Nachbericht 93. Typostammtisch: i-Punkte, Inschriften, Bier trinken live

„Erkenne dich selbst, erkenne dich im anderen“ war der philosophische Höhepunkt des diesjährigen Schriftspaziergangs. Die Inschrift prangte einst am prachtvollen Gerichtsgebäude, das wir auch von innen besichtigten. Und wer wüsste die Anzahl der Mosaiksteine auf dem Haus des Lehrers? Rund 800.000. – Dies als kleiner Einblick in das beeindruckende schrift- und stadthistorische Wissen unserer beiden Typostammtisch-Schriftspaziergangsleiter.

Wir wissen jetzt, warum diese Säulen en vogue und dieser schöne Bahnhof einst sehr viel belebter als heute war.

Herzlich willkommen zum 6. Berliner Schriftspaziergang! „Gib mir mal den Sprechtext, Flo“ (Fritz Grögel zu Florian Hardwig) – „was, nicht auswendig?“ entfuhr es mir – „Sonja, letztes Mal ist zwei Jahre her!“ (Florian). Ja! Wir haben uns echt lange nicht gesehen. 

Unsere Schriftspaziergangsleitenden mit Sprechtext und einem zufriedenen Thomas Maier.

Streiflichter zum Schriftspaziergang 2021

Wer schon immer mal Hintergründiges zum Apotheken-A oder zur Weltzeituhr auf dem Alex wissen wollte, hatte hier beste Unterhaltung – übrigens auch miteinander: Die Schriftspazierenden fanden sich zwischen den Etappen zum Plauschen zusammen und wir auf diese Weise heraus, dass keineswegs alle aus Berlin und Umland kamen, sondern extra angereist waren zum Beispiel aus Hamburg, Mainz und Frankfurt am Main. Toll!

Bei der Gelegenheit haben wir erfahren, wie rege auch unsere weiteren Tipps (am Ende jeweils unserer Newsletter) von Berlin besuchenden Buchstabenfreund·innen genutzt werden. Danke für euer super Feedback!

Lieblingswörter und Missglücktes

Unterwegs entspinnen sich tolle Dialoge: „Ich find’s ja erfrischend, den i-Punkt mal so luftig zu sehen“, bemerkt ein Gast erfreut angesichts Ost-Berliner Straßennamensschilder – „ja, nicht so draufgequetscht wie heute alles“ dazu Spaziergangsleiter Fritz. 

Der erfrischend luftige i-Punkt und zwei Schreibwaisen an einer Ecke.

Beim „missglücktesten Epitaph Berlins“ (Fritz), das wir hier selbstverständlich nicht verraten, bemerkt Dr. Thomas Maier äußerst nüchtern: „Das ist äußerst laienhaft.“ Zudem sehr witzig. Desolates Design gab es zu allen Zeiten. Ebenso sachlich Florian an anderer Stelle: „Was Corporate Design betrifft, hatten autoritäre Regime es natürlich leicht“. In ähnliche Richtung weist Fritzens Kommentar, es sei „für Inschriften natürlich super, wenn’s aus Stein ist”. Florian vor einer solchen: „,Schicksal‘ ist mein Lieblingswort.“

Finde den Florian!

Natürlich super, wenn’s aus Stein ist

Im Verlauf des Spaziergangs meißeln die beiden ihr Wissen weiter aus. So hebt Florian gegenüber Fritz den Unterschied von Morphemen und Silben hervor; das sei ja nicht dasselbe, und gibt sich am Ende halbwegs zufrieden („na gut … für den Hausgebrauch“). Mitunter standen wir Lettern zuliebe an recht zugigen, stinkigen Ecken. Und Rätselfragen gab es auch:

„Was ist das hier?
Eine Versalienauszeichnung?
Lettering?
Schriftmetzgerei?“

Das hier heißt nicht einfach nein, sondern ist eine Abkürzung – und zwar quer über den Alexanderplatz. Na …?

Damit Fritz und Flo solcherlei auf dem nächsten Schriftspaziergang erneut abfragen, wir darüber stolpern, staunen und diskutieren können, sei hier nun nichts weiter verraten. Schön wars!

Sehr schön auch, dass wir nach mehreren Stunden des Buchstabenwissen Erwanderns im Pratergarten an der Kastanienallee, Prenzlauer Berg erwartet wurden. Nun ja, nicht regelrecht „erwartet“: Die Freund·innen der Typografie hatten sich hier (with a little help von Georg Seifert und Ulrike Rausch als „Erkennungszeichen“ – danke euch!) längst zusammengefunden. Die Wiedersehensfreude war allseits riesig.

Das leicht unwirtliche Wetter tat der Stimmung keinen Abbruch.

Großes Dankeschön noch mal an Florian Hardwig und Fritz Grögel! Wir hoffen, euch bald weitere Schriftspaziergänge mit den beiden anbieten zu können. Zieht euch warm an.

Der harte Kern blieb (trocken), bis im Pratergarten die Lichter ausgemacht wurden. Darunter Gäste auch von weiter her wie Martin Majoor, der dieses schöne Foto gemacht hat. Dankje wel!

 

23.09.2021: Biergarten & Schriftspaziergang

Test, Test. Könnt ihr uns lesen? Etwas ungewohnt ist es, wieder Newsletter zu schreiben, doch wir möchten euch die frohe Kunde nicht vorenthalten: NACH SO LANGER ZEIT GIBT ES ENDLICH WIEDER EINEN TYPOSTAMMTISCH! Wir versuchen erst gar nicht, unsere Aufregung zu verbergen und hoffen, auch bei euch auf angestauten Hunger nach Begegnung und typografischem Austausch zu treffen.

Leicht verspätet, diesmal im September statt im August, machen wir einen klassischen Typostammtisch-Stammtisch an der frischen Luft plus vorangekoppeltem Schriftspaziergang. Bringt besagten Hunger (und natürlich Durst) in den Biergarten mit; sowie eigene Arbeiten, Bücher, Fundstücke und Neuigkeiten. Kurzum: Bringt mit, was ihr besprechen möchtet.

Schriftspaziergang in Mitte – mit Jubiläum!

Mehr als nur die Einstimmung zum Treffen im Biergarten ist unser Schriftspaziergang mit Florian Hardwig und Fritz Grögel. Dieses Jahr wird der Typostammtisch-Schriftspaziergang schon 5 Jahre alt. Ein solcher Geburtstag muss auch unter Pandemiebedingungen gefeiert werden! Diesmal sind höchstens 14 Teilnehmer·innen zugelassen (leider auch keine spontan mitgebrachten und nicht registrierten Menschen). Wie immer müsst ihr euch anmelden und dieses Jahr bitte ein paar mehr Fragen beantworten. Außerdem haben wir einen moderaten Teilnahmebeitrag eingeführt (15€ bzw. 10€ ermäßigt), der den Tourguides zugutekommt. Die Plätze vergeben wir nach Reihenfolge der Anmeldung. Bitte seid nett und sagt ab, falls ihr einen gebuchten Platz doch nicht in Anspruch nehmen könnt! Die Teilnehmer·innen werden per Mail über den Treffpunkt benachrichtigt.

Bei ganz schlechtem Wetter müsste die gesamte Veranstaltung leider entfallen.

Wann? Am Donnerstag, den 23. September um 18 Uhr (Schriftspaziergang ab 15 Uhr)
Wo? Prater Biergarten, Kastanienallee 7–9, 10435 Berlin
U-Bahn: Linie U2 bis Eberswalder Straße
Tram: M1/M10/12 bis Eberswalder Straße

Bis dahin, WIR FREUEN UNS AUF EUCH!
Euer Typostammtisch-Team


Unsere Veranstaltungshinweise sind diesmal in Vorfreude auf das, was wir so lange nicht hatten, dick aufgeblasen und teilweise weit im Voraus vermerkt. Den Anfang machen eine Reihe aktuell anstehender Angebote. Die Qual der Wahl habt ihr heute, am 9. September: Beim Type Thursday Berlin sind Luz Bella Lendiez, Daria Petrova, Flavia Zimbardi und Verena Gerlach als Expertinnen bei einer TypeCrit-Session geladen. Parallel wird im A–Z presents die Ausstellung Perhaps it’s not you, it’s me von Lucienne Roberts eröffnet, in der die Künstlerin Liebesbriefe an das Grafikdesign thematisiert. Noch bis zum 19. September läuft die Reihe Wir machen Bücher der p98a im Analog mit verschiedenen Lesungen und Gesprächen. Ebenfalls bis zum 19. September zeigt der Hamburger Bahnhof im Beuys-Jahr Interessantes Von der Sprache aus. A propos Sprache: Gendern ja, nein, vielleicht und wenn ja, bitte wie? Sonja Knecht gibt einen Überblick zur Debatte: Vortrag am 6. Oktober bei der tga live in Wien, Online-Seminar am 19./20. Oktober bei der tgm. Die Werke des iranischen Schrift-Künstlers Hassan Massoudy kann man im Pergamonmuseum im Rahmen der Ausstellung Raum für alle hat die Erde noch bis zum 17. Oktober bestaunen.

Ein paar Save-the-Dates solltet ihr euch noch in den Konferenzkalender schreiben: Die ATypI veranstaltet vom 28. bis 30. Oktober ihre zweite globale, zeitzonenübergreifende Online-Konferenz All Over! Grandiose Gelegenheit, Schriftprofis auch aus bisher wenig vertretenen Weltgegenden zu erleben. Der vierte (und letzte) Teil des TypeTech MeetUps zum Thema Type Design and Society wird am 19. November stattfinden (München/online). Eine Woche später, am 26. November ist die vierte Ausgabe der FURE (Future of Reading) in Münster geplant.


Die Titelzeile ist in der Connecting A–Z von A–Z presents gesetzt. Das Projekt ist während des Corona-Lockdowns entstanden. 28 Gestalter·innen (aus Berlin u. a. Alex Branczyk, Barbara Dechant, Na Kim und Ferdinand Ulrich) haben jeweils einen Buchstaben des lateinischen Alphabets zur Schrift beigetragen und sich und ihre diversen Gestaltungsansätze auf diese Weise trotz pandemischer Einschränkungen zusammengeschlossen, festgehalten, verbunden. Die Schrift kann frei herunterladen und genutzt werden.

Das Titelbild stammt von unserem Schriftspaziergangs-Tourguide Florian Hardwig. Auf unsere Anfrage nach hinreichend melancholisch gestimmten Bildern zum Neuanfang des Stammtisches/Schriftspaziergangs schickte er spontan fünf. Den Rest seht ihr nach und nach auf unseren Social Media-Kanälen: Folgt Eurem Typostammtisch auf Twitter und Instagram.