Nachbericht 120. Typostammtisch: Verlagsabend

Aufgrund der Vielzahl an interessanten Verlagen und Köpfen dahinter und weil das Feedback beim ersten Mal so gut war, findet an diesem warmen Frühsommerabend bei LucasFonts bereits der zweite Typostammtisch-Verlagsabend statt: Books, Books, Baby! Wir begrüßen, zunächst beim Essen im Garten und dann auf der Bühne, fünf Verlage aus Dresden, Leipzig und Berlin und möchten wissen: Wie treffen Verlagsmenschen typografische Entscheidungen? Welche Rolle spielt Schrift in der Gestaltung ihrer Bücher? Was haben sie sonst noch Spannendes zu erzählen?

Alle Fotos von Olga Luchanok. Herzlichen Dank, Olga!
Moderation: Sonja Knecht
Franco Marcucci und Carolina Giovagnoli vom Siesta-Verlag

Nach der Einleitung von Luc(as) de Groot und Sonja Knecht begrüßen wir als erstes auf der Bühne den Siesta Verlag aus Berlin, namentlich Carolina Giovagnoli und Franco Marcucci. Sie stellen uns den jüngsten der heute anwesenden Verlage vor. Siesta ist spezialisiert auf spanischsprachige Literatur, geschrieben von Migranten. Das Stichwort „Community“ stellen die beiden explizit heraus. Der Verlag sei ein kulturelles Projekt und das Buch eben das Objekt. „Wir wollen einen Verein um das Buch bauen“, sagt Franco. Und später auch: „Wir müssen uns unsere Leser bauen“, in Anlehung an den Prozess, ein solches Verlagskonzept in der Community zu verankern. Wichtig hierfür seien Interaktionen zwischen Buch und Leser·innen: „Es sind nicht nur Wörter oder Buchstaben, sondern es geht um Erfahrungen mit dem Buch.“ Belege für dieses Verlagsverständnis ist das Organisieren eines Literatur-Festivals oder ein Workshop, bei dem Autor·innen ihre Bücher selbst binden.

Im Kopf geblieben: typografische Wortspiele wie B/ANANAS oder fr/essen und der Gedanke, dass ein Verlag mehr sein kann als ein Verlag.

Tom Lamberty, Leiter des Merve Verlags

Es folgt, Kontrastprogramm, Tom Lamberty vom Merve Verlag aus Leipzig. Merve wurde 1970 gegründet und ist seit jeher auf politische Literatur spezialisiert. Tom bezeichnet sich selbst als „Opa“ und schiebt hinterher: „Ich bin der Schlimmste zum Einladen, wenn’s um Typo geht. Ich habe keine Ahnung.“ Dafür kann er in einem reichen Archiv stöbern und bringt uns Exemplare mit, „die ich selbst vergessen habe“. Wir vollziehen gemeinsam am Overhead-Projektor nach, wie sich die am Buchrücken gespiegelte Raute als zentrales grafisches Motiv des Verlags entwickelte und wie der Grafiker Jochen Stankowski denkt und mit Schrift arbeitet (es fällt der Begriff „Spielwiese“). Außerdem kommen kollektive Entscheidungswege und radikal transparentes wirtschaftliches Handeln im Verlag zur Sprache.

Im Kopf geblieben: Ein Cover, das den Titel erst durch Abrubbeln offenbart – „Der Buchhandel hasst uns dafür!“ Und: „Von dem Verlag kann man nicht leben. So war es auch nicht gedacht.“

Gestalterin Anne Hofmann und Verleger Marcel Raabe von Trottoir Noir

Wechsel auf der Bühne, wir bleiben in Leipzig und begrüßen Marcel Raabe und Anne Hofmann vom 2014 gegründeten Verlag Trottoir Noir. Der Name, so Marcel gleich vorweg, war eine Schnapsidee, die Assoziationen vom letzten Gast an der Theke weckt. Das übergeordnete inhaltliche Thema des Verlags sind Aufzeichnungssysteme, ansonsten sind die Formate und Stoffe sehr unterschiedlich: Romane, Dokumentarisches, Lyrik, … Als gemeinsamer formaler Nenner wirkt das Format der Bücher, das in eine Hosentasche passen und den Druckbogen effektiv ausnutzen soll (was wir heute Abend öfter hören, die Kosten …). Die Gestaltung ist jeweils individuell passend zu den Inhalten und generell sehr gelungen; Anne Hofmann betont dabei auch politische Hinter- und Beweggründe. 

Im Kopf geblieben: Die Idee, eine Dokumentation von Arbeitsbedingungen im Krankenhaus mit einem abwischbarem Umschlag zu versehen – und die sehr bedachte, aber auch wahnsinnig offene und regional verankerte Auswahl der Stoffe.

Team Voland & Quist: Theresa Meschede, Leif Greinus, Lea Kubeneck

Als nächstes begrüßen wir Voland & Quist aus Dresden, 2004 gegründet und vorgestellt von Lea Kubeneck, verantwortlich für Marketing und Kommunikation. Wir sehen den Roman „Lebensversicherung“ von Katrin Bach unter dem Projektor. Eigentlich sollte die Autorin dabei sein, war aber kurzfristig verhindert. Also hilft Sonja gern beim Mikrohalten. Im vorgestellten Buch geht es um die Angst vor allzeit drohenden Gefahren und potentiellen Risiken, der Text ist blau (Versicherungsfarbe!) auf weiß. Im Austausch mit dem Publikum kommt die Sprache u. a. auf das Schoolbook-a und den Unterschied zwischen Icons und Piktogrammen. Interessant auch die Frage, wie der Verlag Grafikbüros für die Gestaltung der Bücher auswählt: Neue Autor·innen sollen auf der Webseite schauen, welche Richtung ihnen gefällt. Dann wird gezielt angesprochen.

Im Kopf geblieben: „Weil ich weiß, dass Zeit Geld, aber Geld eben doch keine Zeit ist“, Zitat aus „Lebensversicherung“. Und das schöne Verlagslogo (oben links im Bild), das zwar „nur“ aus Initialien besteht, aber doch lebendig wie ein Maskottchen wirkt.

Kristine Listau und Jörg Sundermeier vom Verbrecher-Verlag

Zum Abschluss beehren uns Jörg Sundermeier und Kristine Listau vom Verbrecher Verlag. „Wir wollten kein Verlag sein, deshalb der komische Name“, sagt Jörg. Für die Gestaltung der Bücher hätten sie ein „Einheitskleid“ gesucht, eine „Uniform“, und wurden bei der Folio Bold Condensed für die schlichten, aber wirkungsvollen Titel und bei der EB Garamond mit gekapptem Q für die Texte fündig. Später kommt der Einwand: „Vielleicht sind wir auch zu faul und verkaufen es als Einheitsgedanken“. Außerdem thematisieren sie ihren Umgang mit dem Versal-Eszett und die besondere, kantenumlaufende Darstellung des Barcodes auf den Verbrecherei-Büchern. 

Im Kopf geblieben: Eine ISBN muss in einer bestimmten Größe gesetzt sein, um den Anforderungen zu entsprechen. Also: Make the ISBN bigger!

Das Publikum hat ganz unterschiedliche Herangehensweisen an Inhalt und Gestaltung gehört: programmatische, individuelle, pragmatische, politische, spielerische und hintergründige. Es ist spannend, den gedanklichen Kreis größer zu ziehen und das Thema Schrift aus ganz unterschiedlichen Perspektiven zu betrachten. Dafür müssen nicht alle Schrift-Profis sein – und so ist es bereichernd, mit Wort-Profis, Denk-Profis und Buchmarkt-Profis zusammenzukommen. Der Austausch zwischen Typomenschen und Verlagsmenschen erweist sich für alle Seiten als interessant und anregend. So sitzen wir noch lange zusammen – und es wird nicht unser letzter Verlagsabend gewesen sein.

In diesem Sinne: Kauft Bücher und lest sie auch!

12.06.2025: Verlagsabend

Books, Books, Baby! Zum zweiten Mal laden wir Verlage ein, über Schriftanwendung zu berichten. Von den Inhaberinnen, Herausgebern, Autorinnen und/oder Gestaltern illustrer, eigenwilliger, unabhängiger Literaturverlage wollen wir wissen: Wie finden sie ihre bevorzugten Fonts? Wie treffen sie typografische Entscheidungen?

Dafür bringen sie beispielhaft Bücher mit, legen diese unter den Overhead-Projektor, blättern mit uns durch die Seiten – und stellen sich dem Gespräch. Wir freuen uns sehr auf die persönlichen Begegnungen mit und Einblicke in die Arbeit von: MerveSiesta Verlag, Trottoir NoirVerbrecher Verlag und Voland & Quist.

Wann? Donnerstag, 12. Juni 2025, 19 Uhr
Wo? Eisenacher Straße 56, im Studio von LucasFonts, 2. Hinterhof, 10823 Berlin-Schöneberg

Bis dahin, euer
Typostammtisch-Team


Typostammtische verpasst? Wer wissen möchte, wie es beim ersten Verlagsabend, bei unserem letzten Type Crit oder neulich beim Typostammtisch-Ausflug nach Potsdam zuging, wie wir das große Eszett gefeiert und welchen Stadtteil wir beim Schriftspaziergang 2024 in den Blick genommen haben, schaut in unser liebevoll gepflegtes Archiv.


Weiteres im Buchkontext – Juni ist Büchermonat in Berlin! Am 3. Juni geht’s Indie Stabi mit den Verlagen Orlanda und InterKontinental, am 19. Juni ebenfalls in die Stabi zur Ästhetik und Signifikanz des Buchumschlags. Selbermachen am Wochenende: 14./15. Juni im Letterpress-Workshop und 27./28. Juni im Lithografie-Workshop mit Stefan Tielscher, bbk berlin im Bethanien. Ebendort bietet die Buchkünstlerin Marianne Nagel aus Leipzig am 21./22. Juni Fortgeschrittenes Buchbinden für Künstler·innen, wärmste Empfehlung (die Autorin dieser Zeilen hat einen Workshop bei ihr mitgemacht). Am 17. Juni soll Molecular Typography (Details dort erfragen) an der UdK Berlin vorgestellt werden. Auch diverse Festivals locken: 13.–15. Juni Miss Read im HKW, 15. Juni Lyrikmarkt im Rahmen des Poesiefestivals an der Akademie der Künste, Hanseatenweg, dann das Berliner Bücherfest am Bebelplatz am 28./29. Juni mit über 100 Verlagen. Ausblick Juli: Als jährliche Sommer-Highlights der Literaturszene Berlins sind Kleine Verlage am Großen Wannsee, 5. Juli beim LCB, und die Brotfabrik-Sommerfest-Jubiläumssause steigt am 20. Juli in Weißensee. Print’s not dead.


Die Titelzeile ist in der Marjoree Mono von Bernd Volmer gesetzt, frisch ausgezeichnet mit dem TDC Certificate und erschienen bei Show Me Fonts. Das Bücherregalbild ist von Sonja Knecht; darin die Marjoree Proportional.

16.05.2025: Mastering Type 2023/24

Was ist der aktuelle Stand im Typedesign? Womit beschäftigen sich Studierende zur Zeit, welche spannenden Ideen werden umgesetzt? Wie viel kann man eigentlich innerhalb von kurzer Zeit wuppen? Das fragen wir uns jedes Jahr und stellen für euch in der Veranstaltungsreihe Mastering Type die Abschlussprojekte verschiedener Typedesign-Studiengänge aus. Dieses Jahr dabei: Reading (UK), TypeMedia (NL), TypeParis (FR), EsadType (FR), Écal (CH) und ANRT (FR).

Achtung, diesmal findet der Typostammtisch nicht wie gewohnt donnerstags statt. Die Ausstellungseröffnung ist am Freitagabend. Am Samstag könnt ihr die Projekte noch einmal in Ruhe anschauen. Zusätzlich wird es Kurzvorträge geben, bei denen einige Studierende ihre Arbeiten genauer vorstellen. Zu Gast sind wir in den Räumen der Weißensee Kunsthochschule Berlin.

What is the current state of type design? What are students currently working on, what exciting ideas are being realised? How much can you actually manage in a short space of time? We ask ourselves this question every year and exhibit the final projects of various type design degree programmes for you in the Mastering Type event series. This year’s participants are Reading (UK), TypeMedia (NL), TypeParis (FR), EsadType (FR), Écal (CH), ANRT (FR).

The exhibition opening is on Friday evening. On Saturday you can view the projects again at your leisure. There will also be short talks in which some students will present their work in more detail.

Das Programm im Überblick: / Program overview:

Freitag, 16.05. / Friday
Ausstellungseröffnung um 18:30 Uhr / Exhibition opening 6:30 p.m.

Samstag, 17.05. / Saturday
Vorträge Alumni: 15 Uhr / Project presentations 3 p.m.
Ausstellung ist geöffnet von 15 bis 18 Uhr / Exhibition is open from 3 to 6 p.m.

Wo? In der Aula der Weißensee Kunsthochschule Berlin, Bühringstraße 20, 13086 Berlin
1. Obergeschoss (kein Aufzug) / 1st floor (no elevator)

Bis dahin, wir freuen uns!
Typostammtisch-Team


Am 5. Mai spricht Lukáš Kubík online im Rahmen der CrossAsia-Talks der StaBi zum Thema „(Un)official Korean Sources on late Koryŏ in the Staatsbibliothek zu Berlin’s East Asian Collection“. Bereits zum dritten Mal finden am 9. Mai die Hypertalks von FutureFonts mit spannenden Vorträgen statt – online und zu verträglicher mitteleuropäischer Uhrzeit. Falls ihr beim April-Stammtisch nicht dabei wart, könnt ihr noch bis zum 9. Mai die Ausstellung „Further Reading – Language and Text as Means of Inclusion“ an der FH Potsdam anschauen. Und wenn ihr in Potsdam seid, lohnt sich auch das Museum Barberini mit der Ausstellung „Kosmos Kandinsky. Geometrische Abstraktion im 20. Jahrhundert“. Am 20. Mai hält Jiri Oplatek einen Vortrag bei der tgm (Live-Stream verfügbar). Es lohnt sich auch, die Veranstaltungen von Words of Type auszuchecken, im Mai z.B. „Introduction to Cyrillic“ und „Legibility research from a non-Latin perspective“.

Der nächste Typostammtisch findet am 12. Juni statt und wird ein Verlagsabend sein.


Die Titelzeile ist und die Schriften im Beitragsbild sind in der Garnish von Anagha Narayanan gesetzt. Das Bild hat Lucas de Groot aufgenommen.

Nachbericht 118. Typostammtisch: Berlin goes Potsdam

Neue Aufkleber von Samira Rehmert und Lukas Horn 🔥

Der Frühling trägt die Leute raus – sei es nach Kopenhagen, wo sich viele aus der Typostammtischcommunity von der zeitgleich stattfindenden ATypI inspirieren lassen – oder, nur ein paar S-Bahnstationen entfernt, nach Potsdam, wo es nicht minder spannende Schriftinhalte zu sehen und zu hören gibt. Auch viele Potsdamer·innen nutzen das nahe Gastspiel; glücklich, dass der Weg für sie ausnahmsweise mal kürzer ist.

Der Typostammtisch ist zu Gast am Fachbereich Design der FH Potsdam. Dort wird an diesem Abend die Ausstellung Further Reading eröffnet, die Studierende unter der Leitung von Prof. Christina Poth und Prof. Susanne Stahl konzipiert haben. Dazu später mehr. Zunächst einmal ganz herzlichen Dank, dass wir kommen durften!

Aufbau der Ausstellung
Ankommen des Publikums

Als Einstieg in die Tandem-Veranstaltung gibt es einen Typostammtisch-Vortrag von bekannten Gesichtern: Oliver Johannsen und Martin Gnadt. Die beiden haben schon einmal einen tollen Graffiti-Spaziergang rund um den Mauerpark für den Typostammtisch organisiert. Oli präsentierte außerdem gemeinsam mit Reinhard Deutschmann in unserem Bücherkurzvorstellungsformat das Magazin „Hypergraphie“.

Heute treten Martin und Oli als Teil eines Potsdamer Kollektivs auf: Seit 2020 organisieren sie das Hypergraphia-Festival auf dem Freiland-Gelände in der Nähe des Hauptbahnhofs. Und ja, richtig vermutet, das hängt mit dem erwähnten Magazin zusammen.

Oliver Johannsen und Martin Gnadt

Die beiden stellen sich vor (FH Potsdam-Absolvent Oli, Dozent-Student Martin) und stellen auch gleich klar, dass „Hypergraphia“ nicht Englisch, sondern Deutsch [hyːpɐˈɡʁafia] ausgesprochen wird. Sorry, offensichtlich sind wir seit Scooter so sehr an die englische Aussprache von „Hyper (Hyper)“ gewöhnt. Nächste Korrektur: Es geht nicht um Street-Art, sondern um Urban-Art – ein umfassenderer, wertschätzenderer Begriff, den wir gern ab sofort benutzen. Außerdem erfahren wir, was es mit dem Namen des Festivals auf sich hat. Dieser leitet sich nämlich von „Hypergrafie“ ab, einem manischen Schreibzwang. Zunächst gab es das gleichnamige Magazin, aus dem ein Schriftprojekt entstand, und im Folgenden ein ganzes Festival – Hypergraphia, das diverseste Graffiti-Festival Europas!

Die Schrift als Klammer verschiedener Unternehmungen

Martin und Oli geben einen Überblick, was sich seit ihrem Einstieg 2020 in Sachen Hypergraphia-Festival getan hat. Wir sehen Fotos aus den vergangenen Jahren, die sofort Lust auf Sommer und Schreiben machen. Außerdem erfahren wir etwas über das Freiland-Gelände, das dank unterschriebenem Erbpachtrechtvertrag für die nächsten 66 Jahre sicher betrieben werden kann. Keine schlechte Grundlage in diesen Zeiten! 

Die beiden nehmen uns mit in die Entstehung der jährlich wechselnden Corporate Designs des Festivals. Alle arbeiten mit der selben Schrift, einer schablonierte Interpretation der DIN 1451 (einst Normschrift für Verkehr und Logistik) in unterschiedlichsten Facetten, Defragmentierungen und gestalterischen Schwerpunkten. Außerdem erfahren wir von Battle-Disziplinen (Taggen, Throw Up, Bierkasten, 2m Abstand zur Wand, so hässlich wie möglich, malen per Overhead-Projektor-Projektion auf Häuserwände), der Broken-Windows-Theorie (kritisch zu betrachten!) und der Buchempfehlung Calligrafitti von Nils „Shoe“ Meulmann. 

Nachdem das Festival und die Organisator·innen 2024 pausierten, geht es 2025 mit neuem Team vom 12. – 14.09.2025 auf dem Potsdamer Freiland-Gelände weiter (Updates am besten hier). Leidenschaftlich rufen Martin und Olli dazu auf, das Event zu unterstützen, sei es mit Geld- oder Sachspenden (Siebdruck-, Schalungsplatten oder anderes geeignetes Material), oder personeller Unterstützung (Licht, Musik, Planung). Ein großer Fokus wird dieses Jahr darauf liegen, noch mehr FLINTA*-Personen eine Bühne zu geben. Unterstützung und Teilnahme wärmstens zu empfehlen!

Spendenkampagne: Graffitiwände erneuern
Spendenkampagne: Freiland-Gelände unterstützen
Mitmachen/Sachspenden: gern per Mail melden!

Für den zweiten Teil des Abends verlassen wir das Fotostudio – Getränke sind dort schließlich verboten – und hören gespannt den Professorinnen Christina Poth und Susanne Stahl im Foyer zu: Sie stellen die Ergebnisse des Hauptprojekts Further Reading vor. Es geht um Sprache als mächtiges Tool zur Inklusion, um die Grenzen zwischen Leserlichkeit und Unleserlichkeit, um einfache und gendergerechte Sprache. Die Ergebnisse, die wir anschließend in der Ausstellung besichtigen können, erkunden das Thema auf sehr breite Art und Weise und laden durch verschiedene Perspektiven ein, sich mit in- und exkludierenden Elementen von Texten auseinanderzusetzen.

Prof. Susanne Stahl und Prof. Christina Poth eröffnen die Ausstellung
Fotos: FHP / Hanna Hauten

Die Ausstellung ist noch zu sehen bis zum 09.05.2025. Die zweite Potsdam-Empfehlung dieses Nachberichts!

Einfach mal raus, den Kopf lüften, sei es in Berlin, Potsdam oder Kopenhagen. Einen schönen Frühling wünschen wir.

24.04.2025: Typostammtisch goes Potsdam

… nicht für immer, sondern nur für dieses eine Mal! Potsdam und Berlin verbindet vieles. Auch der typografische Austausch ist groß und das wollen wir gemeinsam mit euch entdecken. Freut euch an diesem Abend auf eine Doppelveranstaltung: Typostammtisch und Ausstellungseröffnung in einem! Wir bringen euch an einen Ort, der nicht wenig mit Typografie zu tun hat – an die Fachhochschule Potsdam, genauer gesagt in das Designgebäude auf dem Campus. Die Ausstellung „Language and Text as Means of Inclusion“ (Sprache und Text als Mittel der Inklusion) zeigt Arbeiten von Studierenden der FH zum Thema Inklusion und Exklusion von gesprochener und geschriebener Sprache. Sie sind im Rahmen eines Seminars von Typografie-Professorin Christina Poth und Editorial Design-Professorin Susanne Stahl entstanden. Umrahmt wird die Ausstellungseröffnung von einem tollen Typostammtisch-Vortrag: Wir freuen uns auf das Kollektiv vom Hypergraphia e.V., das an diesem Abend vor Ort ist und einen Einblick gewährt hinter die Kulissen des Hypergraphia Festivals – ein lokales Festival mit Graffiti, Streetart, Filmvorführungen und vielem mehr.

Also kommt vorbei, es lohnt sich an diesem Abend doppelt!
Freut euch auf vielfältigen Typo-Input und eine schöne Gelegenheit zum Netzwerken! Die Veranstaltung ist barrierefrei und für Getränke und Snacks ist gesorgt, einem gemütlichen Abend steht also nichts mehr im Wege. Aber Achtung, dieses Mal geht es schon um 18:00 Uhr los!

Wir freuen uns auf euch!

Wann? Donnerstag, den 24. April, Beginn um 18:00 Uhr, Eintritt frei
Wo? Foyer in Haus D, Fachhochschule, Kiepenheuerallee 5, 14469 Potsdam

Bis dahin,
euer Typostammtisch-Team.


Mit etwas Glück kann man noch einen Platz im Einführungskurs in die Devanagari-Schriftgestaltung mit Kimya Gandhi ergattern – online, auf Englisch und vom 4. April bis 9. Mai. Im Divan gibt es vom 11. bis 13. April eine internationale Kinderbuchmesse zu bestaunen, bei der auch ein Kalligrafie-Workshop angeboten wird. Am 12. April in Zürich gibt es den Tag der Schrift, dort hält unter anderem Anja Meiners aus dem Typostammtisch-Team einen Vortrag. Wer mehr über Font-Produktion erfahren möchte, bekommt tiefere Einblicke in Rosalie Wagners Kurs – online, auf Englisch und vom 12. bis 19. April. Vom 22. bis 26. April findet die AtypI-Konferenz in Kopenhagen statt. Am 25. April lädt der Fachbereich Design der FH Potsdam zur 4. Ausgabe des Further Reading Symposiums bei dem das Thema Designing for Readability im Mittelpunkt steht. Dort werden die Schnittstellen von Sprache, Typografie, Barrierefreiheit und Empowerment durch Design untersucht. Registrierung für’s Symposium hier. Am 28. April um 16 Uhr eröffnet Sonja Knecht ihre Ausstellung aus gebauten Buchstaben und Typewritings bei artspring berlin im Rathauscenter Pankow (bis 10. Mai). Und momentan kann man eine von Liad Shadmi geleitete Spendenkampagne unterstützen, damit Stolpersteine für die Familie der Grafikerin und Schriftgestalterin Franziska Baruch gelegt werden können.


Die Titelzeile ist aus der Novena gesetzt, die Lisa Schmidtke während ihres Studiums in Potsdam gestaltet hat.

10.10.2024: Future Fonts

Schriften werden fertiggestellt sein. Grammatikalisch gesehen steht dieser Satz im Futur II. Gleichzeitig beschreibt er ein einleuchtendes, designer·innenfreundliches und absolut spannendes Geschäftsmodell: Future Fonts. Was es damit genau auf sich hat erklären uns die beiden Köpfe hinter dieser Idee. Herzlich Willkommen, nach weiter Anreise aus Amerika: Lizy Gershenzon und Travis Kochel!

Type, like everything and everybody else, is in progress. This fact provides the basis of an evident, designer friendly and absolutely thrilling concept: Future Fonts. Lizy Gershenzon and Travis Kochel, founders and owners of Future Fonts, will join Typostammtisch to share different perspectives on their business and creative universe (talks in English). A warm welcome to Travis and Lizy, coming all the way from America!

Watch out! After the presentations you’ll have the possibility to show your own typefaces in progress to Future Fonts designers to get feedback. These mini crit sessions will take place in a separate room.

In ihren Vorträgen (auf Englisch!) geben uns Travis und Lizy verschiedene Perspektiven auf Future Fonts und das damit einhergehende Schrift-Universum. Danach habt ihr die Möglichkeit, eure eigenen werdenden Schriften einigen Future Fonts Designer·innen zu zeigen und Feedback zu erhalten. Diese Mini-Crit-Sessions finden in einem separaten Raum statt.

Wir freuen uns auf euch.

Wann? Am Donnerstag, den 10. Oktober um 18:30 Uhr / Thursday, October 10, 6:30 p.m.
Wo? Kiezraum LauseRia, Lausitzer Str. 10, 10999 Berlin (2. Hinterhof Erdgeschoss) / Second backyard, ground floor

Bis dahin,
euer Typostammtisch-Team


Am 6. Oktober steigt online der kostenlose Letterpress Summit der Community Ladies of Letterpress. Der Zusatz „The State of the Art and Craft“ klingt vielversprechend! Am 9. Oktober beschäftigt sich eine weitere Ausgabe der Ignite Future Talks in der p98a mit KI und Design. Online und zu einem sehr fairen Preis findet vom 16.–20. Oktober das Inscript Festival zu experimenteller Schrift statt (Vorträge im Nachgang streambar). Am 24. Oktober startet die Vortragsreihe Schrift.Bilder.Schrift mit Fokus auf Kalligrafie an der StaBi unter den Linden: Den Auftakt macht Sybille Krämer zum Thema Schrift, Schriftbildlichkeit, Digitalität. Am 7. November spricht Christoph Rauch über Osmanische Kalligrafie. Weitere spannende Vorträge u.a. von Petra Rüth und Ulrike Rausch folgen – unbedingt im Auge behalten! In diesem Herbst seien euch auch die Fachvorträge zum Thema Inklusives Kommunikationsdesign und Leichte Sprache der tgm ans Herz gelegt; z.B. am 7. November von Albert-Jan Pool und Antonia M. Cornelius zum Thema Leichte Sprache und Schrift. Noch bis 20. Dezember könnt ihr bei der Ausstellung Droste Digital im StaBi Kulturwerk über die handgeschriebenen Manuskripte von Annette Droste-Hülshoff wandeln. Und nochmal StaBi (aber in einem anderen Haus und noch bis 26. Januar): Bei der Ausstellung Displayed Words geht es um poetische Begegnungen im urbanen Raum.


This month’s header typeface is Kablammo, designed by Travis Kochel and team, published by Vectro Type / Googlefonts. The pictures were provided by Lizy and Travis. Thank you!

04.07.2024: Adam Romuald Kłodecki aka Theosone

Please scroll down for the English version.

Der kalendarische Sommeranfang liegt hinter uns und wir möchten mit euch einen in dreifacher Hinsicht ganz besonderen Sommerabend verbringen: Erstens freuen wir uns auf inspirierende Einsichten von Adam Romuald Kłodecki (@Theosone) – seines Zeichens Kalligraf, Tattoo-Artist, Industriedesigner, Gründer des Scriptorium Berlin und der Plattform Calligraphy Masters. Adam wird uns seinen Skizzen- und Arbeitsprozess, sowie seine Tools näher bringen (Vortrag auf Englisch).

Zweitens dürfen wir im Rahmen der Reihe Type & Wine (immer sommerdonnerstags!) zu Gast im und vor dem schönen Buchstabenmuseum sein. Vor dem Stammtisch ist das Museum regulär geöffnet – für euch eine tolle Gelegenheit, die aktuelle Ausstellung „Final Sale“ anzuschauen. Und drittens bildet der Typostammtisch sozusagen die Vorband für das diesjährige Berlin Letters Festival, das am 05. Juli startet. Ihr könnt euch also ganz vorfreudig mit uns auf das Festival einstimmen (pssst, kleine Überraschung unten in den Veranstaltungstipps). Wenn das mal keine drei guten Gründe sind …!

Summer has officially started and we would like to celebrate a special summer evening with you in three respects. Firstly, we’re very happy to welcome calligrapher, tattoo artist, industrial designer, founder of Scriptorium Berlin and Calligraphy Masters — Adam Romuald Kłodecki (@Theosone)! Adam will be sharing insights of his work, inspiration and tools (talk in English).

Secondly, it’s great to be at Buchstabenmuseum as part of their “Type & Wine” events happening every Thursday this summer. The museum will be open before Typostammtisch, which is a great opportunity for you to see the current exhibition “Final Sale”. Aaaand, the third reason why this is going be a special evening: Typostammtisch inofficially works as opening act of Berlin Letters festival starting on July 5. Because we’re so excited, you get a little surprise (see the event news below).

Wir freuen uns auf euch.

Wann? Donnerstag, den 04. Juli, Beginn schon 18:00 Uhr, Einlass 17:30 Uhr
Der Eintritt zum Typostammtisch ist frei.
When? Thursday, July 4, starting at 6 p.m. (door’s open 5:30 p.m.)
Admission to Typostammtisch is free.
Wo? Buchstabenmuseum, Stadtbahnbogen 424, 10557 Berlin

Bis dahin,
euer Typostammtisch-Team


Sommerzeit ist Rundgangzeit. An einem langen Wochenende vom 18. bis 21. Juli (individuelles Programm beachten!) finden sowohl die Werkschau an der HTW, als auch die Rundgänge an der Kunsthochschule Weißensee und der UdK statt. Zudem gibt es momentan gleich zwei spannende Plakatausstellungen: 100 Beste Plakate aus Deutschland, Österreich und der Schweiz bis zum 07. Juli im Kulturforum, sowie Niklaus Troxler – Serious Fun, zu sehen bis zum 16. August im CVAB.

*

Berlin Letters Überraschung: 20% auf alle Workshops gibt es bis Ende Juni mit dem Rabatt-Code h57p3zuj (Workshops auch ohne Festival-Ticket buchbar) / Berlin Letters surprise! Save 20% on all workshops until the end of June with this code: h57p3zuj (workshops can be booked separately without a festival ticket).


Die Titelzeile ist in der Kyle von Ligature Type gesetzt, erschienen bei Blaze Type. Die Bilder wurden vom Scriptorium und vom Buchstabenmuseum bereitgestellt. Danke!

Nachbericht 111. Typostammtisch: A Tribute to FontShop

Alle Schwarz-Weiß Fotos: Norman Posselt

Der Typostammtisch lädt zur FontShop-Retrospektive. In der vollbesetzten Udk-Aula breitet der heutige Talkmaster Jürgen Siebert die Geschichte des FontShops vor dem aufmerksam lauschenden Publikum aus – in a Nutshell sozusagen. Mit auf dem Podium: Ivo Gabrowitsch, Erik Spiekermann und Petra Weitz, die vom Talkmaster mit Stichworten versorgt werden und viele interessante, nachdenkliche und vergnügliche Anekdoten beizutragen wissen.

FontShop wurde 1989 in bewegten Zeiten gegründet. Und wer reißt da die Mauer ein?
Foto: Norman Posselt
Zunächst war FontShop ein einzelner Schreibtisch neben dem MetaDesign-Büro in der Motzstraße. Ende 1989 bezog das das Team dann ein Büro im einzigen Haus auf weiter Flur: Hier im Bild der erste Firmensitz auf dem damals beinahe unbebauten Potsdamer Platz. An die Zeit in der Motzstraße erinnert sich Petra:


„Da saßen wir nun in diesem kleinen Kabuff und haben darauf gewartet, dass jemand anruft und eine Schrift bestellt.“ 

Petra Weitz
Vom Mailorderversand mit Fonts auf Disketten zu einem der ersten Anbieter für Webfonts.


„Eigentlich haben alle im Versand angefangen.“ 

Petra Weitz

FontShop war der erste maßgeblich von den Designern geführte und gelenkte Schriftenvertrieb. Das Geschäftsgeheimnis? Laut Jürgen Siebert die Anpassung der jeweils neuen Technologien, immer in enger Zusammenarbeit mit den Schriftgestalterinnen und Schriftgestaltern.

Experimente, wie z.B. die Random-Fonts Beowolf (von Erik van Blockland und Just van Rossum, 1990) gehörten dabei genauso zum Leistungsspektrum …
… wie die exzessive Zweckentfremdung von OpenType-Features in der Diagrammschrift Chartwell (von Travis Kochel, 2012), um nur zwei innovative Beispiele aufzuzeigen.
Faxkommunikation zwischen Just van Rossum und Erik Spiekerchef. War damals so, das mit den Faxen.
Das Fontshop-Logo konnte aus verschiedenen Schriften bestehen und basierte auf aneinandergereihten Quadraten.


„Heute würde man dafür Design Thinking machen und zwei Tage aufs Land fahren.“ 

Erik Spiekermann
Das originale FontShop-Logo von Neville Brody (schwarz/rot) entwickelte sich zur allseits bekannten Farbkombination schwarz/gelb.
Doch, ein Chart weiter: Zwei F ineinander zu verschachteln, auf diese Logoidee kamen offenbar auch andere Unternehmen …
Welche Entwürfe wurden zu FontShop-Schriften? Darüber zu entscheiden, war Aufgabe des Type Boards. In wechselnder Besetzung wurden in dieser Runde regelmäßig Einreichungen begutachtet und das Programm kuratiert.

Zum Schriftenrepertoire haben die Podiumsgäste dabei durchaus unterschiedliche Erinnerungen:

Jürgen: „Das war minutiös geplant durch das TypeBoard.“
Darauf Erik: „Ich habe in meinem Leben noch nichts minutiös geplant.“

Auch Ivo plaudert aus dem Nähkästchen, zum Beispiel über Naming-Prozesse:


„Ich war kein großer Fan des Namens ‚FF Mark‘. Im Nachhinein ist es gut, dass die Schrift so heißt. Die Bedeutung ‚Trademark‘ bzw. ‚Marke‘ hatten wir nur beiläufig mitgedacht.“ 

Ivo Gabrowitsch
Der bereits erwähnte Neville Brody war Initiator des Magazins Fuse. Daraus entwickelte sich …
… die Fuse-Konferenz, ein internationales Zusammentreffen zur Typographie. Aus der Fuse wurde schließlich die Typo Berlin, zeitweise die größte Designkonferenz Europas.

Beim Q&A gibt es Aufklärung zu den verschachtelten und dramatischen Geschehnissen rund um den Verkauf. Ein Hauch von Kollektivaufarbeitung, 10 Jahre danach, mit durchaus emotionalen aber auch gereift-grasüberwachsen-milden Aussagen von Publikum und Podium. Oder wie Petra es formuliert:


„Entweder ihr glaubt es jetzt – oder nicht!“ 

Petra Weitz

Schwenk aufs Publikum mit einigen Diskussionsstreiflichtern: Die FontShop-DNA lebt in den vielen kleinen und größeren Vertriebsmodellen weiter. Das Verblassen von etwas Großem schafft Raum für viele Kleine, die ihrerseits wachsen können – und Fehler machen. Um Transparenz geht es auch: Die FontShop-Zeit (aber auch das letztliche Ende) als Beispiel für Unternehmertum, das nie welches sein wollte – aber die Rolle lernen musste. Zur Sprache kommen Naivität und Realität, geerntete Früchte und gekaufte Juwelen.

Deutlich wird an diesem Abend: FontShop war nicht nur durch die Schriften prägend für die Zeit. Es waren auch (und vor allem) die beteiligten Menschen, die im FontShop selbst oder in dessen Umfeld tätig waren, die das Unternehmen zu einem besonderen gemacht haben. Viele von ihnen sind an diesem Abend anwesend.

Einen ganz herzlichen Dank an:

unsere Podiumsrunde, namentlich Petra Weitz, Jürgen Siebert, Erik Spiekermann und Ivo Gabrowitsch, für eine toll vorbereitete Zeitreise und eure Offenheit. Danke an die Udk, dass wir die Aula nutzen durften und an Lucas de Groot, der seine bestens archivierte FontShop-Drucksachen-Sammlung zur Ansicht mitgebracht hat. Außerdem ein großes Dankeschön an Norman Posselt, der viele bekannte Gesichter und die Stimmung an diesem Abend so wunderbar eingefangen hat. Seine Bilder möchten wir euch nicht vorenthalten (und ihr könnt alle bei Flickr anschauen):

11.04.2024: A Tribute to FontShop

Zeiten ändern sich. Zeiten ändern uns. Zeit wird’s für gemeinsame Erinnerungen und Reflektion!

1989 von Joan und Erik Spiekermann gegründet, hat das „Versandhaus für digitalisierte Schriften“ (lt. Wikipedia) viele Menschen begleitet und inspiriert. Viele von euch haben FontShop mit aufgebaut und weiterentwickelt. Ein Stück Berliner Schriftgeschichte also, das wir mit euch in einer Mischung aus Gesprächsrunde, Mitarbeiter·innen- bzw. Ehemaligentreff und Feierabendbier würdigen möchten. Wem FontShop nichts (mehr) sagt, ist herzlich eingeladen, sich ein Bild zu machen.

Zur Podiumsdiskussion, moderiert von Jürgen Siebert (ehem. Leiter Marketing und Vorstand FSD*), treffen sich Erik Spiekermann (Gründer und ehem. Gesellschafter), Petra Weitz (ehem. Managing Director FSI) und Ivo Gabrowitsch (ehem. Marketing Director FSI).

Ihr seid herzlich eingeladen, FontShop-Merch und Publikationen zur Ansicht und zum Tausch mitzubringen. Zur Einstimmung in das Thema gibt es lesenswerte Artikel u.a. auf Jürgen Sieberts Fontblog und Sonja Knechts Seite Txet.

Wann? Donnerstag, den 11. April, Beginn schon 18:30 Uhr, Einlass 18:00; Eintritt frei
Wo? Medienhaus UdK Berlin, Grunewaldstraße 2–5, 10823 Berlin-Schöneberg. Wir sind in der Aula im 1. Stock.

Bis dahin,
euer Typostammtisch-Team


Rückblick: Den Nachbericht des 110. Typostammtischs mit Mark van Leeuwen und Savva Terentyev könnt ihr hier lesen.

Am 9. April ab 18:00 Uhr stellen sich in der Reihe Indie Stabi in der Staatsbibliothek die Verlage PULP Master und Hirnkost vor. Das Buchstabenmuseum startet ab 9. Mai und bis Oktober jeweils donnerstags die Reihe Type & Wine – Your Type Moment After Work. Es wird Austausch und kurze Vorträge im eigenen Vorgarten geben, sowie Getränke und auch Beschäftigungsmöglichkeiten für Kinder. Kurzfristig informieren könnt ihr euch via Instagram. Bis auf weiteres läuft im Kunstgewerbemuseum die Reihe More than Human – Design nach dem Anthropozän. Laut Webseite eine „diskursive Plattform mit Pop-up-Ausstellungen, Vorträgen (…), um sich mit dem komplexen Konzept More than Human aus der Perspektive der Gestaltungsdisziplinen, insbesondere des Designs, auseinanderzusetzen.” Last but not least: Tickets für Berlin Letters vom 5. bis 7. Juli sind nun erhältlich.


Die Titelzeile ist in der Scala von Martin Majoor gesetzt, einer FontShop-Schrift der ersten Stunde, vorgeschlagen von unseren Podiumsdiskussionsgästen.

* FSD: FontShop Deutschland; FSI: FontShop International; Fontshop ist eine Marke der Monotype Imaging Inc.

Nachbericht 110. Typostammtisch: Mark van Leeuwen & Savva Terentyev

Zunächst Neues aus der Kategorie „Speaker·innenessen“. Diesmal kredenzt Küchenchef Lukas Horn Hutspot (die holländische Version von Kartoffelbrei) mit kellereigenen Möhren der Eltern. Saulecker, pardon, und auch noch s… sehr passend, weil unser erster Sprecher Mark mit „van Leeuwen“ einen erkennbar holländischen Nachnamen hat. Savva Terentyev, unserem zweiten Sprecher, schmeckt’s ebenfalls. Uns sowieso – kann also losgehen!

Lukas ist heute Abend Multi-Funktionator. Neben der Rolle am Herd ist er gemeinsam mit einem unserer neuen Gesichter im Team, Samira Rehmert, Tandemverantwortlicher in Sachen Planung. Da Samira leider krank ist, moderiert Lukas. Zunächst kündigt er seinen Ex-Mitstudent an der FH Potsdam an. „Ich war neidisch, weil er so viel kann“, gesteht Lukas. Herzlich Willkommen beim Typostammtisch, Mark van Leeuwen!

Mark ist Gestalter mit italienisch-holländischen Wurzeln, der vor allem auf Instagram sehr sichtbar ist. Seinen Vortrag gliedert er in Intersektionen der Bereiche seiner Arbeit: Lettering, Type Design, Client Work, Free Work, Graphic Design. Stellt euch, mangels Foto, diese 5 Begriffe umrundet mit organisch geformten Bubbles vor, die sich überschneiden. 3 oben, 2 unten. Ups, wie durch Zufall blitzt auf der nächsten Folie das Logo der olympischen Ringe auf. Lustig. Aber diese schlau geplante Referenz deutet schon die Substanz der Arbeiten an, die Mark uns im Folgenden zeigt.

Los geht’s mit der Überschneidung der Bereiche Free Work und Graphic Design. „Das war meine Mosaik-Phase“, meint Mark trocken. Wir sehen Grafiken, bei denen jedes einzelne Mosaikteil einzeln in ProCreate arrangiert, dann in Adobe Photoshop coloriert wurde. Nachdem er diese freie Arbeit auf Instagram gezeigt habe, wurde genau dieser Stil für eine Buchcover-Reihe angefragt. „Es war eine Höllenarbeit“, kommentiert Mark. Das Projekt dauerte insgesamt 3 Jahre, zum Glück nahm die Buchstabenanzahl der Buchtitel aber ab (denn selbstverständlich sind auch die Buchstaben handgemacht).

Eins führt zum anderen: Freie Arbeit führt zu …
… Auftragsarbeit – führt zu …
… mehr Auftragsarbeit.

Bei der folgenden Intersektion aus Lettering und Type Design entstanden aus Letterings ganze Schriften. Mark zeigt hier die Oakley, eine organisch-warme Hommage an die 60er und 70er Jahre, und die Aespira, eine grazile Kontrastreiche mit einer lebhaften Italic inklusive Swash Caps.

Die nächste Schriftfamilie Cortese wiederum ist ein Beispiel für die Überschneidung der Bereiche Type Design und Client Work. „Die Cortese ist mein erstes Revival“, sagt Mark. Nämlich das der Cortez, einer Letraset-Schrift von Philip Kelly, entstanden 1977. Die Neuinterpretation kommt mit vielen Schnitten, Alternates und ist im großen Stil geeignet für Heavy-Metal-Anwendungen jeder Art. Man kann sich dahingehend auch mal auf Marks Webseite umsehen, das macht richtig Spaß! 🤘

Weiter geht’s mit dem Bereich Graphic Design (Überschneidung vergessen!) und dem Projekt „Read my Lips“, entstanden in Zusammenarbeit mit einem Kommilitonen an der FH Potsdam. Gemeinsam wollten sie Zwischentöne der non-verbalen Kommunikation sichtbar machen. Was geht verloren, wenn wir nicht live miteinander sprechen? Naheliegende Schlussfolgerung: Die Bewegung des Mundes. Also haben die beiden Lippenbewegungen beim Sprechen abgefilmt und vermessen. Ja, vermessen. Wir sehen Parameter in Tabellen – „3 Semester sahen so aus“, sagt Mark. Die Daten übertrugen sie dann auf die entsprechenden Laute in der Schrift, was dazu führt, dass Laute, bei denen der Mund eher offen ist (wie a, e, i, d), in der entstehenden Schrift dünner sind. Laute, die mit eher geschlossenem Mund gebildet werden, erscheinen dagegen fetter und schwärzer. Da natürlich verschiedene Münder vermessen wurden, ist ein Variable Font entstanden, der kontinuierlich „wabert“. Ziel sei es, so Mark, eine Anwendung zu bauen, die diesen Prozess individuell umsetzen kann. Jeder Mund bekäme eine eigene Schrift. Eine große Aufgabe und ein zaghafter Aufruf ins Publikum, sich mit ihm kurzzuschließen, wenn da eine Zusammenarbeit möglich ist. Ansonsten schließt Mark das Thema lapidar: „Es hat schon einen Grund, warum wir jetzt anderthalb Jahre nicht an dem Projekt gearbeitet haben …“

Zeit für Fragen (Wie viele Arbeitsstunden stecken in dem Mosaik-Covern? Inhaltliche Herleitung Mosaik-Cover? Welcher Verlag? Nachfragen zu einem 3D-Chromeoptik-Cover, das Mark gezeigt hat …). Fazit: Wir sind alle neidisch, nicht nur Lukas, auf so tolle und vielfältige Arbeiten schon mit Mitte Zwanzig. Vielen Dank und viel Respekt, Mark!

After a short break (which we can use to thank Luc(as) de Groot and his team to once again host a Typostammtisch in their nice office), we welcome our second speaker, publisher of musical editions and jazz pianist Savva Terentyev – and we switch to English because Savva does so, too. His lecture will be all about musical typesetting, which he prefers to do manually. “If you have read this, you are acquainted with 50% of literature ever published on the design of music typefaces”, he comments one of the first slides containing some basic information on musical notation. “… Well, maybe 30%.” Wow. At least for the author of this text (who has nothing but little school-based knowledge on the topic, contrary to a lot of people in the audience) it seeeems to be a bit more complicated looking at the given examples. So let’s double knowledge!

In the following, Savva gives us an overview of the literature landscape concerning musical notation. Question to the audience: “When do you think the first English-language book on the production of printed music came out?” We have a guess at 1500. Another one says “If you are asking like that I’d say 1920”. Bingo! It was not earlier than 1923. Considering the fact that one of the first English-language books on printed matter was published 340 years ago (Mechanick Exercises or the Doctrine of Handy-works by Joseph Moxon, 1684), this is quite late. Savva says that a general early œuvre would be very helpful, similar to the Manual of Typography by Giambattista Bodoni (1818). He also takes Trajan’s column as reference for the Latin script: something it started with, something everybody can relate to. Basically, Savva is looking for historical roots of his deep passion. Indeed, in a book shelf picture we see that the respective section in his shelf is rather sparsely filled. To our advantage, he’s able to bring some of these treasures with him tonight (find a comprehensive literature list on Savva’s Patreon page). After the talk, everybody is invited to take a look at the books and Savva’s own publications.

Picture: Savva Terentyev

Another good source is a collection of historical specimen provided by Stephen Coles and Caren Litherland on Typographica. You can find lovely musical engraving in a lot of these type specimens. Savva states that when listed chronologically, 12 out of 15 of the earliest specimens (i.e. from American Type Founders) contain examples for music type. This is kind of a discrepancy on the rather sparse literature covering the topic. The routine of putting musical notation in type specimens stopped around 1905.

Then, Savva explains the logic of a music engraver. The lines were carved, whereas the notes and signs were punched. Today, type designers design notes and the lines are done by the software which rather leads to conflicts from Savva’s perspective. Now and then, he walks over to the chalkboard to explain some basics (the author wanted to double knowledge, remember?!). Notes consist of a notehead, a steam and a beam which can have different directions. He also zooms into musical notation and shows us especially designed notes with a smooth joint between stem and notehead (audience is like: “Ahhhh!“).

There’s a question from the crowd. “Can you please show your work?” – Of course. He shows A transcription of Samsara, a piano piece in two parts composed by Tigran Hamasyan (yes, the title is that long) and explains that you can set notes more or less free but you always have to keep an eye on the page turn. In text setting, separating in the middle of a word or a sentence is mostly not a problem but in musical setting, you have to turn the page when the musician has the time to turn the page. Savva also shows an example where a comprehensive piece was limited to 8 pages which led to very tight spacing between the notes – being his preferred style anyway.

Following up on this, another question from the audience: “What is readability when it comes to notes? Which are the parameters?” A very lively discussion with professional musicians and people from the music notation scene follows, essentially centering around the question whether or not to use music notation software for projects or set the notes manually. Amongst others, we welcome back Werner J. Wolff, who talked at Typostammtisch about this very topic back in 2013. It’s great to see that Typostammtisch is an opportunity for professional exchange now as before, that’s what is was introduced for. We really hope that protagonists can foster this exchange beyond Typostammtisch.

By the way, it would be interesting to see a composer putting this evening’s mood into a piece of music and then different approaches in setting its transcription.

It was a remarkable evening. THANK YOU to everybody involved.

Photos unless stated otherwise: Luc(as) de Groot