Nachbericht 76. Typostammtisch: Kurzpräsentationen im Grünen

Es war ein wunderschöner Abend. An dieser Stelle gleich nochmal ein Riesendankeschön unseren Gastgeberinnen Heike Nehl und Si­byl­le Schlaich! Der Hinterhof der Moniteurs in der Ackerstraße entpuppte sich als grüne Oase, dicht bewachsen, frisch beplankt von Alex Branczyk, der mit seinen Schwesterfirmen xplicit und drucken3000 im gleichen Hof sitzt und kurzerhand noch ein paar passgenaue Holzbänke gebaut hatte. Es war dann aber auch jeder Platz besetzt. Und das gab es zu sehen, zu hören, zu bestaunen:

Beatriz Rebbig, Berit Kaiser von Rohden (Moniteurs) – „Apfelgriebs, Behavior, Co-creation: Das ABC der Piktogramme“
Beatriz Rebbig, Berit Kaiser von Rohden (Moniteurs): „Apfelgriebs, Behavior, Co-creation: Das ABC der Piktogramme“Zum Auftakt gaben uns Beatriz und Berit, zwei Mitarbeiterinnen der Moniteurs, einen Überblick über eines der Spezialgebiete der Agentur: Piktogramme, Icons, Bildsymbole, wie sie in Wegeleitsystemen zum Einsatz kommen und passgenau für bestimmte Orte, Themen und Auftraggeber entwickelt werden. An ihnen und ihrer konzeptionsstarken Arbeit wie dem Terminal-Orientierungssystem kann es definitiv nicht gelegen haben, dass der Weg zum neuen Flughafen für Berlin so beschwerlich ist.

Dan Reynolds – „Die Norddeutsche Schriftgießerei“
Dan Reynolds: „Die Norddeutsche Schriftgießerei“Dan ist ein wandelndes Schriftgießereienlexikon, besser gesagt: Lexikon, Lageplan, Geschichtsbuch, Gestalter und Forscher in einem. Was er an Wissen und Detailfreude an den Tag legt, macht ihm so schnell keiner nach. Die Anwesenden durften staunend feststellen, dass sie sich mit ihren heutigen Firmen – ob vor Ort in Mitte oder im fernen Schöneberg gelegen, so Dans anlassbezogene Forschungsschwerpunkte – in den Epizentren der Schriftgießerien auch vorheriger Jahrhunderte befinden.

Jenna Gesse – „Form und Inhalt sind jetzt Freunde“
Jenna Gesse: „Form und Inhalt sind jetzt Freunde“Jenna ist Dozentin, Redakteurin, Gestalterin durch und durch. Im besten Sinn Generalistin, sind bei ihr Schrift und Sprache, Form und Inhalt, Sinn und Witz Freunde. Wir staunen über Jennas Einfallsreichtum und die ruhige Art, mit der sie ziemlich beste Gestaltungsideen präsentiert: etwa ihre minimalistisch visualisierte Autobahn, mit Begleitsound, Anklänge konkreter Poesie. Mich begeistert, wie leicht und vielschichtig die Autorin-Designerin von Leerzeichen für Applaus zeigt, dass Text gestaltete Sprache ist.

Daria Petrova, Inga Plönnigs – „Zukunftsschriften“
Daria Petrova, Inga Plönnigs: „Zukunftsschriften“Daria und Inga sind mit ihrem Vortrag über Future Fonts die Überraschungsgäste des Abends. Weil sie nicht nur ihre beiden sehr eigenwilligen, konzeptionsstarken Schriften Messer und Zangezi vorstellen und Einblicke in den Status quo ihrer persönlichen Gestaltungsprozesse geben, sondern das Prinzip der neuen Schriftplattform erklären: Type Designer können „unfertige“ Schriften einstellen und bereits zum Kauf anbieten, aber auch Feedback, Lob und Kritik erfragen und sich so im weiteren Ausbau ihrer Schrift begleiten lassen, von Nutzern, Fans und Kolleginnen.

Benedikt Bramböck – „Kategorie: Lückenhaft“
Benedikt Bramböck: „Kategorie: Lückenhaft“Benedikt möchte Wikipedia besser machen. Und zwar in einem entscheidenen, nämlich unserem Feld: Schriftgestalterinnen und Schriftfirmen sind im globalen Lexikon nur unzureichend vertreten und beschrieben, to say the least. Es fehlt an allen Ecken und Enden. Es fehlen vor allem Mitschreiberinnen, die das Ganze als Redaktionsgruppe in die Hand nehmen würden – so Benedikts Idee und Aufruf, eine Stimmung hoffnungsfroh-entschlossenen Ärmelhochkrempelns verbreitend. Gemeinsam sollte der Missstand zügig in den Griff(el) zu bekommen sein. Meldet euch!

Elena Albertoni – „(Not) always hand paint!“
Elena Albertoni: „(Not) always hand paint!“Elena widmet ihre Energie handgemachten Hausinschriften. Die versierte Schriftgestalterin war Mitarbeiterin bei LucasFonts und gründete 2005 Anatoletype. Jetzt belebt sie eine alte Profession neu, führt sie in die heutige Zeit und fügt ihr neue Qualitäten hinzu. Ihr Angebot umfasst die direkte Dienstleistung vor Ort, das Gestalten einer Ladenfassade nach den Wünschen der Besitzer, Beratung und direkte Anbringung, sprich, professionelle Bemalung der Hauswand. Eine von Elenas Spezialitäten ist das Arbeiten mit Blattgold – um zu untermauern, dass ihr Handwerk in Berlin goldenen Boden (und fundierte Tradition) hat? Wir sehen sie vor unserem geistigen Auge mit Farbpalette und Handkarren durch die Straßen ziehen und alles verschönern.

Christine Wenning – „Arbeite hart und sei nett zu den Menschen“
Christine Wenning: „Arbeite hart und sei nett zu den Menschen“Christines Vortrag ist einer der spannendsten des Abends. Sie berichtet gar nicht über ihre Arbeit direkt, sondern wie sie heute arbeitet. Nach Stationen in Hamburg, Berlin (Edenspiekermann, TYPO Berlin) und Bielefeld arbeitet sie heute in einer Agentur, deren Chef zu den Innovatoren der Branche, wenn nicht der gesamten Arbeitswelt gehört: Lasse Rheingans hat in seiner Agentur (nomen est omen) Digital Enabler die 25-Stunden-Woche bzw. den „5-Stunden-Tag im Selbstversuch“ eingeführt und sorgt damit für Furore. Es klappt uneingeschränkt. Das ganze Team arbeitet fünf Stunden am Tag, bei voller Bezahlung und gleichem Urlaub, und alle sind begeistert. Auch die Kunden. Wie das in der Praxis funktioniert und effizient ist, macht Christine fein anschaulich.

Charlotte Rohde – „Type Club Düsseldorf“
Charlotte Rohde: „Type Club Düsseldorf“Charlotte sieht ihren Type Club als „Plattform für Schriftgestaltung und -forschung“, insbesondere „für Schriftkonzepte von Studenten der Hochschule Düsseldorf“. Sie präsentiert Schriften und deren Gestalterinnen, Aktionen und Ausstellungen. Eine Schriftskizzensammlung, Vorträge und Interviews gehören dazu, ebenso der Austausch etwa mit Studierenden der UdK Berlin (Elias Hanzer) und Kolleginnen zum Beispiel von Riesling Type, Hamburg (konsequente Namenswahl der Herren Durst und Weinland). Sehr schön, zu sehen, wie allerorts Schriftfans zusammenfinden!

Gunnar Bittersmann – „FOIT, FOUT, FUCK.“
Gunnar Bittersmann: „FOIT, FOUT, FUCK.“Gunnar bewies in seinem Vortrag extrem gutes Rhythmusgefühl, kein Wunder, tritt er doch als Gitarrero einer Rockband auf. Er zitiert Laura Kalbag, Accessibility for Everyone, überzeugt mit schrifttechnischem Sachverstand und schlüssigen Abkürzungserklärungen (WOFF = weg mit den ollen Font-Formaten, FOIT = flash of invisible text usw.). Mit weiteren Detail muss ich leider passen und darf an dieser Stelle auf unseren bisher einzigen Typotechnikstammtisch verweisen. Und sprecht Gunnar selber an! Als Stammgast ist er stets präsent und offen dafür. Toll fand ich seine Anmerkung, dass in jedem Schriftvortrag (so also auch in seinem) eine Folie in Comic Sans zu erfolgen habe. 

Inga Plönnigs – „Magnetische Momente“
Inga Plönnigs: „Magnetische Momente“Inga machte in Ergänzung zum Future-Fonts-Vortrag (gemeinsam mit Daria Petrova, siehe weiter oben) wo sie Messer publiziert, ihren Gestaltungsprozess zur Magnet deutlich, mit der sie bei Type and Media in Den Haag graduierte. Begleitet von Feststellungen wie „das ist ja interessant“ und unerwarteten Entdeckungen wie dem „opportunistischen Kontrast“ durchleben wir mit ihr den Entwicklungs-, oder sollten wir sagen: Erweckungsprozess einer Schrift in schönster Transparenz. Es sei an dieser Stelle zu Ehren der Magnet eine wortspielerische Plattitüde erlaubt: höchst anziehend!

Jacob Heftmann – „Telling the Story of IBM Plex“
Jacob Heftmann: „Telling the Story of IBM Plex“Jacob, unsere Zufallsüberraschungsgast aus New York, macht anhand der Plex für IBM das Thema Custom Type plastisch, oder mehr noch: Branding mit Schrift. Corporate Branding, in diesem Fall. Das Unternehmen IBM setzt mit seiner neuen Haus- und Universalschrift markentechnisch Maßstäbe und macht sich noch unverwechselbarer. Wunderbarerweise wurde ein internationales Team Native Speaker und Type Designer diverser Sprachen und Schriftkulturen zusammengestellt – nur so kann es gehen und nur so geht es richtig, wird es richtig gut. Im Ergebnis ist die IBM Plex bestens gelungen, wird der Schriftgestaltungsprozess mitsamt aller Beteiligten exzellent kommuniziert und ist die (vom Publikum nicht uneingeschränkt gutgeheißene) Verbreitung als Free Font nur konsequent: IBM hat einst schon als Weltmarktführer und SchreIBMaschinen-Kultmarke auch in Deutschland das maschinelle Schreiben, ergo die selbsttätige Erstellung, Verbreitung und Vervielfältigung von Text ganz wesentlich vorangetrieben. Großes Lob, Dank und Huldigung meinerseits.

Lukas Horn – „fragenziehen“
Lukas Horn: „fragenziehen“Lukas hat sich ein großartiges Interview-Format ausgedacht: Die zu Befragenden ziehen sich ihre Fragen selbst. Gesetzt ist eine feste Karte mit der Aufschrift „Schrift“. Auf allen anderen Karten stehen andere Wörter, wie Innovation, Kunst, Musik, Natur, Toleranz und Trend, alle möglichen Wörter halt, die man sich zuziehen kann. Man reagiert auf die Kombination, also zum Beispiel (wie icke) auf „Schrift und Liebe“, oder „Schrift und Sprache“ (hatte ich zum Glück auch). Vom Publikum befragt nach Auffälligkeiten beim Antwortverhalten teilte Lukas mit, dass nicht etwa Paarungen wie „Schrift und Sex“ zu Schüchternheit führten, sondern bislang nur bei „Monopol“ auffallend zögerlich reagiert bis gar Antwort verweigert wurde. Aber dann gilt: neue Karte, neues Glück.

Manuel Viergutz – „Design ■ Fresh 😎 Display-Fonts 😍“
Manuel Viergutz: „Design ■ Fresh 😎 Display-Fonts 😍“Manuel machte den würdigen Abschluss, auch er ein Vortragender mit Heimvorteil. Als Mitarbeiter von drucken3000 ist er hier im Hof sozusagen zuhause und zeigt, wie er das Handwerkliche in die digitale Tat umsetzt. Seine rauen, rustikalen, bulligen Buchstaben erinnern an Kartoffeldruck und Holzschnitt, an grob Gehauenes und, wie soll man sagen: körperlichen Gestaltungspaß. Ob Hausnummern oder Schreibmaschinen, Aufblas- oder Spielbuchstaben, Manuel findet und setzt um und hat, unglaublich produktiv wie er ist, bereits rund 40 ausdrucksstarke Display Fonts im Sortiment. Tendenz steigend.

Das war allerhand. Es war schön, es war berührend und lehrreich. Volle Punktzahl auch für unser Publikum, das jeden Vortrag ebenso interessiert wie humor- und liebevoll begleitet hat. Man gab spannende Nachfragen, witzige Zusatzideen, launige Kommentare und Anekdotisches zum besten, teilte Fachwissen und Hintergründe. Fröhliche Bereitschaft zum fortgesetzten Austausch auch bei den Vortragenden, genug Bier und handgepflückte Pfefferminze für frischen Tee (die Stimmbänder der Moderatorin hatten etwas gelitten) – was will man mehr!

Hier noch ein paar Eindrücke von der Atmosphäre des Abends (Fotos Sol Matas):

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Recapitulating Typostammtisch #75: Veronika Burian

On Wednesday, 11th April 2018, we established a new tradition, it seems: our second Typostammtisch-before-the-Labs was a huge success. No wonder, as we had Vik Burian as our generous speaker.

Benedikt Bramböck introducing Veronika Burian, who shared with us her story: “A (non) direct path to type design”.

We spent a wonderful evening with insights, intense exchange and beautiful encounters among colleagues, many of them arriving just in time, with luggage and everything. We were happy to note at least five type design student groups, from The Hague (NL), Lausanne (CH), Ljubljana (SL), Reading (UK), and St. Petersburg (RU) – next to our lovely local colleagues and Berlin Typostammtischstammgäste. Let me not forget to mention Gayaneh Bagdasaryan and Sol Matas who – not only on that evening – proved to be perfect additions to the Typostammtisch team. Plus many more helping hands (Dan, Daniel, Golnar, Tom, …) Thank you, everyone!

One of Veronika’s first encounters with Schrift as a school child.

A multilingual, multicultural background

There where two aspects of Veronika’s talk that impressed me most, which were probably also new to most of the audience: the more personal insights in her life and career path, and the recent development of her company, TypeTogether. Veronika was born in Prague (CZ). When she was young, her family moved to Munich (D) where she started her studies. She continued in Vienna (AT), then Prague again, and Milan (IT), then shortly in the US, some years in the UK (working in London at Dalton Maag), then… well, I lost track. At some point Vik moved to Spain, where she still lives today, renovating a house on the countryside with her partner – surely all her design skills flowing into that as well. For, interestingly, Veronika graduated as an industrial designer in Munich. She indulged into that, working in Vienna and Milan for renowned agencies. So, she learned everything about curves and forms and about designing industrial products, first, plus she continued working as a graphic designer, when she discovered her deep love for type.

Veronika Burian summarizing and explaining th guiding principles at TypeTogether, and their multicultural approach both in type design and in team building.

Also Veronika Burian’s business partner José Scaglione, from (and still based in) Argentina, had been interested in other artistic fields, as she reveals: we see Vik’s “partner in crime” in a photo with his band live on stage. Vik and José met at the Typeface Design master course in Reading (UK), graduating in 2003. They established and expanded a cross-border partnership; later on they found further companions perfectly fitting in – no matter where they are located. Today, their team at TypeTogether comprises 10 people on a steady basis plus contributing freelancers, living and working all over the world.

Teaming up at TypeTogether

In recent years, Veronika has been busy with her own type design projects but also with that expansion of her company and with the accompanying necessities. In addition to her own extensive travelling – as a lecturer, as a teacher providing workshops, as a profound and prolific type crit at conferences – more tasks have arisen. With a growing team, you need advanced managing and coordinating skills, plus take care of your communications. Like probably many in the audience I was astonished to hear that three people at TypeTogether are doing communications, not all the time, but constantly, contributing to the website, designing and producing (look at those beauties) type specimen and catalogues, writing on their corporate blog, interviews, social media, talks, you name it.

Very nice that so many TypeTogether people were in the audience. We spottet Irene Vlachou from Greece, for example, one of their senior type designers since 2013, designing new typefaces as well as contributing to existing projects. There was Roxane Gataud from France, who published Bely at TypeTogether due to their first (please note) Typeface Publishing Incentive Program; Roxane joined in as type and graphic designer in 2016. Well yes, the TypeTogether team reaches from Norway (Ellmer Stefan) to Israel (Adi Stern, Liron Lavi Turkenich) to the Netherlands, Germany, Austria to China (Dr Liu Zhao) to the US (Juliet Shen, Tom Grace, Dr Mamoun Sakkal), with Joshua Farmer as (I cannot not mention my colleague) TypeTogether’s copywriter and editor since 2015. It is impressive. Also the range, variety and quality of retail fonts at TypeTogether, plus they offer custom type, is both impressive and fun to explore – don’t miss, dear graphic designers! Continue reading „Recapitulating Typostammtisch #75: Veronika Burian“

11.04.18: Veronika Burian

Please scroll down for English version. Wie letztes Jahr findet der Typostammtisch im April auch diesmal am Vorabend der Typo Labs statt. Wir treffen uns ausnahmsweise am Mittwoch und freuen uns auf zahlreiche internationale Besucher. Als Sprecherin dürfen wir Veronika Burian von der Foundry TypeTogether bei uns begrüßen. Veronika studierte Industriedesign in München und arbeitete als Produktdesignerin in Wien und Mailand. 2003 schloss sie das Typeface-Design-Masterprogramm in Reading ab. Gemeinsam mit José Scaglione gründete sie drei Jahre später das Schriftenlabel TypeTogether. Aber genug vorweggenommen. Wie das eine zum anderen führte wird sie uns selbst erzählen. Wir freuen uns darauf, gemeinsam einem Blick auf die Projekte, Arbeitsweise und Gedanken hinter TypeTogether zu werfen und Einblicke in Veronikas persönlichen Werdegang zu erhalten. Nach dem Vortrag ist dann noch genügend Zeit, um fachzusimpeln und sich mit den internationalen Gästen auszutauschen. Der Vortrag findet auf Englisch statt. Wir freuen uns darauf, euer Typostammtisch-Team /// It probably does not count as a tradition if something is done twice in a row, regardless we are looking forward to again welcome the international type community to Berlin this April. As a perfect start into the intense and interesting days that are Typo Labs 2018, we are very proud to welcome Veronika Burian as our speaker for this special occasion. After studying Industrial Design in Munich and working as a product designer in Vienna and Milan, she graduated from the Reading’s Typeface Design master program in 2003. Three years later she founded the type foundry TypeTogether together with José Scaglione, publishing original typefaces and collaborating on tailored typefaces for a variety of clients ever since. We look forward to getting a glimpse of the projects, working methods and thinking behind TypeTogether, as well as getting an inside look at Veronika’s personal career path. After the talk, there will be enough time to get to know the local type crowd and mingle with international guests. The talk will be in English. See you soon in Berlin, your Typostammtisch Team   When? On Wednesday, 11th of April, at 7 pm Where? At LucasFonts, Eisenacher Straße 56, 10823 Berlin-Schöneberg U-Bahn: U7 to Eisenacher Straße Bus: M48, M85, 104, 187, N42 to Albertstraße S-Bahn: S1 to Julius-Leber-Brücke or S1, S41, S42, S45, S46 to S Schöneberg  
Diesen Monat möchten wir euch auf folgende Events hinweisen: Petra Rüth veranstaltet ihr nächstes kostenfreies Meetup für alle Schreibinteressierten am 18. April, Zitat Petra: „Vielleicht animiert es einige Theoretiker, sich auch mal praktisch auszutoben“. Autor Jens Müller präsentiert im Gespräch mit Dr. Michael Lailach (Kurator und wissenschaftlicher Mitarbeiter der Kunstbibliothek Berlin) und Typostammtischgast Prof. Bernard Stein (Ott+Stein) das laut PAGE Magazin „beste Buch über deutsche Designgeschichte“: Design-Pioniere. Die Erfindung der grafischen Moderne (parallel auf Englisch erschienen unter dem Titel Pioneers of German Graphic Design): Donnerstag 26. April, 18 bis 20 Uhr, Kunstbibliothek am Matthäikirchplatz 6 in Berlin-Tiergarten, Eintritt frei. Und vom 27. bis 29. April 2018 richten die 24. Leipziger Typotage den Blick auf damals, heute und in der Zukunft.
Die Titelzeile zeigt die Protipo Narrow Semibold Italic von Veronika Burian & José Scaglione. Das Foto zeigt die Essay Text von Ellmer Stefan im Book Type Catalogue von TypeTogether.

Nachbericht 73. Typostammtisch: Zeitreise mit Klaus Rähm

Die Stühle stehen, das Licht ist gedimmt, das erste Dia (auf der Nebenleinwand) sorgt für Stimmung: Ein launiges „Vorsicht, Schrift“-Schild auf altem Gerät ist dort zu sehen. Klaus betitelt seinen eigentlichen Vortrag „Typotaten“ und eröffnet ihn mit einem Foto von sich selbst als Vierjährigem. Das war genau in der Kriegszeit, „und das war furchtbar“, und das müsse er jetzt hier erst mal erklären, dass das eine schreckliche Zeit war. Klaus Rähm ist Jahrgang 1937. Der junge Nachkriegsklaus wird in der DDR zum Leistungsturner; wir sehen ihn als obersten auf einem Turm junger Männer, im Handstand steht er auf den Schultern eines anderen. Beeindruckend! Beeindruckend sportlich wirkt er ja bis heute.

Klaus Rähm mit Lucas de Groot bei der Vorbereitung: Auswahl der Arbeitsproben für die vortragsbegleitende Ausstellung.

Man kann das ja ruhig auch mal so sagen

Diese ersten Bilder bringen uns Klaus näher in seiner Lebenserfahrung. Auf einem weiteren zeigt er uns ein Schaufenster mit einer von ihm in seiner Lehrzeit frei Hand gezeichneten Unterzeile. Diese Inschrift, in schmalen Grotesk-Versallettern, läuft schnurgerade unterhalb des Schaufensters entlang, darin eine liebevoll ausgestellte und dekorierte, aber nicht eben üppige Warenauswahl. Etwas dürftig und rührend und eher traurig wirkt das ganze Arrangement. Es gab ja nicht viel und „es gab keine Farbfotos“, nur dieses düster-verschwommene Schwarzweiß. Trotzdem – oder erst recht – interessant, diese wenigen Bilder, begleitet von ein paar Sätzen nur: Schon wird uns der Lebenshintergrund von Klaus Rähm deutlich. Wie früh sich seine fachlichen Interessen und sein Sportsgeist doch bereits zeigten. Und, „das kann man ja ruhig auch mal so sagen“: Er ist weit gekommen.

In der Zwischenzeit hat sich so manches Vokabular geändert. An einigen Stellen weist Klaus darauf hin, und auf die Rechtschreibreform; er scheint jedes Eszett zu vermissen, als sei es ihm persönlich weggenommen worden. Susanne Zippel in der ersten Reihe gibt ihm vehement recht angesichts des schönen Wörtchens „iß“ (heute „iss“) und der i-ß-Ligatur, die Klaus daraus gemacht hat.

Klaus reflektiert sein eigenes Vokabular und was heute anders ist. Etwa wenn er das Wörtchen „Lehrling“ benutzt, denn ein solcher sei er gewesen, ein Lehrling, und das sei auch richtig, es gehe ja darum, etwas zu lernen, in die Lehre zu gehen. „Auszubildende“ dagegen klingt für ihn „so objekthaft“, das fände er komisch, „wie so Objekte“ klänge die Bezeichnung, und das müsse erlaubt sein, dass er das hier jetzt erst mal sage. Genauso hatte er halt „einfach Studenten“, nicht Studierende; ohne die Zusatzsilbe seien sie auch gut ausgekommen. Klaus ist aus dem Osten. Kaum ein Mensch (ob männlich oder weiblich) hat im Osten daran gedacht, bei grammatikalisch männlichen Formen, bei der Bezeichnung von Berufsgruppen etwa, nicht automatisch und selbstverständlich an Frauen wie an Männer zu denken. Die Frage stellte sich gar nicht. Weil Berufstätigkeit für alle selbstverständlich war? So haben es mir speziell meine Ostkolleginnen x-fach erklärt und erbittert verteidigt – „ick bin Grafiker, Mensch, hör doch uff“, hieß es etwa, wenn ich auf der „Texterin“ bestand und die Visitenkarten auch für die Grafikerinnen korrekt bedrucken lassen wollte.

Klaus Rähm formuliert sehr fein, sehr genau und führt uns in seiner freundlichen, unprätentiösen Offfenheit, charmant berlinernd, durch die Fülle seiner Werke. Und „Fülle“ wirkt hier so als Wort leicht verharmlosend…

Die Materialität von Schrift

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15.02.18: Klaus Rähm

Zum kommenden Typostammtisch begrüßen wir Klaus Rähm. Von der Sache her ist das nichts Besonderes, denn „begrüßen“ tun wir ihn praktisch jedes Mal: Klaus ist Typostammtischstammgast. Viele von euch kennen den zurückhaltenden, immer gut aufgelegten, höchst aufmerksamen und meist feinsinnig schmunzelnden Zeitgenossen.

Nun ist es endlich soweit: Wir freuen uns sehr, dass wir Klaus überreden konnten, Einblicke in sein langjähriges Schaffen und vielleicht auch besondere Erfahrungen als Gestalter und Dozent früher, „im Osten“ mit uns zu teilen. In den 1950er Jahren hat er eine Lehre als Gebrauchswerber gemacht, war Volontär am Theater, Schrift- und Plakatmaler in Eisenhüttenstadt und Leipzig; er hat in Blankenburg (Harz) studiert und als Meister für Schrift- und Grafikmalerei in Berlin und auf Messen von Algier bis Zagreb gearbeitet. Schließlich studierte er Gebrauchsgrafik an der Hochschule für Grafik und Buchkunst (HGB) und machte 1979 sein Diplom bei Gert Wunderlich. 10 Jahre lang war Klaus Rähm Mitglied des Verbandes Bildender Künstler der DDR/Arbeitsgruppe Typografie und 15 Jahre lang Dozent für Schrift und Typografie an der Fachhochschule für Werbung und Gestaltung Berlin, 5 Jahre lang an der Litfaß-Schule in Berlin-Wittenau, 10 Jahre lang (bis 2009) Lehrbeauftrager an quasi allen Berliner Kunsthochschulen. Noch Fragen? Ja, jede Menge!

Klaus bringt viele Arbeiten auch ehemaliger Studenten mit, Buchtitel im Original, Plakatbeispiele aus seinen jüngeren Ausstellungen (nach wie vor ist er freischaffend höchst produktiv) – und freut sich vor allem auf regen Austausch. Nutzt die Gelegenheit!

Wann? Am Donnerstag, den 15. Februar um 19 Uhr.
Wo? Bei LucasFonts, Eisenacher Straße 56, 10823 Berlin-Schöneberg

U-Bahn: Linie U7 bis Eisenacher Straße
S-Bahn: Linie S1 bis Julius-Leber-Brücke oder S1, S41, S42, S45, S46 bis S Schöneberg
Bus: M48, M85, 104, 187, N42 bis Albertstraße

Bis dahin,
euer Typostammtisch-Team


Diesen Monat legen wir euch außerdem folgende fachlichen Anlässe ans Herz:

Am Freitag, den 16. Februar von 19 bis 22 Uhr findet im Medienhaus der UdK am Kleistpark (Grunewaldstraße 3–5) der traditionelle, semi-informelle Kleine Rundgang zum Abschluss des Wintersemesters des Fachbereichs Visuelle Kommunikation statt. Noch bis 5. März: Ausstellung New Bauhaus Chicago: Experiment Fotografie und Film am Bauhaus-Archiv Berlin; Avantgardist László Moholy-Nagy gründete die Schule und gab der US-amerikanischen Fotografie wegweisende Impulse (Trailer). Am 28. Februar um 18:30 Gespräch mit Anja Lutz von The Green Box im Bikini Berlin über ihr „Buchbuch“ Marginalia (Ausstellung 14. Februar bis 11. März). Für alle Schreibbegeisterten: Am 7. März veranstaltet Petra Rüth wieder eine Schreibsession in ihrer offenen Gruppe Kalligraphie in Berlin. In Leipzig findet am 17. März die alternative Bücherschau It’s a book der HGB statt (Eintritt frei).


Die Titelzeile wurde in der Quad von Klaus Rähm gesetzt, die bis dato nur exklusiv von ihm genutzt wird und bei ihm erhältlich ist. Das Titelbild – ein Quad-Logo als Anwendungsbeispiel – hat er ebenfalls selbst gestaltet.

Nachbericht 70. Berliner Typostammtisch: Tools zum Teilen

Mit 14 Präsentationen – einer Dichte an Vortragenden, die wir sie sonst nur von Pecha-Kucha-Abenden kennen – war die 70. Ausgabe des Typostammtischs einer unserer bisher längsten und informationsreichsten Abende. Und mit über 100 Gästen wissen wir, dass wir nächstes Jahr das Format Typotechnikstammtisch wiederholen wollen. Ihr könnt schon mal über euren Beitrag nachdenken.

Bar, WC und rlig, Ulrike stellt required ligatures in Frage. Foto: Sonja Knecht

Den Anfang machte Ulrike Rausch von LiebeFonts. Sie erklärte auf klare Weise, wie sie ihre Schriften lebendig hält. Dass man doppelte Buchstaben (die beide in einem Wort oder im Text kurz hintereinander erscheinen) rotierend durch Varianten ersetzen kann, ist schon toll – aber, dass man Konsonanten und Vokale getrennt behandelt, und Gruppen von Buchstaben vertikal verschieben kann, ohne doppelte Glyphen einzubauen, hat auch die Programmierer-Nerds an den Stuhl gefesselt. Wir hoffen mit Ulrike, dass das Bewusstsein für diese Feinheiten bei den Anwendern weiterwächst, da selbst automatische OpenType-Feature-Funktionalitäten auf dem Weg zum Endprodukt oft auf magische Weise verloren gehen.

Andreas „Eigi“ Eigendorf zeigte sein weiterentwickeltes Sprachentool (Character Set Tool) von Alphabet Type. Es hilft, die Sprachunterstützung und Encodingabdeckung von Schriften zu überprüfen, sprich: Es analysiert eine beliebige Schrift und spuckt lange Listen aus, in denen niedergeschrieben ist, welche Sprachen unterstützt werden. Die beiden Onlinetools Character Set Checker und Builder wurden bereits auf der ATYPI-Konferenz in Warschau von Eigis Kollegen präsentiert; diesmal lag der Fokus auf der zusätzlichen Funktionalität, dass die Sprachdatenbank auch aus eigenen Skripten per API angesprochen werden kann.

Ferdinand Ulrich beglückte uns mit wunderschönen Bildern von Hilfsmitteln, die man in einer Blei- und Holzdruckerei braucht. Insbesondere erklärte er und das Wie und Warum des Walzengreifs; der wird benötigt, um die Höhe der Walze genau auf die Höhe des Druckmaterials zu bringen. Das hübsche Gerät, das er in antiker Originalverpackung dabei hatte, gibt es zu bewundern bei p98a. Auch hat Ferdinand seinen Vortrag nun als Artikel veröffentlicht.

Frank Rausch hat ein Tool namens Typographizer entwickelt, mit dem auf Taschenlesegeräten (wie schlauen Telefonen) falsche An- und Abführungszeichen in typografisch korrekte Formen umgesetzt werden. Seinen Code (programmierte Zeilen) darf jeder in seine eigene App (Progrämmchen) ein- und umbauen; anhand einer Demo-App verdeutlichte uns Frank wie schnell seine Programmbibliothek in unsere eigenen Apps hineinkommen. Endlich automatische Mikrotypografiekorrektur auf MacOS.

Friedrich Forssman erklärte uns per Videobotschaft, gemütlich Pfeife rauchend vor einer enormen Bücherwand ein InDesign Plugin, womit Ligaturen für die deutsche Sprache korrekt aufgelöst werden. Sicherlich neu für viele der zugewanderten Gäste war, dass man sogar laut Duden im Deutsch nicht über Wortfugen ligieren (Buchstaben verbinden) darf. In seinen zwei sehr kurzweiligen filmischen Darreichungen führte Friedrich das Plugin vor, und zeigte, wie man mittels einfachem Suchen und Ersetzen den aufgelösten Ligaturen noch ein wenig extra Luft einhauchen kann, so dass sie nicht wie misslungene Verklebungen daherkommen. Weitere Informationen zu dem Skript gibt es im unteren Bereich seiner Website.

Georg Seifert führte zunächst das von Friedrich Forssman erdachte Durchschein-Skript für InDesign vor: „Durchscheinen“ simuliert, wie Seiten aussehen, wenn sie auf dünnem Papier gedruckt werden. Dies und auch der famose Bundschattenfilter sind auf der oben genannten Seite von Friedrich herunterzuladen. Anschließend erklärte Georg, wie er Github selbst fuer die Programmierung von seiner weltberühmten Glyphs App verwendet, und stellte ein Tool namens CommitGlyphs vor, mit dem SchriftgestalterInnen genau dieses Git-Plattform auch für die Verwaltung von Glyphs-Dateien nutzen können, speziell wenn man mit mehreren Leuten an einer Schriftentwicklung arbeitet. Interessant ist so ein System aber auch, wenn man einen klar strukturierten Überblick über die eigene Arbeit haben will.

In einem spontanen Einschub erklärte uns Nadezda Kuzmina, was Git überhaupt ist und wie sie Github als Gestalterin nutzt. Sie zeigte uns eine feine Pixelschrift, die nur aus PNG-Bildern aufgebaut ist (die sie für das Spiel Mogee entwarf), und Logos Logos als OpenSource-Dateien, an dem mehrere Personen arbeiten können: womöglich ein kleiner Ausblick in die Zukunft der gestalterischen Berufe.

In der halbstündigen Pause wurden die letzten Reste aus den enormen Suppentöpfen geleert. Nur die besten Zutaten wurden hierfür verwendet: die letzten drei Kiezkürbisse aus Hof 3 der Eisenacher 56, direkt hinter dem Vortragsraum.

Jens Kutílek hat ein wahrhaftes Programm für MacOS und Windows gebaut, mit dem sich Namen für die unterschiedlichsten Dinge, zum Beispiel Schriftfamilien, erfinden lassen. Man gibt zuerst seine Lieblingsbuchstaben ein, bestimmt die minimale, optimale und maximale Länge des Wortes und sucht sich eine Sprache oder ein Themengebiet aus, in dem der Name verwurzelt sein soll. Aus dem Publikum kam die Frage, ob man auch Babynamen zum Beispiel deutsch mit bulgarischem Touch suchen lassen kann. Der WoLiBaFoNaGen ist derzeit in der Version 0.1.0 erhältlich, Wünsche und Anregungen könnt ihr auf der Github-Seite des Projekts hinterlassen.

Klaas zaubert mit Grep und Unterlängen in InDesign. Foto: Sonja Knecht

Klaas Posselt von der InDesign User Group Berlin zeigte uns mehrere beeindruckende typografische Möglichkeiten der in InDesign eingebauten GREP-Funktionalität, was enorme Zeitersparnisse bei der Formatierung von Texten erlaubt. Er erklärte, wie man feinste Spationierungsanpassungen automatisch machen kann, wenn die in der Schrift eingebauten Unterschneidungstabellen nicht ausreichen (zum Beispiel bei Tabellenzahlen), oder bei unterschiedlichen Schriften und Formatierungen. Zum Schluss zeigte Klaas das Aufräumen von typografischen Sünden wie falschen Minus- und Multiplikationszeichen und sogar Hurenkindern vor, alles mit sehr kurzen GREP-Zeilen. Alle gezeigten Dateien inklusive der dazugehörigen GREP-Stile stellt Klaas hier zum Download bereit.

Lasse Fister, speziell aus Nürnberg angereist, zeigt seine Arbeit an FontBakery, den Schrifttestwerkzeugen von Google für Google Fonts. Es analysiert die komplexesten Schriften und meldet alles, was daran (technisch) nicht in Ordnung sein könnte. Dies funktioniert sowohl mit einzelnen Schriften, aber auch mit ganzen Schriftbibliotheken. (Danach zeigte er noch mehr, aber da konnte ich nicht aufpassen, weil die Batterien des Mikrofons ausgetauscht werden mussten, und ich selbst gleich dran war. Danke Olli fürs Ergänzen!) Derzeit arbeitet Lasse an einer Version der Schrifttestwerkzeuge, bei der alle Tests in der Cloud ablaufen. Als Bonus stellte Lasse außerdem mdlFontSpecimen vor, eine Website, die automatisch ausführliche Schriftmuster für Fonts erzeugt.

Luc(as) de Groot zeigte, wie man mit Hilfe von einer Fotokopie oder eines Laserausdrucks, halbkaltem Kaffee (kein Espresso!) und Scotch Magic Tape (oder irgendeinem anderen transparenten Klebeband) Typografie auf praktisch allen Oberflächen anbringen kann, die nicht in einen Laserdrucker passen. Man klebt das Tape auf das Gedruckte, tunkt es in den Kaffee und reibt dann an der Rückseite mit kreisenden Bewegungen das Papier weg. Der Toner bleibt sauber auf dem Tape zurück und kann nach Trocknung ohne weiteres auf Objekte geklebt werden, oder mittels Hitze (Feuer, Föhn) zuerst noch verformt und verzerrt werden. Erfunden hat Luc(as) den Luc-Truc in den ’80er-Jahren während seines Studiums.

Mark Frömberg, freier Schriftgestalter aus Berlin, präsentierte seine selbstgemachten Skripte für Glyphs. Das neueste dieser Helferchen hört auf den Namen Skedge und erleichtert das Entwickeln von Glyphs-Reporter-Plugins mit einer Live-Vorschau in Glyphs. Alle anderen frei zugänglichen Skripte von Mark findet man auch im hauseigenen Plugin-Manager von Glyphs. (Ich hatte die Details vergessen, weil Glyphs nicht auf meinem PC läuft, danke nochmal, Olli!)

Anschließend zeigte unser Typostammtischorganisationsteammitglied Olli Meier mittels Live-Skype-Übertragung von der anderen Seite Deutschlands, welche Hilfsmittel er alle schon für Glyphs bereitgestellt hat. Mehrere Ebenen auf einmal löschen, kein Problem mehr. Er zeigte auch wie man mit DrawBot (Just van Rossum, Erik van Blokland, Frederik Berlaen) aus kompatiblen Glyphen ganz schnell tolle Animationen produzieren kann. Seine Scripte findet man demnächst hier.

Zum Schluss zeigte uns Sergey Rasskazov aus St. Petersburg, wie er einfach selbst eine Schriftgestaltungsschule gegründet hat, und mit tollen Lehrern in Kürze die Studenten zu tollen Ergebnissen bringt. Er führte ähnlich professionelle Unterrichtsabläufe vor, wie sie an den gefestigten Schriftgestaltungsinstitutionen gehandhabt werden.

Vielen Dank nochmal an alle Vortragenden für ihre Beiträge und eure tollen Tools! Und danke an Jens Kutílek für Ergänzungen und Rechtschreibkorrektur 🙂 Continue reading „Nachbericht 70. Berliner Typostammtisch: Tools zum Teilen“

29.09.17: Jan Middendorp

Please scroll down for English information about the speaker.

Dieser Typostammtisch findet wieder im „Sonnenstudio“ in Kreuzberg statt – vielen Dank Eike Dingler (Mauvetype) und Sol Matas (Huerta Tipográfica) und ihrer Bürogemeinschaft! Es wird wohl eine der letzten Gelegenheiten sein, diesen wunderschönen Ort zu genießen – warum, das könnt ihr hier nachlesen.

Wir freuen uns auf Jan Middendorp. Der Holländer-Wahlberliner ist Autor, Buchgestalter und „selbstbeigebrachter“ Grafikdesigner, unter anderem. Jan verfügt über enormes Typografiewissen, hält Vorträge weltweit und bereichert mit seiner horizonterweiternden Art und seinen Publikationen typografische Bibliotheken, renommierte Schriftfirmen und die Berliner Type Community. Als Vortragssprache wählt er Englisch, für uns mit deutschen Untertiteln; Gespräche führt er gern auch auf Italienisch und Holländisch.

From Friends to Fust and back

We are happy to have Jan Middendorp as our speaker, author of Shaping Text, Hand to Type, and Dutch Type, to name only a few. Jan will present his personal history of letterforms. He never studied graphic design, but made his first book at the age of six. Jan worked as a theater and dance critic, in copywriting and as a self-taught graphic designer. He was hired by FontShop Benelux in Gent, Belgium, to conceive their magazine, and later became the co-curator of the FontFont FiFFteen exhibition and co-editor of Made With FontFont. In Berlin, Jan worked with LucasFonts, then MyFonts, and produced books with Gestalten and BIS Publishers. He left MyFonts in 2016, when the Monotype corporate influence became too strong for his taste. Then, he says “to confuse the font establishment, I started up the shadiest type organisation in the world: Fust & Friends.“

Who is Fust? Who want to be his friends? Get to know more on Friday, September 29.

Presentation in English with German footnotes.
Q&A and discussions in German, English, Spanish, Dutch, Italian …

Wann? FREITAG, 29. September, 19 Uhr
Wo? Lausitzer Straße 10, Aufgang C, 3. Etage, 10999 Berlin-Kreuzberg
U-Bahn: U1 bis Görlitzer Bahnhof, U8 bis Kottbusser Tor oder Schönleinstraße
Bus: M29 bis Görlitzer Bahnhof oder Spreewaldplatz

Bis dahin,
euer Typostammtisch-Team


Aufruf: Tools zum Teilen

Für unseren Typotechnikstammtisch (den ersten seiner Art) am 19. 26. Oktober suchen wir Leute, die ein frei zugängliches Werkzeug, Miniprogramm oder hilfreiches Script vorstellen möchten – Kurzpräsentationen zu typografischen Problemen, offenen Fragestelltungen und möglichen Lösungen. Es darf natürlich um Plugins und Scripts gehen, aber gern auch um typografische Helfer für InDesign, das Web oder die analoge Welt. Wir sind gespannt auf eure Einreichungen (am besten via E-Mail).

Für alle: Bitte den 19. 26. Oktober vormerken. Newsletter dazu folgt.


Unsere Empfehlungen diesen Monat

Unter dem Titel „Klartext“ eröffnet – Achtung! – jetzt am Donnerstag, den 21. September, um 19 Uhr Typostammtischstammgast (TStTStG) Klaus Rähm seine Typografik-Austellung in der Galerie Ost-Art in der Giselastraße 12 in 10317 Berlin-Rummelsburg (S5 und S75 bis Nöldnerplatz), mit Live-Musik zu ausgewählten Schriftbildern. Im Brücke-Museum am Rande des Grunewalds (Bussardsteig 9, 14195 Berlin) ist die Jubiläumsausstellung „50 Jahre Brücke-Museum“ angelaufen: Gemälde, Aquarelle, Zeichnungen und Druckgrafik der 1905 gegründeten Künstlergruppe. Vom 22. bis 24. September 2017 findet die Kunstbuchmesse Friends with Books im Hamburger Bahnhof statt. Am 24. September findet bei Small Caps der erste von drei Letterpress-Workshops statt, diesmal werden Plakate gedruckt.


Die Titelzeile wurde in der Teddy Regular von Minjoo Ham gesetzt, die demnächst bei Fust & Friends erscheint. Das Titelbild stammt von Jan Middendorp und zeigt die „Alarm“ in 72 Punkt aus seiner Sammlung.


Recap Typostammtisch #65: David Březina

At the evening before Typo Labs, David Březina spoke for an audience of around 150 visitors, our biggest Stammtisch yet! We moved from a regular bar to the LucasFonts office because we expected many visitors, but not that many! The office was flanked by two courtyards with flowering Narcissus, Tulips, and even a few Hyacinths, so that even the people standing outside had something nice to look at, yes, not everyone could get inside.

Pixel perfection: do you find the LucasFonts logo?

Crowded house! The KREM de la créme of type design coming together. 🙂

David held an inspiring talk structured in two lectures: first he introduced the Rosetta team, talked about recent work, their workflow, and about their approach to multi-script design and harmonisation. The second part was about his ongoing PhD research on coherence in typeface design. If relations between character shapes are formalised the outcome might lead to something reusable to design and teach type more effectively. He showed some interesting examples of neuronal networks completing typefaces, that were close to what a designer would have done.

David Březina was so generous as to provide a very long and mannifold talk – to a very attentive audience.

Typostammtisch host Luc(as) de Groot with two of so many lovely visitors: Marina Chaccur (based in The Hague) and Maria Doreuli (from Moscow).

We were joined by many international guests and the atmosphere after the lecture was joyful. To still the hunger and thirst of the visitors, more drinks had to be bought, and when all food was gone, Glyphs’ creator Georg Seifert sponsored a pile of pizzas. They disappeared in no time. Many thanks to Georg!

The evening was accompanied by a small Rosetta exhibition (left side in the follwing picture) featuring Skolar Sans, a collaboration of David Březina and Sláva Jevčinová, and Gitan by Florian Runge.

Success took us all by surprise, we must say. We were super happy to hear our first and fulminant “pre-Labs” Typostammtisch and, most of all, David’s talk being referred to quite some times during the following conference days – thank you, everyone! After these full-packed days, once again, it very much felt like living at the heart of were type and typography are being discussed, designed, produced, engineered, in short: loved madly by many.

The evening in a time lapse (video by Floris de Groot, 17):

 

Some more pictures:

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05.04.17: David Březina

Achtung: Wegen großem Interesse wurde der Veranstaltungsort geändert!
Attention: Due to high demand, the location of the event has been changed!

Please scroll down for English version.

Unser kommender Typostammtisch findet ausnahmsweise, aus gutem Grund, an einem Mittwoch statt: dem Vorabend der diesjährigen TYPO Labs. Zur Einstimmung auf drei spannende Konferenztage haben wir David Březina von Rosetta Type zu Gast.

David stellt das Rosetta-Team (hier im Interview) mit aktuellen Projekten vor und erklärt, wie sie Arbeitsweisen, Workflow und Tools – Stichwort Editor-Unabhängigkeit – so organisieren, dass eine relativ kleine Firma große Custom-Font-Projekte bewältigen kann. Dabei geht er auch auf Fragen schriftsystemübergreifender Gestaltung und Harmonisierung ein. Im zweiten Teil spricht er über seine Doktorarbeit: „Koherenz in der Schriftgestaltung“. Warum ist es schwierig, zu definieren, was verschiedene Buchstabenformen miteinander verbindet, und warum wäre es gut, Ähnlichkeitsverhältnisse flexibel und wiederverwendbar bestimmen zu können? Gestaltung und Lehre könnten davon enorm profitieren; zudem stellt sich, so David, dank jüngster Erkenntnisse im Bereich „Deep Learning“ die Grundsatzfrage, was Schriften sind.

Achtung, wir treffen uns im Büro von LucasFonts in Schöneberg und freuen uns auf ein internationales Treffen mit regem Austausch: weniger zu den Fonttechnologien selbst (dazu ist in den Tagen danach ausgiebig Zeit), sondern über Arbeitsalltag, Kundenwünsche und Forschung.

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Our next Typostammtisch Berlin will be on Wednesday before Typo Labs: as a perfect start for some super interesting days, and opportunity for conference guests to connect with the local type crowd. Happy to have David Březina of Rosetta Type as our speaking guest!

David introduces the Rosetta team, talks about recent work and how they set up their workflow and tools. Preferring an editor-independent font production process, the relatively small company is able to tackle large custom projects. David will also cover questions of multi-script design and harmonisation. The second part is about his PhD research on coherence in typeface design. Focusing on the difficulty of finding relations between character shapes, David explains why it would be great if these relationships could be formalised in a flexible and reusable way: it might help to design and teach type more effectively, plus, with recent advancements in deep learning, lead us to rethink what typefaces actually are.

We will meet at the office of Lucas de Groot’s foundry LucasFonts in Schöneberg – hoping for a lively exchange: not so much about technologies (plenty of time the days after), but about daily business, clients demands and research.

Der Vortrag findet auf Englisch statt.
The talk will be in English.

When? On Wednesday, 5th of April, at 7 pm
Where? At LucasFonts, Eisenacher Straße 56, 10823 Berlin-Schöneberg
U-Bahn: U7 to Eisenacher Straße
Bus: M48, M85, 104, 187, N42 to Albertstraße
S-Bahn: S1 to Julius-Leber-Brücke or S1, S41, S42, S45, S46 to S Schöneberg

Bis dahin,
euer Typostammtisch-Team


This month we would like to attract your attention to:

The exhibition Writing Pictures – Picture Writing. Chinese Poster and Book Design Today about the emergent graphic design scene in China and Hong Kong, presented in the Berlin Kunstbibliothek – find out about their spectacular graphic design collection (would take some days, actually). For German speaking audiences: On 4th of April, the Staatsbibliothek presents Zwischen Handwerk und Industrie: Der Verlagseinband des 19. Jahrhunderts, a talk by Thomas-Klaus Jacob. Starting on April 1st, the exhibition BERLIN.STADT.MAGAZIN focuses on the design and history of Berlin’s city journals “tip” and “Zitty”.

Our legendary Buchstabenmuseum (Museum of Letters) is closed at the moment, but we cannot not mention it: remember to go there next time to see Barbara Dechant’s exorbitant collection of original shop front letter signs. And then there is the wonderful Museum der Dinge (Museum of Things), which chronicles the product culture of the 20th and 21st centuries, mostly from the archives of the Deutscher Werkbund (founded in 1907). Or just walk around in the here and now of Berlin to find typographic signs all over the place. For inspiration you might like to follow @Berlin_Type@hardwig or have a look here.


Die Titelzeile wurde in einem noch unveröffentlichten Schriftenfwurf von David Březina gesetzt.
Das Foto zeigt ein Detail des Rosetta-Schriftmusters für Nassim von Titus Nemeth.

23.02.17: Jérôme Knebusch

Warum haben gebrochene Schriften einen schlechten Ruf? Wie entstanden Antiqua-Schriften? Weshalb haben sie die gotische Formsprache fast vollständig verdrängt? Und gibt es da nicht noch was dazwischen?

Mit solchen Grundsatzfragen setzt sich Jérôme Knebusch intensiv auseinander. In seinem Forschungsprojekt „Halbgotische, Gotico-Antiqua, Fere-Humanistica: zwischen Gebrochener Schrift und Antiqua“ untersucht er unter anderem die Motivation deutscher Drucker, sich im 15. Jahrhundert in Italien niederzulassen, und fragt sich, wo genau sich beispielsweise Nicolas Jenson – einer der bedeutendsten Drucker aller Zeiten – zwischen 1460 und 1470 aufhielt. Jérôme erläutert, warum man sich intensiver mit den Schriften von Peter Schöffers (und nicht zwingend mit denen seines Meisters Johannes Gutenberg) beschäftigen sollte. Auch treibt ihn die Frage um, warum Dutzende der äußerst abwechslungsreichen Schriftentwürfe von damals nicht in heutige Schriftklassifikationen passen. Und was hat das alles mit der Berliner Privatpresse „Officina Serpentis“ zu tun?

Der deutsch-französische Designer Jérôme Knebusch studierte an der Kunsthochschule von Nancy, der Hochschule für Gestaltung in Offenbach am Main und besuchte den postgraduellen Lehrgang am Atelier National de Recherche Typographique (ANRT) in Nancy. Heute unterrichtet er dort selbst, lehrt außerdem in Metz und betreibt sein Atelier für Typographie in Frankfurt am Main. Zu seinen Schriftenwürfen zählt die unkonventionelle Schriftfamilie Instant, die 2012 bei der französischen BAT Foundry erschien. Daneben arbeitet er am Mammutprojekt decodeunicode mit, gibt regelmäßig Workshops und präsentierte zuletzt mit der Ausstellung Pangramme studentische Schriftentwürfe der letzten Jahre. Wir freuen uns auf ihn!

Wann? Am Donnerstag, den 23. Februar um 19 Uhr.
Wo? Im Café Bilderbuch, Akazienstraße 28, 10823 Berlin (Beletage, 1. OG)
U-Bahn: Linie U7 bis Eisenacher Straße
S-Bahn: Linie S1 bis Julius-Leber-Brücke
Bus: 104/106/187/M48/M85/N42 Kaiser-Wilhelm-Platz

Bis dahin,
euer Typostammtisch-Team


Diesen Monat möchten wir auf folgende typografische Leckerbissen hinweisen:

Am 5. März eröffnet im Museum für Druckkunst in Leipzig die von Jost Hochuli kuratierte Ausstellung „Tschichold in St. Gallen“, die sich mit der Arbeitsbibliothek von Jan Tschichold beschäfigt; mehr über Tchicholds faszinierende Faszikel im Bericht über die Tÿpo St.Gallen von Sonja Knecht. In der Materialitätsreihe der Berliner Staatsbibliothek spricht am 7. März Typostammgast Dr. Thomas Maier von der Kunstuniversität Linz über „Technische Rahmenbedingungen des Schriftdesigns“, hier geht es zur Übersicht und Anmeldung. Andreas Frohloff, Fritz Grögel und Reinhard Kittel suchen für ihr Projekt „OST/SCHRIFT/MALER“ Fotografien und Dokumenten zum Beruf des Schrift-, Plakat- und Grafik­malers in Ostdeutschland in der Zeit von 1945 bis 1995 und sind für Hinweise jeder Art dankbar.


Die Titelzeile wurde in einem noch namenlosen Schriftentwurf von Jérôme Knebusch gesetzt. Das Titelbild zeigt einen Druck von Konrad Sweynheim & Arnold Pannartz aus dem Jahr 1465; er stammt aus der ersten Druckerei Italiens, in Subiaco bei Rom.