von Stefanie Weigele, die ein Kompendium zur „Spitzfederkalligrafie“ geschrieben hat. Es bietet umfassende Informationen zu Ursprüngen (klassische englische Schreibschrift), Werkzeugen, Übungen, Körperhaltung, Verzierungen, und und und, was uns Stefanie mit der ihr innewohnenden, mitreißenden Begeisterung für das Thema vorträgt. Für alle, die sich für 2023 etwas vorgenommen haben – und zu gewinnen beim Dezemberquiz. Danke, Stefanie!
Sascha Thoma, Ben Wittner: Bi-Scriptual
Ben Wittner und Sascha Thoma leiten mit ihrem Buch „Bi-Scriptual“ den letzten Teil der Buchvorstellungen ein – qua alphabetischer Reihenfolge ein Cluster, das sich mit Multiscript-Typografie beschäftigt. Die beiden waren im September schon bei uns zu Gast; heute geht es ausnahmslos um das Buch. Aufgeteilt in die Kapitel Arabic, Cyrillic, Devanagari, Greek, Hangul, Hanzi, Hebrew, Kanji/Hiragana/Katakana, sowie einen Essaypart, gibt es uns Herangehensweisen und Beispiele zur Gestaltung mit mehreren Schriftsystemen an die Hand. Für alle, die über den Tellerrand blicken.
Yi Meng Wu: Yaotaos Zeichen
„Yaotaos Zeichen“ von Yi Meng Wu ist ein Kinderbuch. Ein Herzensprojekt, in dem Yi Meng ein franko-chinesisches Umfeld zeichnet. Es geht um ein Archiv chinesischer Schriftzeichen in Lyon, das es wirklich gibt, und um die Zeit zwischen den Weltkriegen, „als das Bauhaus nach China schwappte“, wie sie erklärt. In der Geschichte findet ein kleines Mädchen einen Koffer mit chinesischen Schriftzeichen und macht sich auf eine lange Reise. Ausgezeichnet als eines der „schönsten Bücher Chinas“. Für vorlesende Typografiebegeisterte.
Susanne Zippel: Meine Heimat Zwei Länder
Den Abschluss bildet Susanne Zippel mit ihrem Buch „Meine Heimat Zwei Länder“. Dieser Satz stimmt zwar grundlegend, trotzdem zeigt er nicht annähernd, welches Ausmaß dieses Projekt hat: Es geht um nichts weniger als persönliche Geschichten von Menschen, die die Wende miterlebt haben. Schonungslos, ehrlich, aufwühlend. Susanne hat alles selbst zusammengetragen, gestaltet und verlegt (Exemplare auf Anfrage). Jedes Buch hat ein individuelles, magnetisches (Wende-)Cover und beinhaltet jede Menge Herzblut. Und als wäre das nicht genug, hat Susanne auch koreanische Freunde, die mit der Teilung ihres Landes ähnliche Erfahrungen wie wir gemacht haben, zu ihren Geschichten befragt. All diese Erfahrungen stellt sie gegenüber und nebeneinander. So schön unser 5-Minuten-Format ist – für Susannes Buch war es zu kurz. Das Buch für alle, die sagen wie es ist und war.
Stillleben mit Lampen und Büchern
Nach den Vorträgen blieb viel Zeit, um die Bücher in Ruhe anzuschauen.
Jesse Simon shows the initial sign: “Betten-König”.
Das Publikum lauscht Martin Z. Schröder.
Die Intensität von Susanne Zippels Projekt geht unter die Haut.
Quizfrage zum Abschluss: Wie viele Bücher hat Ulrike Rausch geschrieben?
So leichtfüßig wie beim letzten Typostammtisch (hier unser Nachbericht) gehen wir gemeinsam in den November. Die Tage werden kürzer, die Abende werden abendlicher und wir Schriftmenschen sehnen uns mehr und mehr nach wärmender, buchangereicherter Kost.
Also laden wir euch zur Buchvorstellung ein! Ähnlich sportiv wie bei einem traditionellen Pecha Kucha, bei uns allerdings abgehalten als analoges Vortragsformat, stellen Berliner· oder Nahberliner·innen (zum Beispiel aus Potsdam) ihr Buch vor. Alle ausgewählten Bücher sind in den letzten Jahren erschienen und haben, logisch, Schriftbezug, innen oder außen. Die Autor·innen und/oder Designer·innen selbst bringen sie mit und präsentieren sie für uns.
Um Vorfreude zu schüren, bleibt die Liste der buchvorstellenden Menschen vorerst geheim. (Zudem warten wir noch auf Rückmeldungen/Bewerbungen und hätten noch ein, zwei Plätze zu vergeben.) Dafür lüften wir nun ein anderes Geheimnis, nämlich das um den Typostammtisch #100: Info weiter unten. Bitte scrollen durch Weiterlesen!
Wann? Donnerstag, 17. November 2022, 19 Uhr; Einlass ab 18:30 Uhr Wo? Eisenacher Straße 56, im Studio LucasFonts, 2. Hinterhof, 10823 Berlin-Schöneberg
Bis dahin,
Euer Typostammtisch-Team
Vom 4. bis 12. November findet in der Oberlandstraße ein interdisziplinäres Festival über Zuhause, Stadtökologie und nachhaltige Formen des Zusammenlebens statt, bei dem der großartige syrische Kalligraf Mouneer Al‘ Shaarani Workshops gibt. Galerie p98a bietet vom 17. November bis 4. Dezember in der Reihe Wir machen Bücher Lesungen, Gespräche, eine Ausstellung und vieles mehr. Im Rahmen der Ausstellung zum Hannah-Höch-Preis 2022 sind ab sofort und bis Anfang Februar im Kupferstichkabinett die Typewritings von Ruth Wolf-Rehfeldt zu sehen.
Hinweis in eigener Sache:
Typostammtisch #100 (ja, 100!!!) wird ein Quiz an einem ganz besonderen Ort und zwar erstmalig, richtig vorweihnachtlich, in einer Kirche. Genauer gesagt im KulturRaum Zwingli-Kirche in Friedrichshain. Bitte haltet euch bei der Planung von Firmenfeiern und Familie den 15. Dezember frei! Wir würden uns freuen, viele Weggefährt·innen, Stamm- und neue Gäste zu diesem besonderen Jubiläum begrüßen zu dürfen. Die Ratefüchse unter euch konnten ja hinreichend Kraft und Wissen sammeln: Es ist pandemiebedingt das erste Typostammquiz seit drei Jahren!
Die Titelzeile zeigt eine Schrift von Sina Otto mit dem Arbeitstitel Schöneberg, geboren 2015 und gewachsen in der Klasse von Lucas de Groot 2016/17. Release geplant für 2023.
Aus zwei geplanten Vorträgen wird an diesem Abend einer: Pia Christmann und Ann Richter von Studio Pandan müssen leider kurzfristig absagen. Schade und gute Besserung, wir finden bestimmt einen Nachholtermin.
Bevor es losgeht: Auf ein Kennenlern-Chili und Tannenzäpfle Bier mit Sascha Thoma und Ben Wittner von Eps51. Chili: lecker. Bier: schmeckt für Sascha als einem gebürtigen Schwarzwälder nach Heimat. Es gäbe aus dieser Gegend neben dem genannten noch Waldhaus Bier, das sei noch ein Stück besser, in Berlin aber schwer zu bekommen. Immerhin die zweitbeste Wahl im Getränkemarkt getroffen, puh.
Mit dem Thema Herkunft geht’s direkt weiter, als die Lichter ausgehen und der Beamer an: „Warum haben wir so ’nen doofen Namen?“ leitet Ben ein. Klar, denkt man, eps = encapsulated post script, nicht unbekannt in der Gestaltungsbranche. Die Zahl? Tja, nun.
Alles viel zu weit gedacht: „Wir haben uns in der Erbprinzenstraße 51 in Pforzheim kennengelernt.“ Ach so! Kontaktaufnahme mit den ca. 51 Anwesenden im Publikum: „War schon mal jemand in Pforzheim?“ Einige zaghafte Meldungen, dann große Einigkeit darüber, dass gerade eine Kleinstadt wie Pforzheim die Community nährt – besonders wenn man sich dort während des Studiums kennenlernt, wie die beiden Vortragenden.
Irgendwann geht es für die meisten aber raus aus der Kleinstadt, hinein in die weite Welt. So auch für Ben und Sascha, die seit 2008 in Berlin sind. Ihr Designstudio Eps51 ist mittlerweile gewachsen und zählt heute 10 Mitarbeitende. Gemeinsam gestalten Sie vor allem für die Kulturbranche: Kunstraum Kreuzberg, Tanzfabrik Berlin, Kommunale Galerien Berlin, die Berliner Festspiele. Gerade bei letzteren zeigt sich der Gestaltungsansatz des Studios: Eine Schrift für jedes Festival; die Visuals entstehen assoziativ, teilweise zufällig. Ob Farbe und Olivenöl in einer Müslischüssel oder ab in den Baumarkt, um aus Beton Objekte zu bauen: „Funktioniert auch als Keyvisual“, so Ben.
Farbe, Olivenöl, Müslischüssel für das Musikfest Berlin 2019. Foto: Eps51
„Ich hab im Studium schon davon geträumt, einer Kundin einen schwarzen Strich auf einem Poster zu verkaufen“, so Ben. Beim Jazzfest Berlin 2019 wurde der Traum dann wahr. Foto: Sonja Knecht
Man kann also behaupten, Eps51 seien stilprägend für die Berliner Plakatlandschaft. Moment, „Wir machen keine Plakate mehr“, sagt Ben und konkretisiert: „Wir sind zwar klassische Printdesigner, aber wir differenzieren nicht mehr zwischen Print und Digital. Alles bewegt sich für Social Media.“
Und so zeigen sie bewegte Gestaltung, die Genregrenzen und Schubladenwände zum Schmelzen bringt – ganz wie die Kunst, die hier repräsentiert wird.
Das ICC Berlin war so ein allumgreifendes Projekt. Unter dem Motto The Sun Machine is coming down belebten die Berliner Festspiele 2021 das legendäre ICC wieder und öffneten es 10 Tage lang für Kunst, Kultur und Architektur – mit 70es Vibe und zugleich Blick in die Zukunft. Eps51 gewannen den Gestaltungsjackpot und entwickelten Visual Identity, Printmedien, Social Media, 3D Animation, Trailer, Ausstellungsdesign und Wegeleitsystem in einem. Wow, da kommt die Sonnenmaschine auf Touren.
Foto: Sonja Knecht
„Unsere Neuerfindung“: Das ICC als utopisches 3D-Rendering.
Als Berliner Typostammtisch finden wir Berlin selbstredend toll – es ist aber auch nicht die ganz weite Welt, muss man sagen. Sascha und Ben kommen zur Biennale nach Venedig, wo sie 2019 den arabischen Pavillon gestalteten. Bens Lehrsatz: „Das wichtigste auf einem Kunstfestival sind die Tote Bags. Der Pavillon, der den schönsten Jutebeutel hat, bekommt am meisten Aufmerksamkeit.“
Foto: Eps51
Spätestens mit diesem Projekt klingt die Liebe zur arabischen Typografie an. Ihre Anfänge nahm sie für Ben und Sascha in Kairo. Streifzüge durch die Stadt waren interessanter für die beiden als Kurse an der Austausch-Uni. So kamen sie ab 2004 immer wieder nach Kairo und entdeckten über die Jahre eine Stadt, in der auf Beschilderungen „selbst der kleine Elektrikerladen vom Youssef ‚Electricity‘ auf Englisch schreibt“, so Ben.
Reklame für besagten Elektriker. Foto: Sonja Knecht
Take this, Schilderwald Deutschland! Foto: Sonja Knecht
Ein Paradies für multilinguale Typografie also – für Gemeinsamkeiten, Unterschiede, Missverständnis und Verständnis. Für Interpretation und Annäherung. Ein großes Thema, das Sascha und Ben auch in ihrem Buch Biscriptual beleuchten, 2018 erschienen im Schweizer Niggli Verlag. Hier geht es neben dem Zusammenwirken von Arabisch und Latin auch um interkulturelle Gestaltung mit Kyrillisch, Griechisch, Hangul, Devanagari, Japanisch und Chinesisch.
Eine Frage, die auch Schriftgestaltenden oft begegnet: Muss man die Sprache sprechen, um die Zeichen zu zeichnen bzw. anzuwenden? Sascha und Ben haben ihre ganz eigene These dazu: Sie selbst hätten keine Arabischkenntnisse, jedenfalls nicht über die folgenden vier Faktoren hinaus: Soziokulturelle Aspekte, Ästhetik, Sprache/Script, Technologie. „Be humble und informier dich über diese vier Bereiche, bevor du mit einem Script gestaltest, das nicht deine Muttersprache ist.“, so Ben.
Welche Herangehensweisen und Tipps haben die beiden? Reisen! Lernen! Immer Muttersprachler·innen fragen, gern mit Designkompetenz. Den Schriftstil der jeweils zuerst dagewesenen Komponente nicht imitieren, sondern die Anatomie der scriptinternen Eigenarten beibehalten. Ben und Sascha zeigen viele Beispiele für Gestaltung mit mehreren Schriftsystemen – interessante, gekonnte, lustige, gruselige: zum Beispiel Latin mit verkehrten Kontrasten oder Arabisch, das den Duktus gebrochener Schrift imitiert.
Übertragung von scriptinternen, historisch gewachsenen Prinzipien funktioniert meist nicht.
Die arabische Adaption des Vodafone-Logos basiert offensichtlich auf dem vorhanden lateinischen e. Mittlerweile sei dieses Logo glücklicherweise überarbeitet, so Ben.
Gefundenes Fressen für interkulturelle Schriftfeldforschung in den Straßen Kairos.
Wie man die Leserichtung bewusst in die Gestaltung einbinden kann: In dieser Publikation entscheiden Leser·innen vor Gebrauch, welche Seite der Bindung aufgeschnitten wird.
Schriftwahl is key. Hier ein gelungenes Beispiel, in dem Latin und Arabisch eine unverkennbare, ästhetische Einheit bilden.
Auch hier eine gelungene Einheit, diesmal von Chinesisch und Latin.
Was heißt Harmonisierung, wenn man mit verschiedenen Schriftsystemen gestaltet? Muss alles immer gleich aussehen? Nicht unbedingt: Faktoren wie Ausgewogenheit, Leserichtung und -gewohnheit, Kontraste, Strichstärken, Textmenge spielen eine Rolle. Eine gemeinsame optische Klammer muss gefunden werden. Steht übrigens alles im Buch.
Abschließend, bevor eine angeregte Diskussion mit Stimmen aus dem Publikum startet, noch der durchaus nachklingende Satz: „Keine Angst haben, sonst macht man gar nichts.“
Darauf ein Schwarzwälder Bier. Vielen, vielen Dank an Sascha und Ben!
Nachgespräch moderiert von Lukas Horn. It’s all about intercultural understanding! Amen.
Interessiertes Publikum, zahlreich erschienen.
Ging ganz schön lang diesmal … Danke an alle Gäste und Helfer·innen! Stellvertretend hier winkend Zita Kayser, zu Besuch aus Wien. Foto: Sonja Knecht
Friedrich Althausen, Georg Seifert, Kai Sinzinger und Andreas Frohloff
Beim Juni-Typostammtisch lernen wir die ukrainische Calligraphy, Lettering und Type Design Community kennen.
Zhenya Spizhovyi kommt aus Kiew und lebt momentan in Berlin. Im Kreuzberger Sonnenstudio erzählt er uns in Bildern von Landsleuten und deren Arbeit in Sachen Schrift. Zhenya ist selbst Teil der Szene: als Grafikdesigner, Lettering Artist, Kalligraf und Dozent an verschiedenen Kiewer Design-Hochschulen. Sein Vortrag ist auf Englisch.
Zhenya Spizhovyi from Kyiv is currently based in Berlin. At Sonnenstudio, he will tell us about the Ukrainian typographic community through a picture story. Part of the scene himself, Zhenya is a graphic designer, lettering artist, calligrapher and has been working as a teacher at different Kyiv schools of design and visual communications. His lecture will be in English.
Wann? Donnerstag, 30. Juni 2022, 19 Uhr
Wo? Lausitzer Straße 10, Aufgang C, 3. Etage, 10999 Berlin-Kreuzberg
U-Bahn: U1 bis Görlitzer Bahnhof, U8 bis Kottbusser Tor oder Schönleinstraße
Bus: M29 bis Görlitzer Bahnhof oder Spreewaldplatz
Bis dahin,
euer Typostammtisch-Team.
Am 23. Juni findet die Eröffnung der Ausstellung 100 Besten Plakate 2021 im Kulturforum statt. Die Arbeiten kann man sich dort bis 10. Juli anschauen. Quasi im Vorbeigehen bietet sich die Freiluftausstellung All We Wrote – The Passion Of Graffiti an, noch bis zum 26. Juni auf dem Grünstreifen zwischen U-Bahnhof Wittenbergplatz und U-Bahnhof Uhlandstraße. Wer es unter der Woche nicht schafft, kann ab sofort auch „Sonntags in die Stabi“ gehen. In diesem Zusammenhang möchten wir noch einmal auf das Kooperationsprojekt Die Sichtbarmachung des Sichtbaren hinweisen, es geht um nichts Geringeres als die Digitalisierung des Berliner Schriftkulturerbes.
Im Titelbild ein Lettering von Zhenya Spizhovyi. Die Titelzeile ist gesetzt in der Erebusvon Oleksandr Parkhomovskyy, seinem TypeMedia Abschlussprojekt 2020/21.
Das leidige Thema Technik, es scheint uns in letzter Zeit zu verfolgen … Und so wird wieder einmal improvisiert an diesem Abend, der natürlich viel Spannenderes zu bieten hat als einen nicht funktionierenden Beamer.
Versuchen wir es also mit einem anderen Einstieg: der neuen Location. Wir sind das erste Mal zu Gast im Café Hardenberg, einem charmanten Restaurant in Charlottenburg mit großem hinteren Bereich und – naja, Beamer. Eigentlich. Benedikt bringt kurzerhand einen Ersatz-Beamer mit (Dank auch an Alphabet Type) und baut einen Turm aus Cola- und Bierkisten, um den richtigen Projektionswinkel zu ermöglichen. Während dieser hochprofessionellen Aufbauphase treffen die Headliner-Damen des Abends ein: herzlich willkommen Silva Baum und Claudia Scheer von notamuse (in männlicher Begleitung, der Herr stellt sich als „Groupie“ vor). Die dritte Initiatorin des Projekts, Lea Sievertsen, spricht am nächsten Tag in Stuttgart und ist deshalb nicht dabei. Schade. Wir freuen uns, dass notamuse so großes Interesse weckt! Es kommen immer mehr Gäste an, die Sprecherinnen bereiten sich vor und begrüßen Bekannte. Der Beamer-Turm scheint zu halten. Los geht’s als ungefähr 60 Gäste da sind – hauptsächlich, aber bei weitem nicht ausschließlich Frauen.
Claudia Scheer (sitzend) und Silva Baum begrüßen ihnen bekannte Gäste
Wo sind die Frauen im Grafikdesign? Diese Frage diskutieren wir beim kommenden Typostammtisch mit den Initiatorinnen des Projekts notamuse – herzlich willkommen Silva Baum, Claudia Scheer und Lea Sievertsen!
Nachdem die Gestalterinnen des Missy-Magazins (ihr erinnert euch) im Rahmen unseres Magazinabends im April weibliche Sichtweisen auf Gestaltung reflektiert haben, wollen wir dieses Thema nun mit unseren Gästen (zu Zeiten der Gebrüder Grimm gab es übrigens noch die „Gästinnen“) von notamuse vertiefen: „Die Bedeutung des Namens ist klar: not a muse. Anders als die Muse, die durch ihre inspirierende aber passive Funktion männliche, kreative Geister anregt, geht es uns um Designerinnen, die selbst schöpferisch tätig sind und sich aktiv an der Gestaltung der Designlandschaft beteiligen. notamuse stellt sie (…) in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit“, heißt es auf der Website des Projekts. 2017 führten Baum, Scheer und Sievertsen 22 Interviews mit Frauen. Dabei kamen Themen wie Arbeitsabläufe, persönliche Erfahrungen oder Frauen in „Männerberufen“ zur Sprache. Auf ihrer Plattform sind die Auswertungen dieser Interviews übersichtlich gegliedert und – natürlich – grafisch aufbereitet zu finden. Eine höchst spannende Lektüre, die im Verlauf des Projekts auch in ein Buch mündete. Wir sind gespannt! Hier nur noch soviel: Wer an diesem Abend Musen sucht, wird nicht fündig werden.
Wann? Donnerstag, 27. Juni 2019, 19 Uhr
Wo? Café Hardenberg, Hardenbergstraße 10, 10623 Berlin-Charlottenburg
U-Bahn: U2 bis Ernst-Reuter-Platz oder U9 bis S+U Zoologischer Garten
S-Bahn: S3, S5, S7 oder S9 bis S+U Zoologischer Garten
Bus: M45 oder 245 bis Steinplatz
Bis dahin,
euer Typostammtisch-Team.
Jetzt am Freitag, den 14. Juni findet im A–Z eine Ausstellungseröffnung mit Talk statt: Das australische Designkollektiv Inkahoots zeigt die interaktive typografische Installation NEW ANTHEMS (BERLIN). Ebenfalls am 14. Juni startet die jährliche Ausstellung 100 Beste Plakate, für drei Wochen im Kulturforum. Es naht die alljährlich tolle Werkschau am Fachbereich Gestaltung und Kultur der HTW: vom 5. bis 6. Juli auf dem Campus der Hochschule. Nachdem das Buchstabenmuseum im Mai nach langer Schließzeit wieder seine Tore öffnete, erfreut es mit regelmäßigen Öffnungszeiten (Do–So). Und an der Staatsbibliothek spricht am 16. JuliPetra Rüth im Rahmen der Vortragsreihe Visuelle Systeme über „Schrift der Schreibmeisterbücher in Theorie und Praxis“. Nicht verpassen!
Die Titelzeile wurde gesetzt in der Oggle von Natalie Rauch, einem bisher unveröffentlichten Entwurf.
Sonnige 26 Grad und überhaupt passte alles für einen perfekten Abend in unserer derzeit größten Location, LucasFonts in Berlin-Schöneberg, wo wir uns auch auf die Hinterhofgartenterrassen ausbreiten können. Schätzungsweise rund 150 Gäste gaben sich die Ehre. Es fühlte sich jedenfalls an wie ein neuer Rekord und viele neue Gesichter waren dabei, kein Wunder, ging es doch dieses Mal explizit um die Anwendung von Schrift, um Typografie. In Magazinen. Ja, Print.
Wie werden Schriften ausgewählt, wie und warum werden welche gestalterischen Entscheidungen getroffen? Profis vier ganz unterschiedlicher Print-Publikationen stellten sich, ihre Ideen und Konzepte vor.
Kennenlernen und kleine Stärkung vor dem Auftritt: Fabian Meier-Bode und Peer Hempel für bauhaus now, Lisa Klinkenberg und Daniela Burger vom Missy Magazine.
bauhaus nowist das offizielle, zweisprachige Magazin des Bauhaus-Verbunds und geht der Frage nach „Was bedeutet das Bauhaus heute?“. Fabian Maier-Bode und Peer Hempel von der Berliner Markenagentur Stan Hema stellten es bei uns vor und machten deutlich, dass und wie hier Inhalt und Gestaltung zusammenhängen: Die Elemente Bild und Zitat „schieben von links und rechts rein“ in die mit Fließtext gut gefüllten Seiten, „Elemente drängen sich“; es geht hier um das Erweitern und Sprengen von Grenzen – bei einer Auftragspublikation.
Entspannt: Fabian Meier-Bode und Peer Hempel von Stan Hema eröffnen den Abend mit ihrem Vortrag zu bauhaus now.
Die Stühle stehen, das Licht ist gedimmt, das erste Dia (auf der Nebenleinwand) sorgt für Stimmung: Ein launiges „Vorsicht, Schrift“-Schild auf altem Gerät ist dort zu sehen. Klaus betitelt seinen eigentlichen Vortrag „Typotaten“ und eröffnet ihn mit einem Foto von sich selbst als Vierjährigem. Das war genau in der Kriegszeit, „und das war furchtbar“, und das müsse er jetzt hier erst mal erklären, dass das eine schreckliche Zeit war. Klaus Rähm ist Jahrgang 1937. Der junge Nachkriegsklaus wird in der DDR zum Leistungsturner; wir sehen ihn als obersten auf einem Turm junger Männer, im Handstand steht er auf den Schultern eines anderen. Beeindruckend! Beeindruckend sportlich wirkt er ja bis heute.
Klaus Rähm mit Lucas de Groot bei der Vorbereitung: Auswahl der Arbeitsproben für die vortragsbegleitende Ausstellung.
Man kann das ja ruhig auch mal so sagen
Diese ersten Bilder bringen uns Klaus näher in seiner Lebenserfahrung. Auf einem weiteren zeigt er uns ein Schaufenster mit einer von ihm in seiner Lehrzeit frei Hand gezeichneten Unterzeile. Diese Inschrift, in schmalen Grotesk-Versallettern, läuft schnurgerade unterhalb des Schaufensters entlang, darin eine liebevoll ausgestellte und dekorierte, aber nicht eben üppige Warenauswahl. Etwas dürftig und rührend und eher traurig wirkt das ganze Arrangement. Es gab ja nicht viel und „es gab keine Farbfotos“, nur dieses düster-verschwommene Schwarzweiß. Trotzdem – oder erst recht – interessant, diese wenigen Bilder, begleitet von ein paar Sätzen nur: Schon wird uns der Lebenshintergrund von Klaus Rähm deutlich. Wie früh sich seine fachlichen Interessen und sein Sportsgeist doch bereits zeigten. Und, „das kann man ja ruhig auch mal so sagen“: Er ist weit gekommen.
In der Zwischenzeit hat sich so manches Vokabular geändert. An einigen Stellen weist Klaus darauf hin, und auf die Rechtschreibreform; er scheint jedes Eszett zu vermissen, als sei es ihm persönlich weggenommen worden. Susanne Zippel in der ersten Reihe gibt ihm vehement recht angesichts des schönen Wörtchens „iß“ (heute „iss“) und der i-ß-Ligatur, die Klaus daraus gemacht hat.
Klaus reflektiert sein eigenes Vokabular und was heute anders ist. Etwa wenn er das Wörtchen „Lehrling“ benutzt, denn ein solcher sei er gewesen, ein Lehrling, und das sei auch richtig, es gehe ja darum, etwas zu lernen, in die Lehre zu gehen. „Auszubildende“ dagegen klingt für ihn „so objekthaft“, das fände er komisch, „wie so Objekte“ klänge die Bezeichnung, und das müsse erlaubt sein, dass er das hier jetzt erst mal sage. Genauso hatte er halt „einfach Studenten“, nicht Studierende; ohne die Zusatzsilbe seien sie auch gut ausgekommen. Klaus ist aus dem Osten. Kaum ein Mensch (ob männlich oder weiblich) hat im Osten daran gedacht, bei grammatikalisch männlichen Formen, bei der Bezeichnung von Berufsgruppen etwa, nicht automatisch und selbstverständlich an Frauen wie an Männer zu denken. Die Frage stellte sich gar nicht. Weil Berufstätigkeit für alle selbstverständlich war? So haben es mir speziell meine Ostkolleginnen x-fach erklärt und erbittert verteidigt – „ick bin Grafiker, Mensch, hör doch uff“, hieß es etwa, wenn ich auf der „Texterin“ bestand und die Visitenkarten auch für die Grafikerinnen korrekt bedrucken lassen wollte.
Klaus Rähm formuliert sehr fein, sehr genau und führt uns in seiner freundlichen, unprätentiösen Offfenheit, charmant berlinernd, durch die Fülle seiner Werke. Und „Fülle“ wirkt hier so als Wort leicht verharmlosend…
Zum kommenden Typostammtisch begrüßen wir Klaus Rähm. Von der Sache her ist das nichts Besonderes, denn „begrüßen“ tun wir ihn praktisch jedes Mal: Klaus ist Typostammtischstammgast. Viele von euch kennen den zurückhaltenden, immer gut aufgelegten, höchst aufmerksamen und meist feinsinnig schmunzelnden Zeitgenossen.
Nun ist es endlich soweit: Wir freuen uns sehr, dass wir Klaus überreden konnten, Einblicke in sein langjähriges Schaffen und vielleicht auch besondere Erfahrungen als Gestalter und Dozent früher, „im Osten“ mit uns zu teilen. In den 1950er Jahren hat er eine Lehre als Gebrauchswerber gemacht, war Volontär am Theater, Schrift- und Plakatmaler in Eisenhüttenstadt und Leipzig; er hat in Blankenburg (Harz) studiert und als Meister für Schrift- und Grafikmalerei in Berlin und auf Messen von Algier bis Zagreb gearbeitet. Schließlich studierte er Gebrauchsgrafik an der Hochschule für Grafik und Buchkunst (HGB) und machte 1979 sein Diplom bei Gert Wunderlich. 10 Jahre lang war Klaus Rähm Mitglied des Verbandes Bildender Künstler der DDR/Arbeitsgruppe Typografie und 15 Jahre lang Dozent für Schrift und Typografie an der Fachhochschule für Werbung und Gestaltung Berlin, 5 Jahre lang an der Litfaß-Schule in Berlin-Wittenau, 10 Jahre lang (bis 2009) Lehrbeauftrager an quasi allen Berliner Kunsthochschulen. Noch Fragen? Ja, jede Menge!
Klaus bringt viele Arbeiten auch ehemaliger Studenten mit, Buchtitel im Original, Plakatbeispiele aus seinen jüngeren Ausstellungen (nach wie vor ist er freischaffend höchst produktiv) – und freut sich vor allem auf regen Austausch. Nutzt die Gelegenheit!
Wann? Am Donnerstag, den 15. Februar um 19 Uhr.
Wo? Bei LucasFonts, Eisenacher Straße 56, 10823 Berlin-Schöneberg
U-Bahn: Linie U7 bis Eisenacher Straße
S-Bahn: Linie S1 bis Julius-Leber-Brücke oder S1, S41, S42, S45, S46 bis S Schöneberg
Bus: M48, M85, 104, 187, N42 bis Albertstraße
Bis dahin,
euer Typostammtisch-Team
Diesen Monat legen wir euch außerdem folgende fachlichen Anlässe ans Herz:
Am Freitag, den 16. Februar von 19 bis 22 Uhr findet im Medienhaus der UdK am Kleistpark (Grunewaldstraße 3–5) der traditionelle, semi-informelle Kleine Rundgang zum Abschluss des Wintersemesters des Fachbereichs Visuelle Kommunikation statt. Noch bis 5. März: Ausstellung New Bauhaus Chicago: Experiment Fotografie und Film am Bauhaus-Archiv Berlin; Avantgardist László Moholy-Nagy gründete die Schule und gab der US-amerikanischen Fotografie wegweisende Impulse (Trailer). Am 28. Februar um 18:30 Gespräch mit Anja Lutz von The Green Box im Bikini Berlin über ihr „Buchbuch“ Marginalia (Ausstellung 14. Februar bis 11. März). Für alle Schreibbegeisterten: Am 7. März veranstaltet Petra Rüth wieder eine Schreibsession in ihrer offenen Gruppe Kalligraphie in Berlin. In Leipzig findet am 17. März die alternative Bücherschau It’s a book der HGB statt (Eintritt frei).
Die Titelzeile wurde in der Quad von Klaus Rähm gesetzt, die bis dato nur exklusiv von ihm genutzt wird und bei ihm erhältlich ist. Das Titelbild – ein Quad-Logo als Anwendungsbeispiel – hat er ebenfalls selbst gestaltet.