Nachbericht 81. Typostammtisch: Mastering Type

Wenn ich an die heurige Ausgabe von Mastering Type am 25. und 26. Januar 2019 im Medienhaus der UdK denke, der alljährlichen Ausstellung von Abschlussarbeiten internationaler Masterstudiengänge im Bereich Schriftgestaltung, so habe ich ein verschwommenes Bild vor dem geistigen Auge. Eines mit 40 abwechslungsreichen und vielfältigen Schriftentwürfen immerhin.

(Foto: Sol Matas)
(Foto: Sol Matas)

Die Qualität dieser Erinnerung liegt allerdings nicht an etwaigem Drogenkonsum, der üblichen Berliner Witterung zu dieser Jahreszeit oder meiner angeborenen Fehlsichtigkeit. Vielmehr weiß ich seit Kurzem, dass sich Semesterenden, die Abgaben von Bachelorarbeiten und schlafraubende Entwicklungsphasen von Babys nicht nach Typostammtischen richten und im ungünstigsten Fall eben alles zusammenkommt.

Und so bestreite ich die beiden Tage – die Eröffnung der Ausstellung am Freitag Abend und die Vorträge der frischgebackenen Type Master am Samstag Nachmittag – maximal übermüdet. Ich habe das Gefühl, mein Gehirn läuft mit Notstrom. Dass ich die präsentierten Arbeiten und die sieben Vorträge trotz suboptimaler Verfassung meinerseits in zwar nebeliger, dafür aber umso nachdrücklicherer und lebendigerer Erinnerung behalten habe, spricht für die Qualität des Gesehenen und Gehörten.

(Foto: Sonja Knecht)

Man könnte es schon fast als Tradition bezeichnen, dass das Typostammtisch-Jahr mit der Ausstellung der Abschlussarbeiten internationaler Masterstudiengänge im Bereich Schriftgestaltung beginnt. Zum insgesamt vierten Mal konnten im Medienhaus der UdK Berlin Schriftplakate von frisch gebackenen Absolventen und Absolventinnen bewundert, studiert und diskutiert werden – dieses Jahr aus Amiens (FR), Buenos Aires (AR), Den Haag (NL), Lausanne (CH), Nancy (FR) und Reading (UK).

Freitag, Tag 1

Die Ausstellung „Mastering Type“ beginnt am Freitag um 19 Uhr. Die ersten Besucher trudeln allerdings schon einige Minuten davor ein, während wir fleißigen Typostammtisch-Bienen noch umständlich versuchen, die ausgestellten Process Books der Absolventinnen aus Den Haag mit Angelschnüren mehr dekorativ denn effektiv gegen dreisten Diebstahl zu sichern. Außerdem gilt es noch die heiß diskutierte Frage zu klären, ob die Parkbank, die aus irgendeinem unerfindlichen Grund mitten im Raum steht, stört und entfernt werden muss oder ob sie als zentrale Jackenablage überaus dienlich sein könnte und somit stehen bleibt. Die Parkbank bleibt.

Olli Meier und Sol Matas. Im Hintergrund mühen sich Sebastian Carewe und Benedikt Bramböck mit den Kunststoffschnüren ab. (Foto: Anja Meiners)

Am Nachmittag wurden bereits die legendären de Groot’schen Pappstellwände drapiert und mit den 40 Schriftplakaten behangen. Der Druck wurde wie in den letzten Jahren auch von Luc(as) organisiert und gesponsert. Herzlichen Dank dafür!

Die Studierendenvertretung der UdK sorgt während der Ausstellung für unsere kulinarische Grundversorgung: Muffins, Brezen und diverse kühle Getränke werden zu flexiblen Preisen feilgeboten. Da Jenny ja in Elternzeit ist, war unser Mittelsmann an der UdK dieses Jahr übrigens Typostammtischstammgast Dr. Thomas Maier, der Jenny Baese für diesen Zeitraum an der UdK vertritt. Auf der Website der UdK wird er als „Lehrkraft für besondere Aufgaben“ geführt – der James Bond der Typografie sozusagen. Er betreibt im Keller des Medienhauses das Typolabor, durch das er an diesem Abend unsere interessierten Besucher führen wird. Aber alles der Reihe nach!

Simsalabim: Dr. Thomas Maier führt durch das Typolabor. (Foto: Anja Meiners)
Benedikt begrüßt die Gäste. Die Parkbank ist unter dem Jackenhaufen kaum mehr zu erkennen. (Foto: Sol Matas)

Es ist also kurz nach 19 Uhr, der Raum füllt sich nach und nach, die ersten Biere werden verkauft, interessierte Menschen schleichen behutsam an den Wänden entlang und irgendwann stellt sich die Frage, ob denn jetzt die Ausstellung schon eröffnet sei oder ob es nicht irgendeiner Art offiziellen Aktes bedarf, der diese Frage beantwortet. Routiniert ergreift Benedikt das Wort, begrüßt die Anwesenden, erklärt kurz, was es ringsum zu sehen gibt und weist auf die Führung durch das Typolabor und die morgigen Vorträge ein Stockwerk höher hin. Die Ausstellung ist jetzt zweifelsfrei eröffnet. Die folgenden zwei Stunden stehen allen zur freien Gestaltung zur Verfügung. Das Angebot reicht von Schriften- und Prozessbücherkucken über Bier- und Weintrinken bis hin zu quatschen, schon-lange-nicht-mehr-gesehene Bekannte begrüßen, neue Bekanntschaften machen oder einfach nur rumstehen und die Atmosphäre genießen.

(Foto: @toniagost / @eilythams)
Benedikt Bramböck, Sven Fuchs und Mona Franz (Foto: @toniagost / @eilythams)

Ein beliebtes Gesprächsthema unter den Besucherinnen – so scheint es mir – ist auch dieses Jahr wieder die Analyse der hochschulspezifischen Plakatgestaltung. Die Schriften aus Den Haag zum Beispiel lassen sich angeblich sofort von jenen aus Reading unterscheiden, allein durch die Art, wie die Plakate gestaltet sind. Und die Plakate aus Lausanne sehen sowieso wieder ganz anders aus: irgendwie schwarz-weiß.

Und es lassen sich auch unterschiedliche Publikumstypen benennen: So gibt es jene, die sich systematisch – interessanterweise gern gegen den Uhrzeigersinn – von Plakat zu Plakat vorarbeiten und mit großer Ausdauer und Akribie alle Begleittexte rezipieren. Es gibt aber auch jene, die eher gesamtheitlich an die Sache herangehen. Mit etwas Abstand zu den Wänden an den Schriftentwürfen vorbeispazieren, die Plakate wie Gemälde auf sich wirken lassen und das Ganze gegebenenfalls zwei bis drei Mal wiederholen. Die allergewitztesten aber ersparen sich die komplette Runde, suchen gezielt eine scheinbar fachkundige Person auf, eröffnen ein kurzes, belangloses Gespräch, um dann mit der Frage „Und? Hast du einen Favoriten?“ wertvolle Experteneinschätzungen zu erheischen. Diese hochgehandelten Infos erlauben es, einzelne erlesene Entwürfe gezielt anzusteuern und so Zeit und Energie zu sparen.

Der Abend geht wie jedes Jahr viel zu schnell zu Ende. Im Handumdrehen ist es 21:30 und wir beginnen höflich, aber mit gebotenem Nachdruck, die Menge Richtung Ausgang zu drängen. Stets mit dem Verweis auf den morgigen Tag, an dem die Schriften ja noch den ganzen Nachmittag lang in aller Ruhe genossen werden können!

Ob wie im Jahr zuvor der harte Typo-Kern noch die nahegelegene Spelunke namens Pinguin-Club aufsuchen wird? Ich weiß es nicht! Eine unsichtbare Kraft zieht mich gen heimische Schlafstätte und ich verlasse die Szene noch bevor dieser Vorschlag an mich gerichtet hätte werden können.

 

Samstag, Tag 2

Nach der Vernissage am Freitag folgt tags darauf schon der krönende Abschluss: insgesamt sieben frischgebackene, internationale Schriftgestaltungsmastergraduierte sprechen in der Aula des Medienhauses über ihre Arbeiten. Der weitgereisteste kommt aus Argentinien! Die anderen aus Den Haag und Reading. Sie beschreiben Prozesse, teilen ihre Erkenntnisse und erläutern die Ergebnisse.

Hidetaka Yamasaki, Dominic Stanley, Namrata Goyal, Rafał Buchner, Katja Schimmel, Aldo Arillo und Mona Franz (Foto: @toniagost / @eilythams)

Und während die Absolventen und Absolventinnen gelassen auf bereits Vollbrachtes zurückblicken, arbeiten in besagten Hochschulen die Protagonisten der nächsten Mastering-Type-Ausstellung bereits mit Hochdruck an ihren zukünftigen Exponaten.

Toi toi toi, wir freuen uns jetzt schon darauf!