Nachbericht Typostammquiz 2019: „Wir machen es euch ein bisschen einfacher“

Mittwoch, den 11. Dezember 2019, Zum Böhmischen Dorf in Berlin-Neukölln: Unsere Vorjahreschampions Tilmann HielscherDaniel Perraudin und Jeanne Bussmann machen sich warm für die Quizdurchführung. Dabei liegt die Hauptarbeit schon hinter ihnen, nämlich die Entwicklung und Ausgestaltung der Quizfragen – dies vorneweg: super gemacht! Auf in ein grandioses Typostammquiz 2019.

Bevor wir mit der Gruppenphase beginnen, erklärt Chefkoordinator Benedikt Bramböck „die zwei bis drei Phasen“ des Typostammquiz und läutet – nach der Begrüßungs- und Getränkebestellungsphase – die Gruppenfindungsphase ein. „Auf dem Zettel steht zwar ein Buchstabe, aber eure Gruppe ist über die Schriftart definiert“, ergänzt Sebastian Carewe eine neue kleine Ausgeklügeltheit beim Auslosen der Rategruppen.

Generell losen wir nicht mit Nummern, sondern natürlich mit Buchstaben. Schön zu beobachten, wie in diesem Jahr schon damit das erste Schriftenraten und -rufen einsetzt: „Leute, es ist nicht alles Times“ – „Ich hab Calibri, Calibri, wo ist Lucas, Calibri hier“ – „welche Garamond, Adobe, Stempel oder was“ oder auch der Einwurf „ich empfehle ,Schriften erkennen‘ von Hans Peter Willberg“, ad hoc einsetzende und sofort hitzige Fachdiskussionen verzögern das Ganze. Super Effekt, alle sind sofort in Stimmung. Ich sitze ganz vorne, halb eingebettet in die Gruppe Garamond. Und mache nicht mit, sondern mir Notizen. Heiß ist mir aber auch. Der Saal brodelt bereits.

Vorjahressieger Tilmann startet das Quiz und knüpft mit der ersten Frage charmanterweise an unser Einladungsmotiv an, es geht um Emojis. Gruppe Calibri mit Luc(as) brütet erstaunlich lange über Frage 2, es geht um Calibri. Bei Frage 8 zu Stencil- oder Schablonenschriften kommentieren die Quizmaster: „Wir haben es euch ein bisschen einfacher gemacht, wir haben die Schriften farbig sortiert.“ Danke! Ich bestaune die tolle Typografie und die höchst feinfühlig-raffinierte Kopfzeilengestaltung auf den Fragenfolien: Das Wort „Weihnachtstypostammtischgruppenphase“ wandert frageweise Frage für Frage und Buchstabe für Buchstabe von rechts nach links; die Weihnachtstypostammtischgruppenphase ist also 35 Buchstaben und 35 Fragen lang.

Für jeden ist eine Frage dabei, ob Bauhaus-Expertin (Frage 9) oder Denkmal-Besichtiger (Frage 29) oder diejenigen, die Berliner Logos, U- und S-Bahnhofschriftzüge anhand kleinster Ausschnitte erkennen. Mein Favorit sind die ausgeschnittenen Buchstabenfester im Rund der Weltzeituhr am Alexanderplatz, von innen heraus (also spiegelverkehrt) aufgenommen; „das hat der Bürgermeister von Mitte gepostet“, erläutert Tillmann Hielscher. Abgefeimt! Und wer hat die Straßenschilderschrift für Gesamtberlin Mitte der 1990er Jahre überarbeitet? Der bei unserem Quiz anwesende und im weiteren Verlauf des Abends in tragender bzw. schreibender Rolle zu einem ganz wichtigen Einsatz kommende Andreas Frohloff!

Nicht zu vergessen: Die Titelschrift auf unseren diesjährigen Quizantwortbogen – und auch das ist selbstverständlich eine Quizfrage – ist die Birra Bruin von Elena Schneider.

Irgendwann sind leider auch die allerschönsten und allerschwersten und lustigsten Typografiefragen bewältigt. Es war höchst kurzweilig. In Erinnerung bleibt mir eine grandiose Mischung und dass zum Beispiel auch Schriftkünstlerinnen vorkamen, sehr schön. Man durfte sie anhand ihrer Kunstwerke erraten und sie seien hier liebevoll erwähnt: Barbara Kruger, Bruce Nauman, Jenny Holzer und Tracy Emin.

Dann kam Runde 3. Typostammtischtischstammgäste wissen, was das heißt. Zunächst wird die Gruppenrunde ausgewertet, es werden Punkte gezählt und gelistet und die zwei besten Gruppen stellen je eine Person aus ihren Reihen, die final gegeneinander antreten.

Unsere beiden Finalisten 2019: überraschenderweise – nein, gar nicht überraschend – Florian Hardwig, Experte für Fonts In Use und Sammler außergewöhnlicher Umlaute, und, meiner Erinnerung nach erstmalig, Jürgen Huber, Dozent an der HTW und Mitgründer von Supertype. Der wirkte etwas blass um die Nase, als er im Duellstuhl neben Florian Platz nahm, und machte den Vergleich „Real Madrid gegen SV Meppen“ auf. Aber hey, herzlichen Glückwunsch euch beiden! Ins Finale zu kommen ist schon mal super. Das Elfmeterschießen sozusagen lag vor ihnen.

Das finale Duell war gigantisch, garniert von launigen bis eigenlaunestabilisierenden Kommentaren von Jürgen („Meppen holt auf“) und von der Wahnsinnsidee des Frageteams, Schriften in diversen Größenabstufungen des Hintings (der technischen Bildschirmzurichtung) darzureichen, von ganz verschwommen bis langsam konturierter nach vorne schwebend – ich versuche hier, die optische Wirkung bestmöglich in Worte zu fassen. Letztlich muss man dabeigewesen sein. Das Staunen und die Spannung stiegen, die Kommentare wurden fachlicher. O-Ton Jürgen: „Give me a hint“ – Luc(as) de Groot: „Die Verdana sieht gehintet ganz anders aus“ – Jürgen: „Es ziehen Serifen auf“ – entscheidender Tipp von Tilmann „für die Hiniting-Nerds unter euch, das sind Screens unter macOs in Firefox“. Na dann!

Jedenfalls: Als Sieger ging daraus Florian Hardwig hervor – ja, weitaus nicht zum ersten Mal. Aber erstmalig wurde nun sein Name feierlich und hochkonzentriert live von Andreas Frohloff in unseren würdigen, seit letztem Jahr existierenden Typostammtischstammpokal hineinkalligrafiert. Selbigen darf Florian nun ein Jahr lang bei sich zuhause haben.

Noch ein paar Randnotizen: Florian durfte sich als erster seinen Preis vom Gabentisch aussuchen und griff sofort zur Koning-Lizenz von LucasFonts, was Luc(as) de Groot besonders freute; Koning Display ist ganz frisch erschienen. Apropos Preise und ganz frisch: Als Sonderpreis konnten wir wieder – mit Dank an Ulrike Rausch – ein Ticket für das Berlin Letters Festival verlosen, die frische Ausgabe 2 erfolgt jetzt im Mai. Das Ticket ging an Anja Meiners aus unserem Typostammtischteam, und es traf goldrichtig: „Ich hab noch nie was gewonnen, ich hab noch nie was gewonnen!“, jubelte unsere liebe Kollegin. Liebe Kolleginnen in Hamburg, nämlich Ex-Berlinerin Jenna Gesse und Berlin-Letters- Mitbegründerin Chris Campe, lassen den Hamburger Typostammtisch wieder aufleben – Start ist Februar und wir wünschen euch viel Spaß dort!

Bei unserem fulminanten Quiz durften sich schlussendlich die Rategruppen nach der Reihe ihres Gewinnens (Punktestandes) über den reich gefüllten Gabentisch hermachen. Noch lange wurden gemütlich Sachen ausgesucht und angeschaut, es wurde geplaudert, getrunken und zu späterer Stunde tschüssgewunken.

Ganz herzlichen Dank an alle, die Geschenke gespendet, an alle, die beim diesjährigen Quiz mitgemacht haben, und an unser Quizmasterteam 2019 für euer großartiges Fragenpotpourri! Es war wirklich ein sehr schöner Abend.

Die Geschenke für den Typostammquiz-Gabentisch 2019

Barbara Dechant, Buchstabenmuseum
3 Buchstabenposter, Schrift für das Buchstabenmuseum gestaltet von Luc(as) de Groot

Benedikt Bramböck
1 Kalender 2020 von Tezzo Suzuki
1 Buch Typographie – Wann wer wie von Friedl, Ott, Stein
1 Buch Nichts Weißes von Ulf Erdmann Ziegler
1 Notizbuch

Dan Reynolds
1 Buch Ins Schwarze Ekkehard Schulreich
1 Buch Formen und Gegenformen von Adrian Frutiger
1 Buch Excerpts from John Smith’s Printer’s Grammar von Cast Foundry
1 Schriftmuster-Kalender Typodarium 2017 originalverpackt
2 Linotype Matrix (Zeitschriftnummer)

Florian Hardwig
1 Buch Schriften+Zeichen

Friedrich Althausen
2 Wundertüten von High on Type von Berlin Letters 2019

Friedrich Althausen und Lena Alfter, Monotype
1 Poster Helvetica Now
1 Poster-Wandkalender 2020 Helvetica Now
2 Weihnachtspostkartensets von Meta Design mit Monotype-Schriften
2 A6-Notizhefte mit Koh-I-Noor-Fallbleistifte
2 A6-Notizblöcke Tastaturkürzel

Inga Plönnigs
1 Buch Total Armageddon – A Slanted Reader on Design
1 Ausstellungskatalog TM: AM-PM 
1 Stadtplan City Trip Den Haag
Aufkleber M

Ivo Gabrowitsch
Poster FF Real, von Erik Spiekermann eigenhändig gedruckt (Rarität, davon gibt es nur ganz wenige)

Jan Middendorp
1 Lizenz für Alarm von Andreas Seidel
je 1 Exemplar seiner Bücher Dutch Type und Shaping Text
je 1 Buch Tintentanz, Die kleine Serifee, Typpgrafian käsikirja, Hiragana und Kakakana sowie Einführung in die mongolischen Schriften 

Jürgen Huber und Martin Wenzel, Supertype
Ampersand-Betonskulptur

Juli Gudehus
1 Buch Packaging Makeovers
1 Buch Young German Design

Luc(as) de Groot
1 Lizenz für Koning Display 1.010
1 Linotype-Katalog Typeface Catalogue LT
1 Buch Die schönsten deutschen Bücher 2007
1 Buch Gestaltung und Typografie mit InDesign

Erik Spiekermann, P98a
1 handgedrucktes Poster 50×70 cm Kontrenzier dich!

Paratype via Sonja Knecht
2 Paratype-T-Shirts s/w und w/s, Größe S, neu, mit Paratype-Historie auf dem Rücken

Sebastian Carewe
1 Buch Tres Logos 

Sonja Knecht
3 Exemplare des Plakatmagazins Onepage (Nr. 17, 2019) mit ihrem Essay Text, Sex, Scheiße, Hrsg. Doris Büchel, Liechtenstein; gestaltet von Martin Tiefenthaler, Österreich, mit Lotti von Christine Hager und Seltsam von Igor Labudovics; mit Lyrik von Ahne, Berlin

Stefan Pabst
1 Buch Fraktiqua von ihm selbst, Diplomarbeit an der FH Potsdam

Sven Völker
3 Magazine The Type Writer, gestaltet und hrsg. an der FH Potsdam

Thomas Maier
2 Letterpress-Poster
2 antiquarische Fachbücher zum Buchdruck im 19. Jhdt.

Typostammtisch
1 Buch notamuse: A New Perspective on Women in Graphic Design; vom Typostammtisch erworben von unseren Sprecherinnen, den Autorinnen Silva Baum und Claudia Scheer (zusammen mit Lea Sievertsen), anlässlich ihres Vortrags bei uns im Juni 2019

Ulrike Rausch, LiebeFonts
1 Buch Making Fonts von Chris Campe und Ulrike Rausch

Ulrike Rausch für Berlin Letters
1 Festivalticket für Berlin Letters 2020 – Sonderverlosung