Großes Buchstabenglück, krönender Abschluss: Unser Schriftspaziergang mit Biergartentreff fiel auf den letzten, wunderschönen Sommertag des Jahres.
Eine buntgemischte Gruppe nicht nur ortsansässiger Buchstabenfans traf sich zum gemeinsamen Aufbruch schon am frühen Nachmittag: „Auf unserem Weg durch die historische Mitte Berlins sahen wir gefräste, gegossene, emaillierte und geplottete Schrift“, berichtet Schriftspaziergangsleiter Florian Hardwig. „Wir fachsimpelten über die Mischung von Fraktur und Antiqua auf Grabsteinen aus dem 18. Jahrhundert und staunten über eine frühe Serifenlose, die um 1850 den Kern eines umfassenden Gestaltungsprogramms bildete. Hoch über unseren Köpfen machten wir Stärken und Schwächen von Architektenschriften aus und entdeckten zu unseren Füßen konturierte Messinglettern, eingelassen in den Boden des Alexanderplatzes.“
Schützenswerte Schätze
„Ein roter Faden“, so Florian weiter über ihren Weg, „war die Berlin-spezifische Geschichte unseres Stadtbilds, geprägt von den Verheerungen des Weltkriegs – und ebenso denen der autogerechten Modernisierung, muss man sagen; und geprägt natürlich auch von der politischen Teilung.“ Aus seiner Sicht leidet das Stadtbild (leiden wir) bis heute, neben den historischen Destabilisierungen, grundsätzlich unter „der fehlenden Sensibilität für Schrift im öffentlichen Raum als schützenswertes Kulturerbe“.
Sehr schön, dass die Gruppe auf ihrem Spaziergang auf zeitgenössisch Bekannte(s) traf: „En passant entdeckten wir Buchstaben, für die Teilnehmer unseres Schriftspaziergangs verantwortlich zeichnen: die einst von Andreas Frohloff ad hoc überarbeitete Schrift für Straßenschilder und die jüngst von Martin Wenzel zusammen mit Jürgen Huber (der nicht mitgekommen war) entwickelte Hausschrift eines Elektronikmarktes.“ Nach drei kurzweiligen Stunden hießen Henning Wagenbreths handgemalte Schriftschilder im Prater-Biergarten – und wir alle, die schon dasaßen – die Buchstabenaufspürer willkommen.
Im Pratergarten hielten wir mehrere Garnituren Tische und Bänke voll besetzt, es wurde begeistert vom Spaziergang berichtet, gefachsimpelt was das Zeug hält, über Entenfedern etwa und Schriftentwürfe, später dann mit Mobiltaschenlampen. Ein kurzer Regenschauer brachte uns ein bisschen Abkühlung, tat der grandiosen Stimmung aber keinen Abbruch.
Für mehr Details zum Schriftspaziergang fragt am besten die, die dabei waren. Ein Riesendankeschön an unsere Spaziergangsbeauftragten Florian Hardwig und Fritz Grögel für diesen sonnigen Höhepunkt des Jahres! Der nächste Schriftspaziergang kommt bestimmt; hoffentlich wieder mit euch beiden. Vielen lieben Dank allen Teilnehmenden für das rege Interesse und eure großzügigen Spenden an den Typostammtisch Berlin.
Wir sind schon voll in der Planung für drei schöne Herbststammtische – dann wieder indoors – und schicken wie immer vorab Einladungen (an alle, die unseren Newsletter und damit die Einladung abonnieren). Falls ihr euch das vormerken möchtet: Der Termin 27. September steht bereits, dann folgen sehr wahrscheinlich der 25. Oktober und der 29. November (Typostammquiz).
Von Fritz erreichen uns die Links zu der filmischen Dokumentation über den Wiederaufbau in Deutschland, von der er auf dem Spaziergang erzählt hatte: Deutsche Städte nach ’45. Ein Radio-Bremen-Film von Susanne Brahms und Rainer Krause. Teil 1: Bomben und Bausünden und Teil 2: Abriss und Protest. Sehr zu empfehlen, vielen Dank, lieber Fritz!