Nachbericht 123. Typostammtisch: Dafi Kühne

An diesem Donnerstagabend durften wir Besuch aus der Schweiz begrüßen, genauer gesagt von Dafi Kühne aus Zürich! Einige Minuten vor Beginn war der gut bestuhlte Raum im Studio bei LucasFonts noch recht leer, doch plötzlich betraten alle auf einmal den Raum und die Plätze waren in kurzer Zeit belegt. Viele altbekannte Gesichter waren dabei, und es fanden auch einige Besucher·innen zum ersten Mal ihren Weg zum Typostammtisch.

Dafi, der uns an diesem Abend einen Einblick in seine Arbeit gewährte, ist Grafikdesigner und Letterpress-Plakatgestalter. Er erzählte von seinem Atelier mit Druckpressen, viele davon aus den 1960er-Jahren, und zeigte in seinem Vortrag nach und nach verschiedene Poster und Posterserien. Häufig umriss er den Kontext und die Zielgruppe der einzelnen Poster, so gestaltete er ein Poster für die RICE University und druckte recht abstrakte Varianten der Buchstaben R, I, C und E auf seine Posterserie. Für Außenstehende vielleicht nicht direkt erfassbar oder lesbar, sei Lesbarkeit immer eine Frage der Zielgruppe, so Dafi. Er erwarte von Personen auf dem Campus der RICE University auch die Fähigkeit, die Buchstaben auf den Postern zu erwarten und zu dechiffrieren. Auf die Aussage, Lesbarkeit sei eine Frage der Zielgruppe, folgte ein Lachen aus dem Publikum – insgesamt war der Vortrag geprägt von recht viel Lachen oder doch zumindest Schmunzeln.

Für weiteres Schmunzeln sorgte ein Plakatentwurf als Lösungsansatz für toxische Typografie im öffentlichen Raum. Das Poster, so Dafi, biete typografisches Detox. Gedruckt auf Transparentpapier und versehen mit dem auf die Rückseite des Posters gedruckten Wort „DETOX“ lässt sich das Poster im öffentlichen Raum über jegliche als toxisch empfundene Typografie drüber tapezieren. Dies ist sicherlich ein veranschaulichendes Beispiel für den sehr humorvollen Ton des Vortrags.

Einen wichtigen Teil des Abends stellte aber auch das Zeigen der Gestaltungsprozesse dar – von der Idee bis zum häufig sehr langen und analogen Prozess der Umsetzung. Wenn Dafi stundenlang Sachen auf die Presse übertragen müsse, so sei das für ihn ein schöner Vormittag. Überhaupt lebte dieser Abend von Dafis Spaß an seiner Arbeit, von der Leidenschaft zu analogen und aufwändigen Druckprozessen und von der Liebe zu Details. Parallel zum Erzählen zeigte Dafi im Hintergrund an der Leinwand zahlreiche Videos aus dem Atelier – nicht selten gefolgt von Nachfragen zur exakten Fertigungstechnik aus dem Publikum.

Nach dem Vortrag durften wir einige mitgebrachte Plakate in echt ansehen, viele davon im Weltformat und damit einen ganzen Tisch ausfüllend. Der Abend endete mit Getränken, langen Gesprächen, allgemeinem Staunen und Beseeltheit von so viel Leidenschaft fürs Handwerk. Danke an Dafi und alle Besucher·innen!

Alle warten in Vorfreude, während die letzten Personen noch den Raum betreten.
Auch vor dem Vortrag ist schon Zeit für Wiedersehen und Austausch.
Los geht’s!
Dafi zeigt die Wirkung einer optischen Täuschung, die er für die Gestaltung eines Posters nutzt (die Linien sind parallel!).
Wenn Dafi im Vortrag von einem Plakat erzählt, das er auch physisch dabei hat, so hält er es zwischendurch hoch und spricht dabei weiter.
Zum Gestaltungsprozess dieses Posters erzählt Dafi: „Das Auswaschen im Waschbecken war dann wirklich unschön. Da hab ich die Ätzung in die Autowaschanlage gebracht.”
Nach dem Vortrag: großer Andrang an den zwei Tischen, auf denen Dafi seine Poster ausgelegt hat.
Detail der Poster. Auch die Materialität spielte insgesamt eine große Rolle im Vortrag und in den Gesprächen.
Immer wieder schön zu sehen, dass der Typostammtisch auch unabhängig vom jeweiligen Vortrag des Abends eine willkommene Gelegenheit zum Austausch bietet.
Kleine Stärkung vor dem Typostammtisch
Während des Anschauens der Poster werden weitere Fragen gestellt und beantwortet.

Fotos: Olga Luchanok

Nachbericht 117. Typostammtisch: Type Crit IV

Type Crit, die Vierte! Wer es an diesem kalten Februar-Abend trotz des Regens zu LucasFonts geschafft hat – dem Atelier für Schriftentwurf von Luc[as] de Groot und Team, in dem der Typostammtisch öfter zu Gast sein darf – wird in gemütlicher Atmosphäre empfangen. Auffallend viele sind an diesem Abend zum ersten Mal beim Typostammtisch, einige von ihnen „wurden mitgebracht“, wie jemand auf Nachfrage antwortet – wie schön, wir freuen uns über Zuwachs! Große Tische stehen schon bereit, auf denen später über mitgebrachte Schrift- und Codingprojekte diskutiert und aus vielen Perspektiven Feedback gegeben wird.

Konkret bedeuten die erwähnten Perspektiven: Sechs Expert·innen stehen an diesem Abend Rede und Antwort! Amélie Bonet beginnt an diesem Abend mit einer Kurzvorstellung – geboren in Paris ist sie nach acht Jahren in London und Berlin bei Dalton Maag und Monotype mittlerweile selbstständige Type Designerin und Font Engineer und arbeitet mit diversen Skripten, wie etwa Devanagari oder Bengali. Danach lauschen alle gespannt Rosalie Wagner, ebenfalls französische Type Designerin und Font Engineer – auch sie arbeitet nach vier Jahren bei Google Fonts mittlerweile selbständig. Quasi ein Heimspiel ist der Abend für Jens Kutílek, denn er arbeitet bei LucasFonts – er erzählt von seinem speziellen Interesse für Schreibmaschinen und Fonts mit besonderen Spezifikationen, „alles was nicht ganz normal ist“, so sagt Jens. Petra Rüth arbeitet als Font Engineer bei Monotype – mit Petra hat diese Type Crit eine Expertin wenn es um gebrochene Schriften geht! Natürlich nicht nur als Host und Typostammtisch-Kernmitglied sondern ebenfalls als Experte und Kritiker mit viel Erfahrung vertreten ist Type Designer Luc[as] de Groot. Kurz vor Beginn kommt noch unser sechster Experte mit dem Fahrrad durch den Regen und dann zur Tür herein gestürmt, Georg Seifert, das Gesicht von Glyphs und die perfekte Person, wenn es um die Schnittstelle aus Schrift und Code geht. So kann der Abend anfangen!

Einen ganz herzlichen Dank an alle Expert·innen, die konzentriert, ausführlich und bis spät in den Abend Entwürfe besprochen haben – ohne Euch wäre dieser Abend nicht möglich gewesen. Danke an alle, die ihre Entwürfe mitgebracht und die Chance zum Besprechen genutzt haben – teilweise sogar bei ihrem ersten Typostammtisch-Besuch. Auch einen ganz herzlichen Dank an Luc[as] de Groot und Team für die gemütliche Unterbringung im Studio! Und nicht zuletzt ein Dankeschön an alle, die zum Zuhören gekommen sind und den Abend mit interessanten Gesprächen belebt haben. Es war wie immer eine große Freude!

Lukas Horn eröffnet den Abend
Nicht lang und alle Tische sind besetzt
Amélie Bonet (re.) konzentriert beim Feedback Zeichnen
Luc[as] de Groot (re.) im Gespräch
Zwei konzentrierte Expert·innen dicht nebeneinander: Petra Rüth (mi.) und Jens Kutílek (re.)
Georg Seifert (li.) im Gespräch
Gespräche mit Rosalie Wagner (li.) und Amélie Bonet (mi.) spontan auch auf Englisch und Französisch
Private Crit I
Private Crit II
Feedback gab es bis spät in den Abend